Mein Kind ist groß- oder vielmehr nicht mehr klein, zumindest der Erstgeborene. Ich habe da gemischte Gefühle, denn ich frage mich oft, ob ich die Baby- und Kleinkindzeit eigentlich richtig genießen konnte. Kürzlich war ich mit meinem Sohn unterwegs und hatte so einen richtigen Aha-Moment. Mein Kind ist groß, eine neue Zeit hat begonnen!
Es waren Ferien (Sebastian also zu Hause) und ich nahm ihn mit auf ein Bloggerevent, eins für Erwachsene. Eltern sind auch Erwachsene (meistens), aber Elternblogger-Events sind oft kindgerecht für die mitgebrachten Kinder und es werden gerne Windeltorten u.ä. gebastelt. Auf diesem nicht, es ging umd Thema „Vielfalt und Nachhaltigkeit“, eingeladen hatte eine Naturkosmetikfirma.
„Was gibts denn da für Kinder zu machen?“, lautete die Frage meines Sohnes. Ich sagte ihm, dass es da ein cooles Loft, chice Deko, Gespräche und gutes Essen gäbe „und außerdem siehst Du mal, wie Mama arbeitet.“
„Wie laaaangweilig!“
Mein Kind ist groß- und kann ganz einfach „dabei“ sein
Nach längeren Verhandlungen einigten wir uns auf ein Buch, dass er mitnehmen wollte für den Fall akuter Langeweile. Wir fuhren also nach Kreuzberg zum Event, Sebastian wurde herzlich aufgenommen und zum Glück war auch noch ein Blogger-Hund da für das Blogger-Kind. Irgendwas war aber anders. Sebastian rannte weder die Deko um oder einfach weg, noch musste ich ihm hinterher rennen, weil er gerade auf die Fensterbank klettern wollte.
„Und jetzt kannst Du mir helfen und mich fotografieren, hier vor der Urban-Gardening-Deko.“
„Aber das ist öööööde, wieviel Bilder hast Du denn schon von Dir selbst, Mama?“
Merke: Okay, der Sohn ist zwar schon groß, aber kein menschlicher Selfie-Stick!
Das Event begann, es gab einen Vortrag, es wurden Duftproben herum gereicht und Sebastian vergaß bald sein mitgebrachtes Buch.
Er hörte zu, hielt in Rosenwasser getränkte Tücher vor seine Nase und bekam immer bessere Laune. Welches Öl denn nun mir am besten gefalle und warum sei das gut für die Psyche und was ist das überhaupt….Psyche….
Er beobachtete, hörte wirklich zu, dachte mit.
Zwischendurch spielte er mit dem Hund oder schaute sich die ausgestellten Produkte an, ohne die Packungen aufzureißen, durchzukauen und die Reste dann auf den Boden zu werfen. Es gab Lunch und wir aßen entpannt und ohne „Igitt, das schmeckt mir nicht“ oder Gläser umschmeißen unser Essen. Auch musste ich ihn nicht füttern oder schauen, wo ich nun das Gläschen erwärmen konnte. Er unterhielt sich mit seinen Tischnachbarinnen, war freundlich , offen.
Auf der Toilette klemmte zwar länger sein Türschloß, aber als ich dann mal nachschauen kam, hatte er sich schon selbst geholfen und wieder befreit. Weder musste ich einen Wickeltisch suchen noch stellte ich fest: „Oh Gott, meine Feuchttücher sind alle.“
Mein Kind ist groß- und ist….ein Gesprächspartner!
Auf dem Nachhauseweg im Auto unterhielten wir uns über die Themen des Events und was die einzelnen Leute dazu gesagt haben.
„Mama, warum haben sich da alle auf dem Event umarmt und geküsst und warum reden alle Blogger so viel?“
Sebastian stellte Fragen, hatte eine Meinung und wir freuten uns gemeinsam über einen schönen Tag. Kein „Ich muss Pipi, wann sind wir da, ich habe Bauchweh, mein Gurt zwickt, ich will mal eben die Tür/das Fenster aufmachen und jetzt heule ich den Rest der Autofahrt. Und auch noch den ganzen Abend lang“. Nichts.
