Erfahrungen

Ich höre meine Mutter reden

27. Januar 2012
Birgit H/Pixelio.de

© birgitH/Pixelio.de  /Pixelio

Wenn man schwanger ist mit dem ersten Kind, ist man sich sicher: Ich werde eine gaaaaanz tolle Mutter. Ich werde auf mein herzallerliebstes Kind eingehen und es verstehen. Ich werde immer geduldig sein und es sowieso dauernd gaaanz doll lieben. Ich bin zur Mutter geboren, keine Ahnung warum meine eigene Mutter so oft die Fassung verloren hat. Ich werde IMMER die richtigen Worte finden. Mein Kind wird mir zuhören. Ich werde es vieeeeel besser machen. Träum weiter, Schwester!

Nach der Lektüre von ca. 55 Erziehungsratgebern und Magazinen rede ich trotzdem so wie meine Mutter damals mit mir. Die wahrscheinlich wie meine Oma geredet hat und meine Oma wie ihre Mutter. Es ist wahrscheinlich, dass ich die Phrasen meiner Ur-Ur-Oma von anno 1898 weiter dresche. Man muss sich einfach Verweise auf den Kaiser sowie die Kolonien wegdenken. Und “Wenn das der Führer wüsste” kommt heutzutage natürlich auch nicht mehr so gut.

Und hier ein Auszug aus unserer gesprungenen Erziehungs-Langspielplatte:

“Kannst Du mir nicht ENDLICH mal zuhören?”
“ Gleich hört der Spass aber auf”
“Ich WARNE Dich!”
“Mir reisst gleich der Geduldsfaden!”
“Weisst Du eigentlich, wie gut es Dir geht?”
“Du kommst jetzt und zwar ein bisschen dalli-dalli”!
“Kannst Du nicht mal STILL SITZEN?”
“Iss auf, die armen Kinder in Deutsch-Südwestafrika/Sudetenland/Indien haben gar nichts zu essen”
“Stopf nicht so in Dich rein”
“Ich werde Dir keine Spielzeuge mehr schenken, wenn Du nie damit spielst”
“Nein, Zinnsoldaten/ Wüstenfuchs Rommel in Mini-Format/ ein Laserschwert kommen mir nicht ins Haus”
“Warum kannst Du Dich eigentlich NIE alleine beschäftigen?”
“Warum musst Du immer alles AUCH haben? Wenn der Adolf/Dieter/Paul-Leon in den Rhein springt, springst Du auch herein?”

Es scheint als ob unsere Eltern weiterhin in unseren Körpern wohnen und nach mehr als dreissig Jahres zeigen die Ermahnungen endlich Wirkung, in Form zwanghafter Wiederholungen.

Welche Erziehungs-Langspielplatte habt Ihr von Euren Eltern „geerbt“? Und zeigt sie auch Wirkung? Dann hätte ich gern ein paar Geheimtipps von Euch….

Foto: © birgitH/PIXELIO

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10 Kommentare

  • Reply Mamagie 27. Januar 2012 at 6:39 am

    Hihi, wie recht du hast! Und nicht zu vergessen: „Mann, bist du groß geworden!“ Wenn man ein anderes Kind nach ein paar Monaten wieder sieht. Und dabei hatte ich mir geschworen, diese Worte niiiiieeee zu benutzen… Liebe Grüße Karin

  • Reply Kaddi 27. Januar 2012 at 7:36 am

    Guten Morgen, ich mag ja Phrasen kein Stück und mir wird sofort schwindlig, wenn ich eine höre. Aber ja, na klar redet man genau wie die eigenen Eltern (vornehmlich wie die eigene Mutter). Selbe Stimmlage, selber Nölrhythmus. Aber das kann man lernen, es abzustellen. Ich bleibe schon mal ganz gern mitten im Satz stecken. Es wird dann mit der Zeit einfacher. Meine Mutti sagt oft, dass wir (also ihre Kinder) ganz anders erziehen. Na dann… PS: Was ich auch ganz gruselig finde, wenn meine Kids im Spiel mich nachäffen. Sie reden dann wie ich… Börks… also die Vererbung hat da schon früh angefangen.
    Ansonsten leider leider keine Geheimtipps-ich glaube, ein großer Schritt ist es bereits, wenn man selbst erkennt, wie man redet. Liebe Grüße Kaddi

  • Reply fraumutter 27. Januar 2012 at 7:50 am

    Wow das muss ja scary sein, wenn Deine Kinder beim Spielen wir Du reden, Ich glaube, spätestens dann hat mein seinen Mama-Aha-Moment

