Leben mit Kindern

Abnabelung der Eltern: Warum ich mich so nutzlos und traurig fühle

31. Oktober 2019

Die Abnabelung der Eltern von den Kindern ist oft viel schwieriger als umgekehrt. Kein Wunder, für die Kinder ist das Abnabeln ein natürlicher und wichtiger Prozess, um wirklich autonom und erwachsen zu werden. Meine Kinder sind nun 13 und 9 Jahre alt. Wenn mein Mann und ich am Wochenende nach all den Jahren plötzlich Zeit für uns haben, weil die Kinder bei Freunden sind oder einfach ihr Ding machen, bekomme ich schon eine Vorahnung, wie sich das „empty nest“ anfühlen wird- nicht gut.

Mein Gastautor Arne Ulbricht schreibt heute über dieses seltsame, melancholische Gefühl, wenn Kinder gefühlt über Nacht groß geworden sind.

Abnabelung der Eltern: Warum ist das nur so verdammt schwer?

„Papa, komm!“

So klang es, wenn meine Tochter mich nachts gerufen hat. Jahrelang schlurfte ich in ihr Zimmer, und wenige Augenblicke später schliefen wir in meinem Bett Rücken an Rücken liegend ein.

„Papa, noch zwei Seiten!“

So klang es wiederum, wenn mein Sohn gegen das Ende unserer Vorlesesession protestierte. Und jahrelang habe ich ihm dann den Gefallen getan.

Und wie oft war ich mit beiden Kindern in irgendwelchen Turngruppen und sang im Kreis sitzend Lieder, deren Texte sich mir einfach nicht einprägen wollten? Oder baute mit ihnen Lego oder puzzelte oder spielte Lotti Karotti?

Nein, ich war wirklich nie die Supernanny unter allen Vätern, und ich habe als Vater diese fast schon klischeehafte Mutterrolle auch nicht übernommen, weil ich eine genetische Veranlagung dazu habe, sondern weil sich mein Traum, erfolgreiche Bücher zu schreiben, seit zwanzig Jahren einfach nicht erfüllen will. Deshalb verdient bei uns seit eh und je meine Frau das Geld und arbeitet entsprechend viel.

Ich fand es meistens cool, der Papa zu sein, der immer da war, während die Mama für uns schuftete. Doch dann waren die Kinder plötzlich 8 und 11, und mein Sohn sagte zu mir:

„Papa, du brauchst mir nicht mehr vorzulesen.“

Abgenabelt: Plötzlich darf ich meinem Sohn nicht mehr vorlesen

Immerhin hatte ich noch die Tochter. Die ließ sich noch vorlesen, aber sie rief mich nur noch jede zweite Nacht. Dann nur noch jede dritte, schließlich gar nicht mehr.

Genauso plötzlich, wie sie 7 und 11 waren, waren sie dann auch schon 12 und 15. Wahnsinn! Meine Tochter motzt mich inzwischen jedes Mal an, wenn ich ihr über den Kopf streichele. Sie will einfach nicht mehr mein kleines Mädchen sein.

Na gut, dann passe ich mich dem Alter eben an.

„Hast du Lust, mit mir Joker zu sehen?“, fragte ich vor Kurzem meinen Sohn.

Meine Frau mag so brutale Filme nicht. Also dachte ich an so einen Vater-Sohn-Klassiker. Ich wollte etwas Cooles machen, damit mein Sohn ein bisschen stolz ist auf den Vater. Er sagte:

„Gute Idee, aber da gehe ich mit meinen Freunden rein!“

Und meine Tochter? Die fragte ich:

„Hast du denn nicht mal wieder Lust, Siedler von Catan zu spielen?“

Das war lange Zeit unser Spiel.

„Papa… ja, gern. Aber nicht jetzt. Ich telefoniere doch gleich mit Laura.“

Och Mann.

Mein Verstand akzeptiert den Abnabelungsprozess meiner Kinder-trotzdem bin ich so traurig!

Übrigens bin ich nicht doof. Ich weiß, dass das alles normal ist. Und dass es auch gut so ist. Die Kinder werden größer, und je mehr die Anzahl der Hobbys und der Freunde wächst, desto unwichtiger werden die Eltern, bis die Kinder schließlich ganz ausziehen. Trotzdem leide ich darunter. Nicht so, dass ich zum Psychiater müsste oder heimlich Stimmungsaufheller einwerfe oder morgens zu trinken beginne. Aber ich denke oft:

„Schade, die Zeit ist viel zu schnell vergangen.“

Und dann gibt es sie wieder, diese Momente. Im letzten Urlaub wollte meine Tochter unbedingt noch in den Swimmingpool, obwohl es geregnet hat. Und zwar mit mir! Auf so was habe ich eigentlich nie Lust. Aber in diesem Fall… habe ich mich begeistert mit ihr ins kalte Wasser gestürzt.

Und im Dezember gehe ich zu einem New-Model-Army–Konzert. New Model Army habe ich schon mit achtzehn gehört. Diese Konzerte sind einfach geil! Schade, dass nie jemand mitkommen möchte. Das heißt… dieses Jahr kommt mein Sohn mit! Und ich habe den Eindruck, er hat da total Bock drauf. Geht doch!

Wie ich die Abnabelung verarbeitet habe: Mein Buch Luna, ein Fliegenpilz im Erdbeerkleid

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In meinem ersten Kinderbuch Luna, ein Fliegenpilz im Erdbeerkleid geht es um ein siebenjähriges Mädchen, das sich darüber ärgert, dass „Papa einfach immer da ist“. Die Mutter arbeitet viel und fährt sogar auf Dienstreise, weshalb Papa eines Abends mit Luna in die Notaufnahme muss, als die Sache mit dem heimlichen Schnitzen nicht so funktioniert hat…

Hm. Habe ich das Buch geschrieben, um meine eigenen Abnabelungsschwierigkeiten zu verarbeiten. Und wenn ja, ist es nicht vielleicht sogar vollkommen in Ordnung, sich daran zu erinnern, wie schön es damals (oft) war? Und ist dieses Buch genau aus diesem Grund vielleicht mein erstes Feel-Good- bzw. Gute-Laune-Buch geworden?

Ja… wahrscheinlich schon.

Arne Ulbricht ist 47, und an dem Tag, an dem er den Text geschickt hat, ist sein Sohn 16 geworden. Informationen über ihn und seine Bücher gibt es hier: www.arneulbricht.de

Luna, ein Fliegenpilz im Erdbeerkleid ist bei Urachhaus erschienen. Luna ist ein selbstbewusstes, kreatives und leicht anarchistisches Mädchen, das gleich im zweiten Kapitel Mamas Handy im Eisschrank unter einer Tüte Erbsen verschwinden lässt. Sie soll da nicht immer raufgucken, denn sie ist ja nur so selten da. (Das vorletzte Kapitel heißt: Hilfe, Mama will Erbsen essen.) Luna klettert auf Bäume, mag Regen und hat einen Freund, mit dem sie gern tote Tiere im Garten verbuddelt.

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