Leben mit Kindern

Vorlesen: Warum das eine wichtige Aufgabe für Väter ist!

14. September 2024

Vorlesen ist so wichtig, für die geistige und emotionale Entwicklung Ich erinnere mich daran, dass dies noch zu meiner Kindheit eine komplett weibliche Aufgabe war. Was für ein wunderbares Gefühl, wenn meine Mutter mir abends aus „Madita“ oder „Michel aus Lönneberga“ vorlas. Heute erzählt uns Autor und Papa Arne, warum er seinen Kindern so gerne vorliest und er das so wichtig findet, besonders auch in der Beziehung von Vater zu Sohn.

Im Großen und Ganzen ist es leider so: Väter finden es wichtig, dass ihren Kindern vorgelesen wird, aber sie überlassen das Vorlesen oft den Müttern. Bei uns war das anders. Zwischen 2006 (mein Sohn war drei) und 2018 (meine Tochter wollte mit elf nicht mehr) war das abendliche Vorlesen mein alleiniger Zuständigkeitsbereich.
Dabei war es nicht so, dass meine Frau nicht auch vorlesen wollte. Sie war sogar schuld daran, dass es bei uns eine so einseitige Angelegenheit wurde. Mein Sohn war drei, als sie mit ihm auf dem Bett lag und ihm „Wir Kinder aus Bullerbü“ vorlas und sagte:
„Er will die ganze Zeit, dass ich weiterlese.“

Bindung und Beziehung pflegen mit Vorlesen

Ich war fasziniert, las am folgenden Abend und hörte anschließend nicht mehr auf. Abend für Abend las ich ihm und dann auch meiner Tochter vor, und meine Frau akzeptierte es zuerst murrend, dann wurde dieses „Papa liest jetzt vor!“ zu unserem Alltag und damit fester Bestandteil des Tagesablaufs, und niemand hinterfragte es.

War ich wegen der Vorleserei die Supernanny unter allen Vätern? Oder gar der Vorzeige-Papa der Nation? Blödsinn. Manchmal schämte ich mich sogar, weil ich grässlich war, wenn eines der Kinder ins Arbeitszimmer kam und nur etwas fragen wollte. (Ich habe mich gebessert, aber nur ein bisschen.) Und gibt es jemanden, der bei den Hausaufgaben ein so ungeduldiger Helfer war und ist wie ich?

Aber all die Alltagszankerei war zwölf Jahre lang abends vergessen! Es war so, als hätten wir den Stress und Ärger, den das Familienleben nun mal mit sich bringt und der sich an den lächerlichsten Banalitäten (ich habe die falsche Wurst gekauft usw.) entzünden kann, einfach wie das Licht ausgeschaltet. Das Vorlesen war unsere tägliche Auszeit.

Väter, lest Euren Söhnen vor!

Eine solche Auszeit hätte meine Frau wahrscheinlich auch manchmal gebraucht. Aber ich ließ sie nicht mehr vorlesen, und ich bin davon überzeugt, dass es heutzutage wichtiger ist denn je, dass VÄTER vor allem ihren Söhnen nicht nur vorlesen sollten, sondern per Gesetz (oder eben von ihren Frauen) dazu verpflichtet werden müssten. Lesen macht die Menschen, auch die ganz Kleinen – niemand wird es leugnen – klüger.

Zu den großen Vorbildern der Jungs gehören aber nicht mehr Karl May und Jules Verne beziehungsweise die von ihnen geschaffenen Helden, sondern meistens tätowierte Fußballspieler mit albernen Frisuren, die Millionen verdienen und dicke Autos fahren. Lesen… das ist vor allem in den Augen vieler Jungs uncool.

Deshalb ist es sooooooooooo wichtig, dass Väter (oft) vorlesen. Denn die eigenen Väter finden die Söhne selbst dann cool, wenn sie nicht tätowiert sind. Und wenn der coole Vater vorliest, dann wird der Sohn Lesen nie uncool finden! Aber mit so einem öden Argument bringt man die Väter natürlich nicht dazu.
Man könnte den Männern aber einfach ein Buch in die Hand drücken und sagen:
„Lies vor, ich habe keine Zeit, und gib dir gefälligst Mühe, wenn du den Hotzenplotz liest!“
(Oder sich mit den Kindern konspirativ verbünden: „Fragt Papa mal ganz ganz lieb, ob er euch nicht vorlesen mag!“)
Vielleicht reicht das schon.

Bei uns wird Vorlesen zur Party!

Denn die Väter werden schon beim ersten Mal merken, dass Vorlesen Spaß bringt. Richtig Spaß! Es gibt Bücher, die lassen sich wie in einem Rausch vorlesen. Den ganz Kleinen kann man Wer hat mir auf den Kopf gemacht – in dem Buch geht es von der ersten Seite an um Scheiße! – vorlesen, das ist einfach herrlich und wird auch nach dem fünfzigsten Mal nicht langweilig. Und später ist es durchaus eine Herausforderung, sowohl dem Räuber Hotzenplotz als auch Voldemort oder den Brüdern Löwenherz eigene Stimmen zu geben. Und wenn jemand im Buch schreit, darf man auch ein wenig schreien.

Wenn jemand kreischt, kreischt man. Wenn jemand schnaubt, schnaubt man. Sobald man vorliest, hat man die einzigartige Chance, all das ungestraft und mit bestem Gewissen zu tun. Je mehr man schnaubt, schreit, seufzt, brüllt, flucht, flüstert… desto begeisterter ist das Kind. Und schon ist aus der Vorleseeinheit eine Party geworden. Eine Vorleseparty. Für beide.

Warum ist Vorlesen so weiblich geprägt?

Und last but not least: Väter sollten mehr zu Hause vorlesen, weil schon in der Kita in 90% aller Fälle Erzieherinnen vorlesen. Und wer liest ihnen in der Grundschule vor? Richtig, ihre Lehrerinnen. (Danke übrigens an alle diese engagierten Frauen – einigen Kindern würde sonst gar nicht vorgelesen werden.) Und dann zu Hause die Mütter? Nee! In den Familien muss das Vorlesen auch ein Vaterding sein!

Sobald die Väter das Vorlesen nicht als Mutterding abstempeln, dann werden auch die Jungs im Lesen irgendwann kein Mädchending sehen (und den Töchtern schadet es natürlich auch nicht).

Also, liebe Mütter, auf auf! Fordert eure Männer auf, euren Kindern abends vorzulesen!

Mehr über den Autor Arne Ulbricht

In “Mama ist auf Dienstreise” erzählt Arne Ulbricht nicht nur von PEKIP-Kursen, sondern auch davon, wie seine Frau am Flughafen der Security auf Englisch erklären musste, wofür man eine Abpumpmaschine braucht.

In seinem Erzählband Vatertag! geht es um ganz unterschiedliche Väter. Auf Lesungen liest er mit seinem Sohn die Geschichte LoL, in der ein Vater versucht ein Computerspiel zu verstehen (und süchtig danach wird), und mit seiner Tochter die Geschichte In der Boulderhalle, in der ein Vater für seine Tochter Wände hochklettert (und stürzt).

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