Ich bin eine Helikopter-Mama. So, jetzt isses raus. Ich habe Angst um meine Kinder, wittere überall Gefahren und sage tausend Mal am Tag „Achtung“. Ich kreise 24/7 um meine Kinder, allzeit bereit einzugreifen. Jeder ADAC-Hubschrauber läuft vor Neid gelb an bei mir. Bis vor unserem Umzug in unser Haus habe ich Sebastian (5) auch noch nicht wirklich alleine draussen spielen lassen. Obwohl wir am Ende einer Sackgasse lebten. Und ich jederzeit vollen Einblick auf die Strasse hatte. Nun sind wir aber nach Büllerbü gezogen.
Eine wunderschöne, ruhige, denkmalgeschützte Siedlung mit eigenem Waldstück, verkehrsberuhigten Einbahnstraßen und Spielplätzen. Jeden Tag kommen Horden von Lasses, Bosses und Lenas vorbei, um Sebastian zum Spielen abzuholen. Er ist selig, so viele neue und ältere (!) Freunde. Die Überregulierung ist vorbei, eine freie Kindheit im Grünen hat begonnen. Jeder Erziehungsratgeber sagt mir, dass Stadtkinder kaum noch wissen, wie eine Kuh aussieht und zuviel vor TV und Computer herumdaddeln. Ok, also Zügel lockern, habe ich gedacht. Ich stelle mir einfach vor, ich lebe in einer heilen Welt in Südschweden, die Kinder wachsen draussen auf und erziehen sich selbst, während ich Flickenteppiche knüpfe und Preiselbeeren einmache.
Am dritten Tag meines Büllerbü-Experimentes war dann aber meine pseudo-schwedische Gelassenheit vorbei. Nach einer Stunde Suchen fand ich meinen Sohn kichernd in einem fremden Garten wieder.
„Sebastian! Wo warst DU? Ichhabemirsolchesorgengemachtdasnächstemalrufichdiepolizei….!
„Ooch, Mama, erst waren wir bei dem alten Mann, der hat uns Nüsse gegeben und dann haben wir einen Flohmarkt veranstaltet und dann hat der Leon ins Waldstück gekackt!“
„Waaaas?!“
„Reg, Dich nicht auf, ich hab nur gepullert und wir haben es danach vergraben.“
„MOMENT: Welcher alte Mann?! Was waren das für Nüsse?! Etwa mit K.O-Tropfen? Und Kacken? WIR SAGEN NICHT KACKEN UND WIR ENTLEEREN UNS NICHT IM WALDSTÜCK!!!!“
„Der Mann hatte halt so Nüsse und ich mußte wirklich ganz dringend!“
Ich war mir unsicher, ob ich nun zunächst auf die Suche nach dem mysteriösen Gastgeber mit den Nüssen gehen sollte oder die Grünanlage nach Exkrementen absuchen. Ich entschied mich für eine ausführliche Erklärungs-Einheit mit meinem Sohn und beherberge seitdem immer sämtliche Kinder aus Büllerbü in unserem Haus. Wir haben schliesslich auch genug WCs.
Kürzlich war eine ältere Frau bei Clemens zu Gast. Plötzlich war es so verdächtig ruhig im Kinderzimmer und die Türe war auch zu. „Hilfe, das Mädchen ist bestimmt frühreif und verdirbt meinen kleinen Engel“, dachte ich. Misstrauisch geworden klopfte ich einmal kurz alibimässig an, um dann sofort ins Zimmer zu stürzen.
UND…?
Die siebenjährigen Lara sass mit meinem Sohn auf dem Bett und las ihm „Die Häschenschule“ vor. In dem Buch geht es bekanntlich um kleine Häschen, die lernen, Gefahren zu erkennen und sich vor dem bösen Fuchs zu hüten.
Die Helikopter-Mama konnte aufatmen….
Foto: © auto-im-vergleich.de/Pixelio.de
6 Kommentare
Helikopter-Mama ein tolles Wort, viel schmeichelhafter als Glucke oder Obermutti wie mein Mann es gerne schimpft =)
Ich kann es dir nachfühlen =)
Ein Helikopter hat alles mit gesunden Abstand im Blick und landet nur im Notfall …. eine Elternaufgabe, die sich ständig verändert und doch lange, lange da ist. Schön, dass es Helikopter gibt <3
Meine Vorstellung bei diesem Wortspiel: Eine Glucke macht alles für! ihr Kind und läßt ihm keine Möglichkeit, sich auszuprobieren —> eine Helikopter-Mama macht vieles mit! ihrem Kind, hat Werte, die sie selber vermitteln möchte, gibt Orientierung –> da gibt es dann aber auch noch die Eltern, die sich ihre eigene Selbstständigkeit schon von frühstem Babyalter erhalten wollen, und gewähren diese auch ihrem Kind, dann kommt die Orientierung schon von klein auf an von außen ….
Die Leiden einer Mutter – loslassen lernen .. ich darf gar nicht dran denken ..
Bei der Überschrift dachte ich zuerst, dass es um Karlsson bzw. Karla vom Dach geht, oder so…
Danke für diesen Artikel, habe mich sehr amüsiert un dauch was gelernt! Ich wusste nämlich nicht, dass es für solche Mütter wie uns …äh… die, eine spezielle Bezeichnung gibt.
PS: wurde der Nüssemann schon identifiziert?
(Als wir damals ins „Russenviertel“ zogen, musste ich mich erst daran gewöhnen, dass die älteren Menschen hier immer Süßigkeiten (OHNE ko-Tropfen natürlich) parat haben, um des Weges kommenden, spielenden Kindern was zu spendieren. Die wollen nur nett sein.)
Schade, dass man als Mutter heutzutage so misstrauisch sein muss…
Liebe Hubschrauberinnen, ich danke für Eure Ein-und Ansichten, Juliane: ich weiss immer noch nicht, wer der Nüssemann ist….