Leben mit Kindern

Finanzielle Abhängigkeit beim Mann: Wie ist das, wenn die Frau alles zahlt?

12. März 2019
Frau hakt sich bei Mann unter

Finanzielle Abhängigkeit ist ja fast eine „typisch weibliche“ Sache. Es ändert sich gerade viel im Bewusstsein, aber wie man richtig für sich selbst trotz Teilzeitarbeit oder Hausfrauenberuf für die Rente aber auch für die schiere Existenz vorsorgt, ist in weiten Teilen Deutschlands immer noch nicht genug Thema. Sehr selten ist immer noch das Modell „Hausmann“ oder „Teilzeitpapa.“ Ein Mann in Teilzeit hätte dann ja ähnliche Fragestellungen wie eine Frau- oder ist das Gefühl der Abhängigkeit  nochmal anders, wenn man ein „Kerl“ ist? Heute schreibt Arne darüber, wie er sich fühlt, wenn seine Frau bezahlt- und zwar immer.

Finanzielle Abhängigkeit: Der Kellner gibt mir trotzdem die Rechnung

Ein Restaurantbesuch zu viert. Wir bitten um die Rechnung, die zwei Minuten später… vor meiner Nase liegt. Also vor der Nase des MANNES. Ich lächele und schiebe die Rechnung meiner Frau hin, die ihr Portemonnaie schon in der Hand hat und zahlt. Das tut sie nicht manchmal, sondern immer.

Rückblick: Aufgewachsen bin ich in einem Kieler Vorort direkt am Meer. Erst in einem Reihenhaus, dann in einem Bungalow. Mein Vater, der Richter, ist morgens zur Arbeit gegangen und nachmittags nach Hause gekommen. Mein drei Jahre älterer Bruder und ich haben uns nach der Schule mittags an einen gedeckten Tisch gesetzt, und wenn ich krank war, hat meine Mutter sich um mich gekümmert. Sie hat erst wieder angefangen zu arbeiten, als ich sechzehn war.

Hätte ich in jener Zeit den Begriff „Familie“ definieren sollen, hätte ich gesagt:

„Der Vater geht arbeiten, bezahlt alles, die Frau kümmert sich um die Kinder, den Hund und den Haushalt und entscheidet, was es wann zu essen gibt.“

Krass! Und noch krasser: Die wenigen (in Teilzeit) arbeitenden Mütter waren mir irgendwie unheimlich.

Die Frage nach der finanziellen Abhängigkeit wird Müttern nicht gestellt!

Ich weiß nicht, wie ich mir mein Leben als Erwachsener vorstellte. Aber die Möglichkeit, dass ich dreißig Jahre später mit einer gut verdienenden Frau verheiratet sein könnte, mich in erster Linie um die Kinder kümmern, nebenbei in Teilzeit arbeiten und mich selbst verwirklichen würde, hätte ich gewiss ausgeschlossen.

Tja, aber so ist es gekommen. Und ich bin nicht nur einmal gefragt worden:

„Stört es dich eigentlich nicht, dass deine Frau alles zahlt?“

Einerseits nervt mich diese Frage tierisch, weil sie zu der Kategorie Fragen gehört, die Frauen grundsätzlich nicht gestellt werden.

Andererseits habe ich bei der Antwort oft – ich gestehe! – schlicht gelogen. Denn mit einem einfachen „Nö, stört mich nicht“ ist das Thema längst nicht abgehakt. Sagen wir mal so: Wir haben uns recht bewusst für den Rollentausch entschieden, und deshalb soll meine Frau ruhig unsere laufenden Kosten zahlen, und dazu gehören auch unsere Urlaube, weil wir jedes Jahr gemeinsam verreisen.

Damit habe ich wirklich kein Problem.

Rechnungen im Restaurant? Damit habe ich auch kein Problem.

Und doch habe ich mit manchmal Probleme damit….

Aber… habe ich ein Problem damit sie nach Geld fragen zu müssen? Habe ich ein Problem damit, meine Hobbys nicht allein finanzieren zu können? Oh ja! Ich erinnere mich noch lebhaft an meine ersten Monate in Wuppertal. Ich hatte keinen Job. Dadurch, dass ich nur als Vertretungslehrer unterrichtet hatte und zwischen den Vertretungen gezwungen gewesen war, Zwangspausen einzulegen, hatte ich keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Ich bekam monatlich also überwiesen:

Nix. 0 Cent.

