Eltern Interviews

Ballerina und Mutter: Mein Interview mit Ilenia Montagnoli, Solistin beim Staatsballett Berlin

12. April 2018

Ballerina sein und auch Mutter. Ist das überhaupt möglich?! Ich habe früher selbst getanzt und bin absoluter Ballett Fan! So war ich überglücklich kürzlich die Chance zu bekommen, Ilenia Montagnoli, Solistin beim Staatsballett Berlin und Mutter einer acht Monate alten Tochter, zu interviewen. Vorher durfte ich mir das Training und „Don Quixote“ ansehen,  ein absoluter Genuss! Gerade auch für Eure kleinen Ballerinas zu Hause!

Die Italienerin Ilenia (30) tanzt seitdem sie zwei Jahre alt ist. Ihr Ehemann, mit dem sie zusammen in Verona getanzt hat, ist ebenfalls Tänzer beim Staatsballett. Ich habe mit ihr über Vereinbarkeit, körperliche Herausforderungen und mütterliche Emotionen beim Tanzen gesprochen. Warum man sie im Ensemble „hysterical housewife“ nennt, verrät sie uns auch.

Gibt es eigentlich viele Mütter im professionellen Tanz?

Ja, mittlerweile schon. Wir haben einige Eltern hier im Staatsballett. Bei 80 Tänzern im Ensemble haben wir immerhin 15 Kinder! Wir sind alle so um die 30 Jahre alt und da ist das nur natürlich. Früher war das aber überhaupt nicht so, es war fast seltsam als Ballerina ein Baby zu haben. Da hat eine Tänzerin gewartet, bis ihre Karriere vorbei ist (also bis 40, 45 Jahre) und sich dann teilweise erst einen Partner gesucht. Heute haben auch die Stars Kinder, so wie Polina (Semionova, Anm. der Redaktion). Man sieht hier in der Garderobe abends einige Tänzerinnen im kompletten Make-Up und Kostüm, die Milch abpumpen (lacht). Ich stille ja auch noch.

Ist das möglich, so hart zu trainieren und weiter zu stillen?

Ja, alle Tänzerinnen hier, die Mütter sind, stillen und auch sehr lange. Man kann einfach Stilleinlagen ins Trikot legen und dann geht es ohne Probleme!

Ballerina und Mutter: Vorbilder und der eigene Weg

Als Du Dich entschieden hast, Mutter zu werden: Gab es ein Vorbild für Dich einer Tänzerin, die beides erfolgreich miteinander vereinbart hat?

Darcey Bussell sicherlich (früher Royal Ballet, heute Präsidentin der Royal Academy of Dance Anm. der Redaktion), aber auch hier im Ensemble sehe ich immer wieder bei Kolleginnen, dass es möglich ist. Letztendlich muss jede berufstätige Mutter aber ihren eigenen Weg finden, ob Ballerina oder nicht. So versuche ich auch, eine Balance zwischen meiner beruflichen Leidenschaft und meinem Mamasein zu finden.

Bis zu welchem Zeitpunkt in Deiner Schwangerschaft hast Du getanzt?

Die ersten drei Monate gar nicht aus Sicherheitsgründen. Gerade Sprünge können am Anfang gefährlich sein. Aufgetreten bin ich gar nicht mehr, das ist auch nicht erlaubt. Am Training habe ich aber bis zum achten Monat teilgenommen, um in Form zu bleiben. Hier muss aber auch der Arzt zustimmen.

Ballerina und Mutter

Und der „After Baby Body“ einer Ballerina?

Als Tänzerin ist körperliche Fitness eine berufliche Voraussetzung. War das ein hoher Druck für Dich und wie bist Du nach der Geburt wieder zu alten Form gekommen?

Tatsächlich ist es so, dass ich dafür bezahlt werde, körperlich fit zu sein (lacht). Ich stelle es mir schwerer vor, wenn eine Mutter einen Bürojob hat und abends dann noch ins Fitness-Studio geht, um wieder fit und schlank zu werden. Bei mir ist das einfach Teil des Berufs. Nach der Geburt hatte ich zunächst Probleme mit postnataler Depression, so dass ich zwei Monate gar nichts getan habe. Danach ging es mir seelisch auch wieder gut und dann habe ich einfach mit Hilfe von YouTube Videos zunächst täglich Yoga und Pilates gemacht. Seit vier Wochen bin ich zurück im Staatsballett und besuche wieder das Training.

Tatsächlich war für mich die Geburt aber sehr hart. Ich hatte 36 Stunden Wehen (ohne Schmerzmittel) und all meine Muskeln waren wohl eher hinderlich.

Ganz ehrlich: nach 36 Stunden Wehen denke ich jetzt aber, dass mein Körper zu allem fähig ist!

Ballerina und Mutter

Ballerina, Mutter und „hysterical housewife“

Wie war der Wiedereinstieg für Dich?

Eigentlich recht einfach, ich nehme bisher nur am Training vormittags teil, meine Tochter ist in einer Kita in der Nähe der Oper und ich hole sie auch mittags wieder ab. Nachmittags bin ich dann komplett nur Mama und trage sie die ganze Zeit durchs Haus! Ich liebe übrigens Hausarbeit. Hier im Ensemble nennt man mich deswegen „The hysterical housewife“ (lacht).

Mein Mann und ich versuchen es so einzuteilen, dass wir unsere Tochter früh abholen. Manchmal sind Kinder auch hier im Training dabei, wenn die Kita geschlossen ist zum Beispiel. Ideal wäre eine Kita in der Oper für alle Darsteller, denn abends ist die Betreuung tatsächlich ein Problem.

Der Wiedereinstieg hier beim Staatsballett war auch sehr flexibel. Ich wollte eigentlich nach sechs Monaten wiederkommen, dann habe ich es nochmal nach hinten verschoben, weil es sich nicht richtig angefühlt hat.

Familie als Pas de Deux

Zwei Tänzer mit einem Kind: Wie „teilt“ man sich die Karriere?

Mein Mann ist ein ganz großartiger Partner und Vater, der die Aufgabe mit mir gleichberechtigt lösen will. Aber natürlich müssen wir uns gut organisieren mit Kita, Babysitter und auch meine Eltern unterstützen uns. Aber ich denke das geht allen Familien so, in denen beide Eltern arbeiten.

Tanz ist eine Kunst mit großen Emotionen. Bemerkst Du eine Veränderung im tänzerischen Ausdruck bei Dir selbst, nachdem Du Mutter geworden bist?

Wenn wir tanzen, zeigen wir uns. Schöne und schlechte Erfahrungen spiegeln sich immer in unserem Tanz wieder. Und ja, der Tanz erhält durch das Muttersein mehr Reife, weil man selbst mehr erlebt hat, denke ich. Ich konnte mich insbesondere auch durch Angst oder Sorge, die mit der Mutterschaft verbunden ist, besser mit meinen Emotionen verbinden und das dann letzendlich im Tanz ausdrücken.

Liebe Ilenia, herzlichen Dank für deine Offenheit und diesen wunderbaren Einblick in die Welt des Balletts!

Mehr zum Thema Mütterin Bühnenberufen könnt Ihr hier lesen.

Fotos: „Click-Pause-Silence“ von Jiri Kylián, Foto Fernando Marcos, privat, „Dornröschen“ von Nacho Duato, Ilenia ganz rechts, Foto Yan Revazov

 

Ballerina und Mutter

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