    • Reply Kaddi 27. Januar 2012 at 8:37 am

      Oh ja, das ist der sprichwörtliche Spiegel, den sie einem vorhalten. Vielleicht sollte man das gleich notieren: Ich sage nicht mehr Satz x, y…
      Probehalber einfach mal nach netteren Sätzen suchen und laut vor sich her sprechen. Beginnen kann man auch mit verschiedenen Wörtern, vielleicht auch ein Ansatz zur Rettung der guten deutschen Sprache? Ich muss nämlich feststellen, dass ich auch zunehmend in den Jargon meiner Tochter falle: Hab ich gefeiert. Altah….
      Aber meine Mittelste redet gern so: Das Brötchen möchte ich noch verspeisen.
      Also woher sie das wieder hat, ist so mehr vornehm und sie meint es durchaus ernst. Phrasige Grüße von Kaddi

  • Reply Mette 27. Januar 2012 at 8:12 pm

    „Ich höre meine Mutter reden“?

    Bei mir ist es anders.

    Meine Mutter redete.

    Ich schreie hysterisch oder brülle im Kasernenhofstil, so dass die Wände zittern, die Fenster springen und das Kind erst mal umfällt.

    Oder säusele wie eine Verliebte.

    Wahrscheinlich liegt es daran, dass wir damals Schwestern waren und lieb. Und meine Mutter war zu Hause und fand das Leben gut.

    Ich habe Söhne. Die Söhne sind aktiv. Ich bin ungefähr in mehr als Vollzeit tätig. Ich finde das Leben extrem supergut!

    Das schein tatsächlich der Unterschied zu sein. Ich lebe ein viel extremeres Leben. Auch extrem schöne und lustige Momente sind dabei.

    Bei meinen Eltern war und ist alles eher gleichförmig. Verläßlich, kalkulierbar, ein anderes Leben.

    Daher unterscheiden sich die Sprüche und die Art der Darbringung.

    Mette

  • Reply Nicole 28. Januar 2012 at 11:32 am

    Du hast noch einen sehr beliebten Spruch vergessen, der kommt aber sehr wahrscheinlich erst in der Pubertaet zum tragen: „Solange Du Deine Fuesse unter unseren Tisch stellst….“ Ich hoffe ich werde ihn nie verwenden, denn ich weiss nicht, wie oft ich ihn gehoert habe. Und dass man wie die Mutter redet, weiss man spaetestens in dem Moment, in dem man am Telefon staendig verwechselt wird, schon lange bevor man ueberhaupt Kinder hat….

  • Reply fraumutter 28. Januar 2012 at 6:09 pm

    Ja, das stimmt. und ich werde ungefähr seit meinem 13. Lebensjahr mit meiner Mutter am Telefon verwechselt. Ich hoffe übrigens auch, dass ich mir den „Tisch-Spruch“ sparen werde…..

  • Reply mama007 30. Januar 2012 at 9:26 am

    Argh, liebe Frau Mutter! Warum passieren Ihnen immer die DInge die mir auch passieren?! Ich frage mich regelmäßig ob ich diese Sprüche noch 5 Jahre lang wiederholen werde oder 15. Oder ob sie irgendwann Wirkung zeigen. Und ob ich sie mir eigentlich auch sparen könnte, aber wenn der Kleine Mann mal wieder fast seitwärts vom Stuhl rutscht UND kaut UND gleichzeitig mit den Füßen an meine Beine bollert, dann isser einfach fällig der: „KANNST DU NICHT ENDLICH STILLSITZEN??????“.
    Aber SCHÖN finde ichs trotzdem nicht. Fühle mich eigentlich regelmäßiog selbst besiegt dadurch. Mist.
    Grüße: Ihre Mama007

  • Reply fraumutter 30. Januar 2012 at 11:26 am

    Ja, man kann irgendwie nicht raus aus diesem Phrasen-Trott. Aber wenn man sich das bewusst macht und mal bei sich selber zuhört (was wir supertollen, reflektierenden Mütter ja tun) wird es glaube ich besser.

  • Reply Liselotte 1. Februar 2012 at 9:04 am

    Ja, ist denn das so schlimm, wenn man mich am Telefon mit Mami verwechselt (vorausgesetzt natürlich, diese Dame verfügt über eine wohltemperierte Stimme). Wohlgemerkt: Ich denke dabei nicht an die schrille, keifende Tonlage, die dann auch den Inhalt der SPRÜCHE, weitergibt, die wir so lieben. Wenn man das alles noch bemerkt, gibt es noch Hoffnung.

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