Gastbeiträge

Liebespaar bleiben – trotz Alltag

22. Januar 2016

Hoppla, ein Liebespaar! Neulich auf dem 70. Geburtstag meiner Tante stolpere ich in Erwartung der üblichen Kaffeegespräche über Beruf, Kinder, Gesundheit etc. unvorbereitet in ein aufregend informatives Sexgespräch. Meine 50jährige Cousine zweiten Grades schwärmt mir von ihrem zweiten Frühling vor, dass sie zu jeder Tages- und Nachtzeit Sex hat und erklärt altklug, dass ein erfülltes, aktives Sexleben für eine glückliche Beziehung „totaaal wichtig“ ist.

Wie recht sie doch hat! Ich schaue sehnsüchtig zu meinem Gatten, der sich am Ende des Bierzelttisches gerade über die wirtschaftlichen Ungerechtigkeiten in der Welt und die skrupellosen Machenschaften der Banken austauscht.

Auf meine Frage, wie viel Sex sie denn explizit haben, kichern meine Cousine und ihr Mann nur süffisant und ich erahne, dass es sich um eine Frequenz jenseits des einmal täglich handeln muss (wo zur Hölle nehmen die beiden die Zeit her – ich finde ausschließlich nachts ab 1 Uhr ein Zeitfenster für täglichen Sex und da liege ich meist todmüde und entsprechend unlüstern im Bett).

Meine Gesprächspartner versprühen eine sexuelle Energie, dass ich mich wundere, dass sie hier am Tisch noch die Finger voneinander lassen können und sich nicht längst ein stilles Örtchen zum Vollzug des ehelichen Aktes gesucht haben.

Ich tue so, als wäre täglicher Sex für mich ebenso selbstverständlich, doch ehrlich gesagt, ich bin grün vor Neid! Mein letzter Sex ist… ja, wieviel Wochen ist er eigentlich her? Hatte die Kleinste nicht kurz danach Geburtstag? Und der ist – ich rechne – 6 Wochen her. SECHS WOCHEN??? Meine Beziehung bzw. wir als Liebespaar sind in ernsten Schwierigkeiten! Ich sauge die soeben empfangene, sexuelle Schwingung meiner Cousine gierig auf, um sie heute Abend, wenn die Kinder im Bett sind (und schlafen!) an meinem Mann auszuleben.

Da haben wir es: Der Alltag mit Kindern wirkt sich durchaus negativ auf die Libido aus. Denn Butter bei die Fische, es ist schon sehr einschränkend, wenn ich, sobald ich mich der Ekstase auch akustisch hingeben will, ständig Gefahr laufe, minderjährige Mithörer zu haben, die wahlweise in Sorge sind, ob ich Schmerzen habe (die Kleine) oder mir am Morgen danach vorzählen: „Das war das 10. Mal, dass ich Euch gehört habe!“ und mich im nächsten Moment nachahmen (die Große).

Das Liebespaar Mama und Papa: Hoppla, erwischt!

Inflagranti erwischt werden ist heutzutage zwar auch nicht mehr so schlimm wie früher, als die Eltern ins Zimmer kamen und eisig erklärten: „Du weißt nicht, wann wir es machen und wir wollen nicht wissen, wann du es machst!“. Aber eine unwillkommene Unterbrechung ist es dennoch und birgt stimmungstötendes Diskussionspotential, wenn die Sexualpartner auf die kindliche Frage „Was macht ihr denn da?“ nicht einheitlich antworten (Sie: „Wir kuscheln“, Er: „Wir raufen!“, Sie: „Wir raufen?“).

Meine Cousine kann darüber nur müde lächeln, denn ihre Kinder sind längst ausgezogen…

Die zeitliche Einschränkung durch Kinder ist aber nicht der einzige Grund für die mitunter geringe, sexuelle Frequenz. Dazu gesellt sich die Routine, die eine langjährige Beziehung unweigerlich mit sich bringt.

Da schleichen sich mir nichts, dir nichts feste Abläufe in Haus und Bett ein und eh man sich´s versieht, hat man Sex, als würde man kochen. Jeder Handgriff sitzt:  Die Knöpfe zum Anheizen werden routiniert bedient wie die Drehregler des Herds. Die Hitze wird effizient und sparsam genutzt, um das schnellste Kochergebnis zu erzielen und offene Feuerentwicklung zu verhindern. Spaß und Leidenschaft werden lauwarm serviert und gegessen.

Zugegeben: es hat schon Vorteile, mit einem Mann zu schlafen, der dank langjähriger Erfahrung weiß, wie er mich in Stimmung bringt, er hat immer die Geheimzahl parat.

Ist der Ablauf aber immer der Gleiche, ist es zwar effizient, aber wie bei einem ergebnisorientiertem Fußballspiel nicht schön und schon gar nicht spannend, was zu wahren Dürrezeiten im Bett führen kann.

Mit Kindern müssen wir uns wohl oder übel mit geplanten Sexzeiten arrangieren. Was im ersten Moment wie ein Libidokiller klingt, kann die ultimative Überlebensstrategie sein, um auch mit Kindern und im Alltag ein Liebespaar zu bleiben und nicht irgendwann aufzuwachen und nur noch Eltern zu sein.

Und immer wieder neue Inspirationen suchen, die den Reiz im Bett erhalten, wie das unverhoffte Gespräch mit meiner Cousine…

Sandra S Kolumne Foto

Sandra S., 40, lebt mit Mann und Töchtern in Kiel. Sie dreht “ehe-technisch” bereits die zweite Runde, wirkt oft bei Poetryslams mit und schreibt außerdem Kurzgeschichten. Wenn sie nicht gerade textet, das Meer oder ihre Familie genießt, singt sie mit Leidenschaft und Inbrunst. Bei Frau Mutter ist sie die Expertin für die körperliche Liebe oder was das ist, “wenn Mama und Papa sich ganz doll lieb haben.”

Frau Mutter folgen

Das könnte auch interessant sein…

Keine Kommentare

Kommentieren

Schreibe einen Gastbeitrag!
Dir gefällt mein Blog und Du möchtest auch schreiben?

Veröffentliche Deinen Text auf meiner Seite!

Gastbeiträge:
  • - sind mindestens 600 Wörter lang mit Überschriften und Foto (lizenzfrei)
  • - "AutorInnenkasten" am Ende des Beitrags mit Deiner Vorstellung
  • - Verlinkung Deiner Seite (do follow)

Anonyme Beiträge:
Du möchtest Dir etwas von der Seele schreiben und suchst eine wertschätzende und verständnisvolle Community von Müttern?

Du kannst Deinen Beitrag gerne anonym veröffentlichen!
Textvorschläge bitte an: fraumutter74@googlemail.com
We respect your privacy. Your information is safe and will never be shared.
Schreibe einen Gastbeitrag!
×
×
WordPress Popup