Leben mit Kindern

„Frauen ab 50 werden unsichtbar und sollen dazu lächeln“: Caroline Rosales über das Älterwerden

16. September 2021

Ich beschäftige mich gerade selbst mit dem Thema Älterwerden- und ich sage bewusst nicht „notgedrungen“ oder „leider“ und lächele dabei entschuldigend. Wer nicht alt werden will, müsste jung sterben. Ist das die bessere Option? Nein! Also warum erfasst uns Frauen in der zweiten Hälfte der 40er trotzdem so oft eine Melancholie  à la „früher war alles besser“ und fast schon Trauer, wenn wir sehen, wie unser Körper nun wirklich älter wird. Was soll dieser vorauseilende Gehorsam, negative Gefühle zu verinnerlichen und das Akzeptieren, dass nun die beste Zeit rum sein soll?

Es ist wirklich gar nicht so einfach, gute Bücher über das weibliche Älterwerden zu finden. Oft sind auch vermeintlich humorvolle Bücher irgendwie daneben, finde ich. 

Die Schriftstellerin und ZEIT-Journalistin Caroline Rosales hat nun ein großartiges Buch zum Thema Älterwerden vorgelegt: „Das Leben keiner Frau“, erschienen bei Ullstein. Es geht darum was passieren kann, wenn man sich als Frau zu sehr auf Außenwirkung fokussiert hat. Ewig jung sein, dünn sein, sexy und ein bisschen verrucht, erfolgreich im Job und ach ja, Mutter und Oma ist man auch noch.  Die verinnerlichten Ansprüche der Gesellschaft, wie eine Frau zu sein hat, fliegen der Protagonistin im Roman gehörig um die Ohren und die ganze Zeit fragt man sich: Könnte mir das auch passieren?

Ich konnte das Buch nicht mehr weglegen und habe es in einem Tag durchgelesen. Es ist wirklich SO gut und ich möchte es auch ans Herz legen. Man kommt einfach so gut ins Nachdenken über die eigene innere Haltung und wie man zusammen mit sich selbst gut Älterwerden will.  Ich habe mit Caroline Rosales über ihr Buch und das Thema Alter gesprochen:

Gute Narrative zum Thema Älterwerden

Du entwirfst in Deinem Roman ein relativ düsteres Bild für das Leben einer Frau ab 50. Der Protagonistin entgleitet das Leben, beruflich wie privat. Warum hast Du Dich für dieses Narrativ entschieden und nicht mit ein wenig Happy End?

Melanie ist eine Frau, die ständig wütend ist, raucht, trinkt, oft als zu laut empfunden wird und viel Hass auf ihre (jüngeren) Mitmenschen verspürt. Aber seien wir gnädig mit ihr. Sie ist gerade 50 Jahre alt geworden. Und sie merkt, dass alle Lifestyle-Tipps zu Frauen in ihrem Alter komplett erlogen sind. Einerseits gut für sie, denn wer lügt sich schon gerne selbst an und lächelt dabei den ganzen Tag. Ich glaube, ich wollte eine Frau, in den Wochen nach ihrem 50. Geburtstag zeigen und der Härte, die gesellschaftlich auf sie einprasselt. Und ich bin mir gar nicht sicher, ob es da kein Happy End gibt.

Es gibt ja auch einige Bücher zu den Wechseljahren, die mit „Humor“ das Altern weg lachen wollen. Warum geht das irgendwann nicht mehr?

Weil es wie gesagt alles fake und verlogen ist. Warum soll ich mich als Frau mit 50 Jahren überhaupt so wohl fühlen? Warum kann ich nicht auch schlecht gelaunt sein und das den ganzen Tag. Im Grunde setzen diese Lifestyle-Bibeln doch wieder ein Ideal vor, wie sich Mütter, Kolleginnen, Partnerinnen in allen Situationen zu verhalten haben. Klar, Frauen sind das gewöhnt, sie bekommen schließlich schon als kleines Mädchen gesagt, wie sie sich zu kleiden oder zu verhalten haben. Aber wann hört das auf? Offenbar gar nicht, wenn wir im Alter dann auch noch unseren Frust darüber, dass wir gesellschaftlich unsichtbar werden, weg lachen sollen.

Du hast die großen Enttäuschungen, Abschiede und auch Sackgassen der 50-jährigen Protagonistin ungeschönt, und doch sehr einfühlsam beschrieben. Ihre Freundin sagt zu ihr an einer Stelle: „Du lässt Dich emotional gehen?“ Für mich ein Schlüsselsatz in Deinem Buch. Warum kann hier tatsächlich der Schlüssel für gutes Altern liegen, vielleicht sogar das so oft angemahnte würdevolle Altern?

