Erfahrungen

Das erste große Loslassen: Den Schulweg alleine meistern

21. November 2014

Schulweg Frau Mutter Blog

Was war der erste Schultag noch schön! Schließlich durfte ich da meinen kleinen ABC-Schützen bis ins Klassenzimmer begleiten. Nach anderthalb Jahren merkte unsere Klassenlehrerin kürzlich auf dem Elternabend an, dass es jetzt mal Zeit wäre, die Kinder das Stück von Schultor bis zum Klassenzimmer alleine gehen zu lassen. Merke: Mein Sohn geht in die dritte Klasse. Hups. Das erste Mal das Kind auf den Schulweg alleine zu schicken ist ein großer Schritt für alle. Vor ein paar Wochen haben wir uns ohne „Netz und doppelten Boden“ in dieses Abenteuer hereingestürzt. Richtig „old-school“, ohne Handy.

Auf den Schulweg ohne Handy?

Mein Sohn hat zwar (noch) kein Handy, aber eine Klassenkameradin, die in der Nachbarschaft wohnt. Beide wollten schon ganz lange den Schulweg alleine meistern! Ich weiß ja theoretisch auch, daß es gut ist, das Loslassen. Warum ist es praktisch so schwer? Von außen kam dann erst der entscheidende Impuls. Die Frau, die meinem Sohn bei Mathe hilft, sagte:“ Wissen Sie, alles ist Mathe. Über die Straße gehen, räumlich denken. Dinge einschätzen…..die Selbständigkeit wird Sebastian helfen!“

„Mama, ich muß selbständig werden, laß‘ mich alleine gehen. Ist gut fürs Rechnen!“ Mein Sohn weiß genau, wie er mich kriegt. Und Recht hat er!

Ich als „gluckende“ Mutter stand vor einer echten Herausforderung: Ich weiß ja, dass ihm etwas Bewegung vor dem Unterricht gut tut und dass er so seine Selbstständigkeit trainieren und sein Selbstbewusstsein steigern kann. Auch ist mir durchaus bewusst, dass Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto bis vor die Schultüre kutschieren, regelmäßig für ein Verkehrschaos sorgen. Trotzdem wird mir bei dem Gedanken, dass mein Kind ganz allein in der Stadt unterwegs ist, etwas mulmig. Die Angst ist einfach immer da. Was kann alles passieren, wenn ich nicht dabei bin?

Also hieß es: Tief durchatmen! Irgendwann muss ich ja sowieso loslassen – warum nicht jetzt? Statt ihn mit meinen Ängsten zu belasten, versuchte ich ihm ein Gefühl von Sicherheit zu geben: „Ich weiß, Du schaffst das, aber…“

Vorbereitung hilft Eltern und Kind

Bevor wir Sebastian auf den Schulweg alleine schickten, trafen wir einige Vorbereitungen:

Natürlich haben wir intensiv mit ihm darüber gesprochen, was er tun soll, wenn Erwachsene ihn ansprechen. Die gesamte Schulklasse hat übrigens auch ein Training zur Gewaltprävention und (mentalen) Selbstverteidigung für Kinder durchlaufen. Schüler, Lehrerin und Eltern fanden das großartig, deswegen teile ich gerne den Link hier.

Wir haben den Schulweg gemeinsam mit Sebastian trainiert; sind ihn also abgelaufen, haben ihn auf gefährliche Stellen aufmerksam gemacht und eine (etwas längere) Strecke mit Ampeln herausgesucht. Experten empfehlen übrigens, den Schulweg mit den Kindern bereits zwei bis vier Wochen vor dem ersten Schultag regelmäßig zusammen gehen und sie dabei auf eventuelle Gefahrenstellen hinzuweisen. Wenn ihr schließlich das Gefühl habt, dass euer Kind den Weg wirklich alleine bewältigen kann, begleitet ihr es jeden Tag ein Stückchen kürzer – jedoch nicht, ohne vorher in einem ernsten Gespräch zu klären, dass es keinen anderen Weg und vor allem nicht mit Fremden gehen darf.

Helle Kleidung oder zumindest „Katzenaugen“ an den Jacken ist sicherlich sehr hilfreich. Insbesondere wenn Euer Kind, wie meines, schon gegen die praktischen, aber „uncoolen“ Warnwesten rebelliert.

Diese Vorbereitung hat mir in meiner Angst etwas Sicherheit gegeben. Trotzdem: Wenn man die Kinder loslässt, kann man sie nicht mehr hundertprozentig beschützen. Völlige Sicherheit gibt es nicht. Man muß ihn die Kinder Vertrauen setzen. Die ersten Tage waren echt nicht einfach für mich, gerade jetzt in der dunklen Jahreszeit. Aber mit jeder weiteren Woche mache ich mir weniger Sorgen. Und Sebastian? Er möchte jetzt nur noch alleine überall hingehen und ist stolz wie Bolle nach jedem Heimkommen.

„Mama, denk dran, ich muß selbständig werden und ich KANN das.“

Ich interessiere mich sehr dafür, wie Ihr das bei euch regelt und freue mich wie immer über eure Kommentare!

