Meine Kolumnistin schreibt heute über körperliche Liebe und was diese alles sein kann außer einem Akt, der vielleicht auch noch aus Pflichtgefühl heraus passiert. Sandra schreibt ehrlich darüber, dass ihr Weg zu erfülltem Sex mit ihrem jetzigen Mann auch lang war und Umwege hatte.
Es läuft bei uns. Will heißen, wir haben Sex. So ganz von selbst und regelmäßig. Was mir den Freiraum gibt, mal über etwas völlig anderes nachzudenken als darüber, wie ich wieder mehr Sex haben kann.
Ich frage mich also: Was ist Sex eigentlich genau?
Die Biologiestudentin in mir referiert sogleich: Sex ist ein Fortpflanzungsakt, ohne den wir längst ausgestorben wären. Merke ich immer dann, wenn mich der Eisprung wieder auf den Schoß meines Gatten treibt.
Aber ist Sex wirklich nur das? Selbst für Tiere geht es nicht nur um die Arterhaltung. Wenn ich mir da so manches Löwenpärchen beim Liebesspiel anschaue oder Weinbergschnecken, die sich ganze 30 Stunden für die gegenseitige Begattung Zeit lassen (und danach auch erstmal eine Woche verschnaufen müssen), dann sind wir weit entfernt von einem rein mechanischen Befruchtungsakt.
Sex als notwendiges Übel?
In meiner ersten Beziehung, muss ich gestehen, war Sexualität nur ein leidiges Übel, was zum einen mit den völlig unerfahrenen Beteiligten zu tun hatte, zum anderen mit meiner eher abgeneigten Grundeinstellung an sich. Für mich hätte die Körperlichkeit gerne an der Stelle aufhören können, wo die Kamera bei Liebesfilmen ausblendet: Wenn der Mann (noch angezogen) auf der Frau liegt, sie küssen sich wild, Kamera fährt langsam runter zu ihren Füßen, romantische Musik brandet auf – Schnitt – die Liebenden liegen selig lächelnd nebeneinander und alles ist vorbei.
Wenn Freundinnen mir vorgeschwärmt haben, dass sie mit ihrem neuen Freund drei Tage nicht aus dem Bett gekommen sind, habe ich mich ernsthaft gefragt, was die da eigentlich solange „getrieben“ haben. Dass Sex richtig Spaß machen kann, habe ich dann immerhin in meiner zweiten Beziehung gelernt.
Mit 34 Jahren – durch meine Trennung erneut auf den Singlemarkt katapultiert – habe ich mich dem Thema zwangsläufig intensiver gewidmet. Da hatte ich dann erstmal zu wenig Sex und stellte fest, dass Sex doch ziemlich wichtig für die gute Laune sein kann. Denn zu lange Abstinenz kann sehr launisch bis aggressiv machen. Ja, auch uns Frauen! Autoren spiritueller Sexbücher wie Osho gehen sogar so weit, dass unterdrückte, nicht ausgelebte Sexualtiät bei allen Menschen zu Macht- und Geldgier, Hass und allerlei anderen negativen Gefühlsregungen führen kann. Und aus uns Frauen macht es unberechenbare, frustrierte Furien.
Ist Sex auch…Kommunikation?
Ist Sex also neben dem Fortpflanzungsakt nur Druckabbau und Spaß? Die Jagd nach dem Orgasmus oder etwas, das nun mal dazu gehört, wenn zwei Menschen sich lieben? Was wir haben müssen, um nicht zu amoklaufenden Soziopathen zu mutieren?
Laut Wikipedia ist Sex neben dem Fortpflanzungsakt auch Ausdruck von sozialer Interaktion. Was ich mit süßen 18 Jahren schamlos ausgenutzt habe, indem ich einen One-Night-Stand hatte, nur um dem Mann, der mich verschmähte, eins auszuwischen. Der Sex war unterirdisch, aber die gewünschte Wirkung hatte ich erzielt. Was allerdings nicht die geringste Befriedigung, sondern ein dumpfes Leeregefühlt hinterließ. Damit hätte ich dann auch belegt, was aus Sexuatität entstehen kann, wenn sie falsch eingesetzt wird. Dann wird daraus Wut, Hass, Frust.
Aber positiv formuliert: Wir begegnen uns durch Sex.
Erfüllender Sex at its best: Lust, Hingabe und Vertrauen
Denn beim Sex, der emotionale Begegnung miteinschließt, sind dem Horizont des Erlebens keine Grenzen gesetzt. Der eine spricht von seelischer Vereinigung im Einklang mit der körperlichen. Der andere schlicht von emotionaler Hingabe. Eva Zurhorst beschreibt in ihren Beziehungsbüchern einen Kreislauf, der über die Augen, das Herz und den Schoß ein gemeinsames Energiepotential erschafft, das uns durch den Tag schweben lässt. Barry Long redet von der göttlichen Liebe, die der Mann in der Frau entfachen kann, sofern er sie körperlich auch wirklich erreicht. Denn dafür sind bedingungslose Ehrlichkeit, Hingabe und Liebe notwendig. Und das Über-Bord-Werfen sämtlicher Leistungsgedanken.
Fassen wir also zusammen: Sex ist nicht nur wichtig für den Fortbestand unserer Spezies, sondern auch für unser Seelen-heil und damit für eine harmonische Zwischenmenschlichkeit. Sex ist ein Geschenk! Und es ist die größte Herausforderung, sich vorbehaltlos und angstfrei auf dieses Geschenk einzulassen, um uns gemeinsam mit dem Partner neue Ebenen des Bewusstseins und des Erlebens zu erschließen.
Sandra S., 40, lebt mit Mann und Töchtern in Kiel. Sie dreht “ehe-technisch” bereits die zweite Runde, wirkt oft bei Poetryslams mit und schreibt außerdem Kurzgeschichten. Wenn sie nicht gerade textet, das Meer oder ihre Familie genießt, singt sie mit Leidenschaft und Inbrunst. Bei Frau Mutter ist sie die Expertin für die körperliche Liebe oder was das ist, “wenn Mama und Papa sich ganz doll lieb haben.”
1 Kommentar
…und manch ist man einfach zu müde… 😀 Toller Text!