Als ich angefangen habe, den Roman zu schreiben, mochte ich Melanie als Figur eigentlich. Auch war ich der Meinung, dass sie selbst gar nicht viel dafür kann, wie die Gesellschaft sie behandelt. Ihr Frauenarzt belehrt sie über die Wechseljahre, ihr Lover lästert über sie, ihr Chef will, dass sie eine Oma-Kolumne schreibt. Aber gegen Ende des Buchs verpasst sie irgendwie den Moment, nicht weiter Teil ihres eignen Abgesangs zu werden. Ich kenne das aber von älteren Menschen. Es ist vermutlich ab einem gewissen Alter schwer, sein Narrativ wieder zu ändern – ob man jetzt sich oder den anderen die Schuld gibt. Mit etwas Abstand zum Roman finde ich, dass Melanie sich wirklich emotional gehen lässt. Sie hat eigentlich ein gutes Leben, ein sehr gutes sogar, sie weigert sich nur, es so zu sehen. Damit folgt sie aber der klassischen Anleitung zum Unglücklichsein. Aber aus eigener Erfahrung weiß ich wiederum auch: Selbstmitleid ist ein sehr angenehme Sache. Ach, es ist sehr ambivalent.

Frauen ab 50: „Das Leben keiner Frau“ von Caroline Rosales

Ich persönlich finde vieles am Älterwerden gut. Man ist unbeeindruckter und nicht mehr so schnell verletzt, man kennt sich besser und man ist im Idealfall auch finanziell besser situiert als in den 20ern. Aber alles dreht sich ums vermeintliche „Unsichtbar werden“ und (immer noch) um den Blick des Mannes. Emanzipiert ist das nicht, oder?

Nein! Es ist das Gegenteil davon. Es gibt aber leider viel zu viele Frauen, die sich ein Leben lang auf ihr Aussehen verlassen und darauf, von Männern als attraktiv empfunden zu werden. Sobald sie als ältere Frauen nicht mehr in das Beute-Schema dieser Männer passen, zerfällt ihre ganze Weltordnung. So geht es Melanie. Sie war mit ihrem Verhalten ihr Leben lang eine Stütze des weißen Mannes und nun des alten weißen Mannes. Sie deckt sein Verhalten widerspruchslos. Dass sie sich damit selbst ins Unglück reitet, erkennt sie viel zu spät. Aber wie gesagt: Ich finde es gibt zum Schluss einige Happy Ends.

Es geht im Buch auch um Altersdiskriminierung. Ein großer Konflikt im Buch ist ja auch die berufliche Konkurrenz zu einer jüngeren Kollegin. Welche Arbeitswelt wünschst Du Dir für Dich als Frau von 50+?

Umgekehrt! Welche Arbeitswelt wünsche ich mir für junge Frauen? Auf jeden Fall weniger toxische Umgebung, in der jede eine faire Chance bekommt, keinen sexuellen Belästigungen ausgesetzt ist, nicht gegängelt wird und in Ruhe arbeiten darf. Ich fühle da sehr mit Eilika mit. Ich hätte als junge Frau nicht die geringsten Aufstiegschancen gehabt, für meine Chefs war ich maximal das nette Mädchen mit Talent. Meine gleichaltrigen männlichen Kollegen durften dagegen mit den Chefs Biertrinken gehen und galten als große Aufsteiger in spe. Ich finde, dass die Generation der Melanies sich viel mehr die junge Generation einsetzen sollte. Und den Werners und Helmuts dieser Welt die Meinung sagen sollte. Dann würden sie ganz automatisch auch für sich selbst, ein besseres Arbeitsklima schaffen.

Melanie, die Hauptfigur des Romans, hadert mit den „Angeboten“, wie sie als ältere Frau sein kann. Durchgeknallte Esoterik-Tante, rundliche, aber reiche Ehefrau in der Vorstadt, dürre Fitness-Queen…Du bist halbe Französin. Schaffen das die Frauen in Frankreich irgendwie besser?

Nee! Die sind noch angestrengter und trotz Vollzeitberuf, damit beschäftigt, für ihren Mann schön zu bleiben. In Frankreich gilt ja sogar noch die alte Prämisse: Drei Monate nach der Geburt muss der Körper der Frau wieder derselbe wie vorher sein – schrecklich. Frauen sind, glaube ich, rund um den Globus oft Gefangene ihrer eigenen Ansprüche.

Es gibt gerade einen Trend zu mehr Natur. Frauen, die sich selbstbewusst und mutig zu ihren grauen Haaren bekennen. Glaubst, Du das dies eine Trendwende sein könnte, also wie wir das Alter sehen?

Ja, im Ansatz (im wahrsten Sinne des Wortes!) ist das wirklich nicht schlecht. Weil es ein Statement ist, dass zeigt, das es um die eigenen Schönheitsideale geht und nicht darum, krampfhaft zehn Jahre jünger auszusehen. Aber da muss noch viel passieren. Ich bin so erzogen, dass graue Haare um jeden Preis abgedeckt gehören. Ob ich diese Konditionierung je aus meinem Kopf bekomme – da bin ich mir gar nicht mal sicher.

Liebe Caro, ich danke Dir für das Gespräch und wünsche Dir viel Erfolg für Dein großartiges Buch!

Foto: Anette Hauschild/Ostkreuz

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1 Kommentar

  • Reply Werden Frauen ab Mitte 40 unsichtbar? - ohneregel 2. September 2024 at 9:44 am

    […] Nächstes zeigte die Suche einen Blogartikel von FrauMutter.com mit Interview und Buchtipp:  https://frau-mutter.com/leben-mit-kindern/frauen-ab-50-werden-unsichtbar-und-sollen-dazu-laecheln-ca…und das Buch von Caroline Rosales „Das Leben einer Frau“ habe ich mir auch gleich dazu […]

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