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8 Kommentare

  • Reply Melanie W. 21. November 2014 at 9:58 am

    Das Thema ist wirklich ganz schön schwierig. Mein Sohn ist jetzt auch in der 3. Klasse und geht seinen Schulweg (ca. 1km) seit er in der 2. Klasse ist, ganz alleine. Über die Straße, die er dazu überqueren muss, begleite ich ihn. Seit er in der 3. Klasse ist, fährt er übrigens lieber mit dem Bus morgens; er läuft die knapp 300 m bis zur Bushaltestelle. Mittags kommt er zufuss nach Hause. Ich muss dazu sagen, dass mein Sohn ADHS und eine Form von Autismus hat und ich auch lange gebraucht habe, ihm den Schulweg zuzutrauen. Er ist sowieso ein Jahr älter als seine Klassenkameraden, da er ein Jahr zurückgestellt wurde; er wäre also eigentlich jetzt in Klasse 4. Ich denke, unsere Kinder werden das alles alleine wuppen. Ich bin leider eine richtige Glucke; meine Kleine ist jetzt knapp 5; die werd ich wahrscheinlich noch schwerer loslassen.

  • Reply rage 21. November 2014 at 10:19 am

    bier in der schweiz gehen schon kindergärtler (kindergarten gehört zur schule und wird ab 4 oder 5 besucht) allein. noch im ersten monat kommt ein polizist, der eine einführung in die gefahren des strassenverkehrs macht. ab herbst sollten die kiz alleine gehen. meine wollten ab tag 2 und gehen seither auch alleine – oder mit freunden. weil die schule am weg zur autobahn liegt, nehmen wir sie morgens ab und zu mit, wenn wir eh unterwegs sind. ab 1. klasse dürfen sie mit dem kickboard, ab 3. klasse, weil sie dann alleine von der schule ins schwimmbad müssen – 1. und 2. klasse geht lehrerin mit – mit dem velo. (und wenn ich das lese, bin ich froh um diese selbständigkeit.)

    allerdings ist es so, dass hier auf dem land nur volksschule in frage kommt, es gibt keine alternativen und wenn, zu weit weg. wobei vor allem diese hier im ort sehr gut ist – und andere kenn ich nicht. sie haben projekte, theater, gehen in den wald, haben einen chor und skiwochen.

  • Reply Frau Mutter 21. November 2014 at 10:39 am

    Hallo Melanie,

    aber bei Eurem Fall kann man die besondere Sorge ja sehr gut nachvollziehen.

    und Rage: Ihr seid mutig, Repsekt davor und schön, wenn das alles so klappt. Grüße über die Alpen…Nina

    • Reply rage 21. November 2014 at 10:42 am

      das ist nicht mutig, sondern standard. :-))

      das geht, echt!! :-))

  • Reply Frau Mutter 21. November 2014 at 11:27 am

    „…und wer hat’s erfunden, den Mut? Die Eidgenossen!“ Sorry, mußte jetzt mal eine Bonbon-Werbung zitieren

  • Reply Sheila 21. November 2014 at 5:10 pm

    Also ich komme aus Thüringen und meine Tochter ist bereits im letzten Kita-Jahr alleine gegangen, war aber nur die Straße runter. Allerdings hat sie in ihrem letzten Jahr auch die Zwergenschule durchlaufen, ohne Begleitung der Eltern! Dafür musste sie ein paar Tage ganz normal mit dem Schulbus fahren, mit dem sie dann vier Jahre lang in die Grundschule ist. Schule und Kita haben darauf bestanden, dass die Kinder das allein machen und im Endeffekt war das vor allem für die Eltern sehr gut. Hat alles problemlos geklappt. Heute geht sie in die 6. Klasse und muss mit dem Bus in die „große“ Stadt fahren (die Grundschule war in einem Nachbardorf etwa 7 km entfernt). Dafür muss ich ihr aber noch mehr vertrauen, denn jetzt stehen mehrere Busse zur Auswahl und sie muss auch manchmal umsteigen. Jeder Schritt davon war für mich schwer, aber ich habe es geschafft loszulassen, auch wenn ich heute manchmal immer noch Kopfkino habe. Inzwischen meistert sie den Weg zum Training, zum Kieferorthopäden, zu ihren Freunden zum Lernen und vieles mehr allein.

  • Reply rage 22. November 2014 at 9:26 am

    :-)))

  • Reply maike 25. November 2014 at 12:22 pm

    Meine Tochter geht seit dem 1. Tag alleine, ich hatte sie zwar hingebracht, aber als ich sie abholen wollte hat sie bitterlich geweint – ich soll sie doch nicht abholen!!!
    naaaaa gut, sie läuft ca 12 min und muss über keine Strasse gehen. Es klappt alles wunderbar. ich bin sehr froh das sie so selbstständig ist, aber ich lasse sie wirklich viel alleine machen. Ich denke das spüren die Kinder auch und wissen den vertrauensvorschuss zu schätzen!

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