Eifersucht auf die Männer in ihrem Job

Das ging einige Monate so, und ich fühlte mich grässlich und starb vor Eifersucht, als meine Frau mit einem ebenfalls gut verdienenden Kollegen essen ging. Ich dachte, sie könnte mich armselig, ja geradezu peinlich finden. Das ist allein deshalb bizarr, weil ich mit meinem unerschütterlichen, an Naivität grenzenden Selbstbewusstsein ganz schön nerven kann. (Zum Beispiel bin ich immer noch fest davon überzeugt, irgendwann mit einem meiner Romane die Bestsellerliste zu erobern. So denke ich seit 1997! Nein, das ist kein Witz.) Dieses Selbstbewusstsein war in dem Moment einfach weg, als auch das letzte Geld auf meinem Konto einfach weg war.

Und jetzt kommt wahrscheinlich so ein Männerding: Meine Frau hatte mir angeboten, und zwar immer wieder, eine gemeinsame EC-Karte zu nutzen. Wollte ich nicht. War mir unangenehm. (Haben wir bis heute nicht.) Sie überwies mir daraufhin Geld, und dann fand ich wieder einen Job, den ich sogar behielt.

Meine Frau ermöglicht mir, als Schriftsteller tätig zu sein

Und jetzt kommt noch so ein Männerding: Sie weiß ganz genau, dass es mein Lebenstraum ist, als freier Schriftsteller zu leben. Das ist mein TRAUM!!! Und sie wollte ihn mir erfüllen.

„Du kannst aufhören zu arbeiten“, sagte sie vor ein paar Jahren und ergänzte:

„Dann kannst du dich aufs Schreiben konzentrieren.“

(Dabei findet sie meine Bücher nicht gerade nobelpreisverdächtig. Kommentar zum Roman Nicht von dieser Welt: „Viel zu düster und brutal!“ Kommentar zu Maupassant: „Du hättest ja nicht ständig das Wort vögeln benutzen müssen!“)

Teilzeit ist mein Rettungsanker für den Fall der Fälle

Tja, und was habe ich gemacht. Ich habe genickt, vermutlich „Danke“ genuschelt und bin Teilzeitlehrer geblieben. Ich finde den Beruf okay, bringt manchmal sogar Spaß. Aber das war nicht der Grund, weshalb ich ihr Angebot abgelehnt habe. Der Grund war, dass ich, der Mann, weiterhin finanziell auf eigenen Füßen stehen wollte. Ich wollte das Gefühl haben, dass ich mit einer vollen Stelle – aufstocken kannst du immer – unsere Familie im Zweifelsfall über Wasser halten kann.

Und das ist bis heute so. Ich warte auf den Bestseller, der es mir ermöglicht, mit meinen Büchern die Familie ernähren zu können. So wie es meine Frau seit 15 Jahren mit ihrem Job tut.

Übrigens leben wir seit zehn Jahren in Wuppertal und haben ungefähr fünf Stammrestaurants.  Inzwischen wird meiner Frau überall die Rechnung hingelegt.

Und das ist auch gut so!

Mehr über den Autor Arne Ulbricht

In “Mama ist auf Dienstreise” erzählt Arne Ulbricht nicht nur von PEKIP-Kursen, sondern auch davon, wie seine Frau am Flughafen der Security auf Englisch erklären musste, wofür man eine Abpumpmaschine braucht.

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In seinem Erzählband Vatertag! geht es um ganz unterschiedliche Väter. Auf Lesungen liest er mit seinem Sohn die Geschichte LoL, in der ein Vater versucht ein Computerspiel zu verstehen (und süchtig danach wird), und mit seiner Tochter die Geschichte In der Boulderhalle, in der ein Vater für seine Tochter Wände hochklettert (und stürzt).

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Fotos:Daniel Schmitt/https://www.spitzlicht.de//pixabay

Frau Mutter folgen

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