Einfach ein schöner Tag mit angenehmen Gesprächen, zusammen mit meinem Sohn. Ideen austauschen, Fragen stellen, nachdenken und wieder nach Hause fahren.
Mein Kind ist groß. Obwohl er immer mein Kind bleibt, ist unsere Beziehung partnerschaftlicher geworden, er kritisiert mich (noch einer!) und hinterfragt, was ich tue. Er sagt mir, wenn er etwas ungerecht fand und drückt trotzdem noch wie ein Kind ehrlich und spontan seine Freude und Liebe aus. Es hat wirklich eine neue Zeit begonnen.
Das Hinterhergerenne, das Aufpassen, das Aufwischen von allerlei Flüssigkeiten, die immer unterbrochenen Gespräche, all das ist vorbei.
Aufatmen. Freude.
„Sebastian, das war so schön mit Dir heute und es hat Dir auch Spaß gemacht, ja?“
„Ja, war schön. ….aber wann gehen wir auf ein Nerf-Gun-Event, Mama? Kannst Du das mal ausmachen?“
Den restlichen Tag war ich wie auf Wolke 7. Ich, die Mutter, dieses tollen, selbständigen Sohnes. Natürlich habe ich ihn auch in der Kleinkind-Phase geliebt und war gerne mit ihm zusammen. Aber kann es sein, dass nun die FETTEN Jahre beginnen (so kurz vor der Pubertät)? Das wir nun als Eltern für all die Arbeit und Mühe belohnt werden? Klar, jedes Alter ist schön. So sagt man jedenfalls. Ich genieße das Jetzt sehr, gebe ich ganz ehrlich zu.
Und ich habe ja schließlich noch eine 6jährige Tochter, die ab und zu noch Gläser umschmeisst….
Seid Ihr gerne Eltern großer Kinder? Wie fühlt sich das für Euch an?
11 Kommentare
Liebe Nina,
ja, es ist wirklich ein Aha-Effekt… jeden Tag ein Stpck mehr. Manchmal schwer zu glauben, oft aber als dann „jetzt ist es so“ angenommen…
Herzliche Grüße
Sven
Lieber Sven,
ich merke es gerade jeden Tag und freue mich über diesen Menschen. LG Nina
Liebe Nina,
…. I remember…. Und was habe ich die damals neue Freiheit bewusst genossen!! Ich habe jeden Entwicklungsschritt herbeigesehnt und dann doch bedauert, weil es ja alles so furchtbar schnell ging – `der hat doch gerade erst Laufen gelernt`
Und genau diese Woche, Vorgestern Abend, da ist es mir richtig schwer um´s Herz geworden: Beim allabendlichen Gute-Nacht-Sagen saß da plötzlich ein junger Mann im Bett meines Sohnes! Innerhalb von 3-4 Wochen ist der letzte Rest Kind im Gesicht verschwunden und ich konnte urplötzlich erahnen, wie er als Mann aussehen wird, kantig, hohe Wangenknochen, markantes Kinn (und natürlich unglaublich attraktiv. Is klar, oder?). Kein bisschen `mein Kleiner` mehr und das hat mich doch kalt erwischt…
Edit: Der Bub ist 14 Jahre alt. 190 cm lang. Und mag es immer noch gedrückt zu werden, wenn ich auf der untersten Treppenstufe stehe und er nicht 15cm größer ist als ich. Und unter Ausschluss der Öffentlichkeit.
Liebe Grüße vom Bodensee
Kerstin
Liebe Kerstin, ach, das kann ich gut nachvollziehen, bei uns ist noch viel „Kind“ da, zum Glück. Aber ich werde mich in ein paar Jahren so wie Du fühlen. LG Nina
Hm, meine Kleine ist ja noch nicht gar sooo groß, fast vier! Wenn man sie selbst fragt, ist sie natürlich schon groß! An mir selbst merke ich, wie schnell die Zeit vergeht, sie größer und ich älter werde. Bin schon sehr gespannt, wie sie sich um Laufe der Jahre verändern wird.
