Leben mit Kindern

Meine Patchworkfamilie: Die Probleme und wie ich Lösungen dazu fand

19. September 2019

Eine Patchworkfamilie und Probleme? Seitdem wir nicht mehr das Wort „Stieffamilie“ oder gar „Stiefmutter“ benutzen, ist doch alles supi. So scheint es jedenfalls auf Instagram und Blogs. Ich habe mich gefreut, dass Yvonne von Patchworkmama einen sehr ehrlichen Beitrag über die Konflikte und Probleme einer Patchworkfamilie für uns hier geschrieben hat. Sie hat tatsächlich die Lösungen in sich gefunden und mit ihrem Patchworkfamilienkongress eine großartige Hilfe für andere Eltern in dieser Situation ins Leben gerufen.

Als ich vor der Gründung meiner eigenen Patchworkfamilie stand, glaubte ich zu wissen, worauf es wirklich ankommt. Und klar, die Fehler meiner Kindheit passierten mir mit meinen eigenen Kindern nach meiner Trennung von meinem Mann nicht. Schließlich wusste ich, wie sich ein Kind fühlt, dass den Papa ab sofort nur noch hassen durfte, zumindest im Beisein der Mutter. Doch ich hatte keine Ahnung von dem Einfluss des Umfeldes und davon, wie es sich anfühlt, wenn der eigene Partner von seinen Kindern entfremdet wird.

Wenn Lügen, Manipulation und Instrumentalisierung zur Geheimwaffe des einst geliebten Menschen geworden sind. Aus der Perspektive der erwachsenen Frau in diesem System durfte ich erneut die Ohnmacht spüren, das Gefühl der Machtlosigkeit, des Fremdbestimmtwerdens und der Sinnlosigkeit.

Patchworkfamilie: Probleme und Konflikte

In Patchworkfamilien kommt viel zusammen, worüber sich streiten, diskutieren und verhandeln lässt, oft an mehreren Brennpunkten gleichzeitig. Ich startete mit den besten Vorsätzen und voller Enthusiasmus in unser Patchworkfamilienleben. Die Kinder waren weit weniger enthusiastisch. Sie vermissten entweder die Mutter oder den Vater. Sie vermissten ihre alte Wohnsituation, ihr altes Leben und ihre Rituale. Doch welche sollen wir jetzt etablieren? Die der einen oder die der anderen Familie? Bei der einen Familie gab es nur samstags Nutella, bei der anderen stand Schokocreme jeden Morgen auf dem Frühstückstisch.

Fragen aus dem Patchwork-Alltag

In meiner Rolle als Patchworkmutter ploppten im Alltag plötzlich unzählige Fragen auf, die ich vorher nicht auf dem Schirm hatte.

  • Bin ich Stiefmutter, wenn die leibliche Mutter noch lebt?
  • Wie viel Verantwortung übernehme ich für meine Bonuskinder?
  • Mische ich mich in den Geschwister-Zoff ein oder sollen die das unter sich klären? 
  • Wie sollen Eltern an einem Strang ziehen, wenn ein Elternteil den Kontakt abbricht und sich im Alltag aus der Verantwortung stiehlt?
  • Wie schützen wir uns vor übler Nachrede und Schuldzuweisungen?
  • Wie geht man mit Kindern um, die aus den Ferien mit einer Kopfwäsche zurückkommen und Fragen stellen wie: „Papa, warum muss Mama Unterhalt zahlen, du hast doch so viel Geld?“
  • Wie allen Kindern Aufmerksamkeit schenken, wenn man selbst am Limit läuft?
  • Muss ich mir alles von meinen Bonuskindern gefallen lassen?
  • Bin ich egoistisch, wenn ich mich zuerst um meine eigenen Bedürfnisse kümmere und danach um die der Kinder?
  • Und was ist mit uns als Paar? Bleibt uns genug Zeit für unser Liebesleben im Alltag und wie lässt sich das organisieren?
  • Wie feiern wir Weihnachten? Wie planen wir Urlaub, wenn ein Expartner unberechenbar ist und nicht klar ist, wer alles mitkommt?

Patchwork oder: zwei Familienkulturen prallen aufeinander

Selbst wenn wir Patchworker die gleiche Sprache sprechen und im selben Kulturkreis sozialisiert wurden, so ist die Verbindung zweier Familien ein nicht zu unterschätzendes Integrationsprojekt. Jede Familie hat ihre eigenen Routinen und Marotten entwickelt.

Die eine Familie ordnete die Schuhe in Reih und Glied im Schuhregal an, bei der anderen standen sie kreuz und quer in der Veranda herum. Den Satz: „Aber das haben wir schon immer so gemacht.“ hörte ich fast täglich. Irgendwann begriff ich: Jeder wollte das etablieren, was er kannte – um sich sicher und geborgen zu fühlen. Gewohnheiten stehen sich in der neuen Patchworkfamilien nicht selten konträr gegenüber. Wie geht man damit um?