Erinnerst du dich? Meinen Sohn (16) hast du damals in Dresden bei einem Bloggerevent kurz kennengelernt und du fragtest ihn, wie er sich als „Blogger-Kind“ fühlt. Er ist stolz auf das, was ich tue (ist ja ein gaaaanz hipper Job – kommt kurz nach Youtuber) – und ich bin saustolz auf ihn, den Großen! Ja, die Beziehung zwischen uns hat sich sehr verändert. Eher freundschaftlich als ständig unterm Erziehungs-Stern und ich hoffe, das bleibt so! Er bleibt immer mein Sohn – egal, wie alt er ist…
Danke für den Artikel! LG, Stephie
Liebe Stehphie! Natürlich erinnere ich mich! Das war ein sehr lustiges Gespräch., ein toller Junge! Du kannst stolz auf deinen Sohn sein!
Das klingt toll, wie Du Eure Beziehung beschreibst. lg nina
„Warum reden alle Blogger so viel?“ – Großartig!!! Mein Ältester ist nun fast 11 und ich genieße es auch jedes Mal, wenn wir mal zu Zweit unterwegs sind und richtig quatschen können. Manchmal frage ich mich dann, wo denn bloß die Zeit geblieben ist.
Viele Grüße
Rebecca
Meine Tochter ist fast 12 und ich war mit ihr vor ein paar Wochen 4 Tage in Berlin- nur wie beiden – shoppen, bummeln, Bus und Bahn fahren – es war toll und ich freue mich schon auf unseren nächsten Mutter-Tochter-Trip.
Und ich bin auf die Pubertät gespannt. Das geht gerade los und es wird bestimmt spannend. So wie alles mit Kind.
Liebe Grüße
Bettina
Danke für diesen tollen Blog. Macht weiter so.
Meine Kinder sind 12( fast 13) und 9.
Der große ist relativ ruhig, sehr selbständig und fast jeden Tag mit Freunden unterwegs.
Er ist ca. 1,67 groß, hat mich, seine Mutter schon eingeholt und überholt.
Man merkt, das er erwachsen wird, alleine schon, wenn er beim „zocken“ wie er es nennt,rumschreit und keine kleine Jungenstimme sondern teilweise eine tiefe Stimme aus dem Kinderzimmer ertönt.
Natürlich bin ich immer noch seine Mama, aber man ist diplomatisch, wenn es darum geht, abends ne Stunde länger mit Freunden im Ort rumzuhängen( Mama, xyund z fahren noch Döner essen, darf ich ne Stunde länger?)
Natürlich gibt es dann Momente: Ich fahre einkaufen:
Mama bringst du mir n Block und Patronen für den Füller mit? Du fährst ja eh bei ….vorbei.
Oder : kannst du mich am letzten Schultag abholen, dann muss ich nicht den Bus nehmen.Ach ja, können wir … mit nehmen.
Er ist gerade an einer Schwelle, kein kleines Kind mehr aber noch lange nicht erwachsen.
Meine Tochter braucht mich noch öfter. Sie kuschelt noch gerne, wird aber langsam auch zickig. Dann ist sie teilweise sehr verständnisvoll und wirkt sehr erwachsen für ihr Alter.
Manchmal vermisse ich es, beide im Arm zu halten und Frage mich, wo meine kleinen süßen Kinder geblieben sind.
Natürlich genieße ich es, alleine auf Toilette zu gehen, wieder arbeiten gehen zu können, ohne mir Sorgen zu machen, wenn es länger dauert.
Endlich wieder mit Freunden treffen und zu wissen, das die Kinder notfalls anrufen könnten, wenn Papa auch weg ist.
Man muss bei Ausflügen nicht den halben Hausstand mitnehmen