Family-Meeting: Wenn eine Familie tagt

Was hilft und half uns in dieser neuen Familienkonstellation? Die Familienkonferenz! Um solche Themen zu besprechen und Kompromisse zu finden, wurde bei uns das Family-Meeting ins Leben gerufen. Immer wenn es etwas Wichtiges zu besprechen gibt, sitzen wir alle um unseren großen Küchentisch herum und diskutieren.

Auch dafür gibt es Regeln. Jeder darf ausreden, niemand wird angegriffen oder beleidigt. Wir hören zu und ziehen das Gesagte nicht ins Lächerliche. Wir versuchen außerdem in der Ich-Form zu sprechen. Statt zu sagen: „Du bringst nie den Müll raus“, lieber: „Ich habe jetzt schon dreimal hintereinander den Müll rausgebracht. Ich fühle mich mit der Hausarbeit alleingelassen, dabei ist es unser gemeinsamer Müll und ich fände es fair, wenn jeder mithilft. Wie denkt ihr darüber?“ Das ist eine Form der gewaltfreien Kommunikation, die nicht darauf abzielt, andere fertigzumachen oder anzugreifen. Jeder Angriff erzeugt Widerstand und blockiert den Weg zu einer gemeinsamen Lösung. Eine offen gestellte Frage am Ende signalisiert meinem Gegenüber eine wertschätzende Haltung und gibt ihm die Möglichkeit, seine eigene Meinung zu äußern.

Warum gute Kommunikation der Schlüssel zur Lösung ist

Natürlich ist es nicht leicht, so zu kommunizieren. Das haben wir nie gelernt. Es erfordert viel Selbstdisziplin, aber es wird leichter, je öfter man es praktiziert. Das Schöne dabei ist, dass jeder in der Runde sein Gesicht wahrt, und jeder hat das Gefühl, ernst genommen zu werden. Durch die Rede in Ich-Form schenken wir unserem Gegenüber einen Einblick in unsere Gefühlslage. Nur so ist es möglich, Mitgefühl und Verständnis für den anderen zu entwickeln. Gleichzeitig sind wir aufgefordert, in uns hinein zu spüren und unsere Gefühle und Bedürfnisse, die aus den Konfliktsituationen heraus entstehen, zu erkennen.

So bekommen wir auch für unsere eigene Situation ein klares Bild. Jedes Gefühl ist erlaubt und darf auch benannt werden. Das ist mir besonders wichtig. Unterdrückte Gefühle bahnen sich immer ihren Weg, schlimmstenfalls in einer ungünstigen zukünftigen Situation und in einem Umfeld, das damit nicht umgehen kann.

Es ist wichtig, dass jeder das Gefühl hat, gesehen, gehört und ernst genommen zu werden. Jeder darf einen Beitrag zur Lösung des Konflikts beitragen. Wenn am Ende des Meetings alle mit dem Kompromiss oder der Lösung einverstanden sind, ist die Umsetzung oft ein Kinderspiel. So ein Meeting schweißt die Familie oft noch enger zusammen. Ein Gemeinschaftsgefühl entsteht, weil alle gemeinsam etwas Neues erschaffen haben. Aus unseren Meetings sind wir immer gestärkt und mit einem guten Gefühl herausgegangen. Wunderbare Momente und klärende Erkenntnisse sind daraus entsprungen, die entscheidend waren für unseren zukünftigen gemeinsamen Weg.

Mein Patchworkfamilien-Kongress:  Antworten auf Probleme

Ich hatte 1000 Fragezeichen in meinem Kopf, doch weder im Netz, noch in Büchern fand ich Antworten, die mich wirklich zufriedenstellten. Also machte ich mich selbst auf den Weg, um Antworten zu finden. Ich bin kreuz und quer durch das ganze Land gefahren, von Ost nach West, von Nord nach Süd, bis in die Schweiz hinein. Ich habe mit Familientherapeuten, Psychologen, Anwälten, Autoren, Wissenschaftlern und Schauspielern gesprochen – und daraus entstand der Patchworkfamilien-Kongress. Er findet in diesem Jahr schon zum 2. Mal statt und läuft vom 14. bis 21. September 2019. Der Kongress ist kostenfrei, online und für jeden, der nach Antworten und Hilfe sucht. Du brauchst dich dafür einfach nur mit deiner E-Mailadresse unter www.patchworkfamilien-kongress.de anmelden.

Und hier noch ein paar Sätze zu mir:

Yvonne Woloschyn, Initiatorin des ersten Patchworkfamilien-Kongresses, lebt seit Jahren in einer Patchworkfamilie mit fünf Kindern unter einem Dach. Und da das Leben innerhalb einer Patchwork-Familie nicht immer einfach ist und oft Konflikte vorprogrammiert sind, hat sich die Patchworkmama Unterstützung gesucht und auf den Weg zu diversen Experten gemacht, um herauszufinden, wie man das Leben in einer Patchwork-Familie leichter und harmonischer gestalten kann. So ist deutschlandweit der erste Patchworkfamilien-Kongress im Internet entstanden. 

Foto: Tom Schweers und pixabay

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