Gastbeiträge

Frau Vanderwitz wundert sich: Mit Kindern toben ist nicht gesund

14. Januar 2016

Kolumnistin Frau Vanderwitz ist kinderlos und hat deswegen keine Ahnung vom täglichen steifen Nacken, dem verrenkten Rücken und den tauben Armen, die wir Eltern haben. Mit Kindern toben, das ist nicht immer gesund. Aber sie hat ja eine kleine Nichte, die „noch maaaalll“ will… Herzlich willkommen, bei den orthopädisch Geschädigten, liebe Frau Vanderwitz!

Kennt ihr das? Das leise Krcks, wenn ein Wirbel sich aus der sanften Umklammerung von zu schwacher Muskulatur löst und in die Schiefstellung geht? Mit einem Schmerz, der einen zum lauten Ächzen bringt?

Aber da ist meine fast 3-jährige Nichte, die begeistert „noch maaaaaal!!!“ ruft. Und sie strahlt dabei so, dass man ihr nichts abschlagen möchte. Wenn man dann überhaupt schon mal zu Besuch ist, was ohnehin viel zu selten stattfindet.

Was macht man in so einer Situation? Schlechtes Gewissen besänftigen, Zähne zusammenbeißen und noch maaaaaaaal!!! Und dann natürlich noch maaaaaaaaal!!! Und noch maaaaaaaaaaaal!!! Und noch maaaaaaaaaaaaal!!!

Bis die Tante schwer atmend auf dem Boden liegt und kapituliert. Während ich mich ungelenk auf die Seite rolle (in mehreren Anläufen, denn zur Seite drehen tut höllisch weh), läuft die Kleine schon auf ihren ultra putzigen Hello-Kitty-Anti-Rutsch-Söckchen (total durchdacht, diese Kindersocken!) aus dem Zimmer in den Flur. Und es ist kein anderer Verwandter in der Nähe, den man rufen könnte. Es hilft also nichts: Die unsportliche Tante muss irgendwie hinterher. Und das auf allen Vieren. Wegen dem Krcks.

„O! Elefant!“, ruft sie mir begeistert zu, als ich den Flur erreiche. Na super, mein T-Shirt ist zwar grau, aber hat auch Glitzeraufschrift. Was Elefanten nicht haben. Und ich habe auch keinen Rüssel. Zumindest ist meine Nase nicht sooo groß.

Das habe ich jetzt davon, dass sie mittlerweile sprechen kann.
„Können wir etwas Ruhiges spielen? Oder soll ich dir was vorlesen?“, frage ich sie und erhalte als Antwort ein verkniffenes Gesicht. Das erkenne ich wieder. Das hatte sie vorhin auch, als ihr Papa ihr die Tasse aus feinem China-Porzellan aus der Hand genommen hat. Das ist offensichtlich der „Ich-bin-so-enttäuscht-und-heule-gleich“-Ausdruck. Puh, ich bin ja sowas von empathisch.

Mit Kindern toben= Krcks

„Oder doch was anderes?“, frage ich schnell. „Nur bitte nicht wieder Flugzeug.“
„Flugzeug!“, ruft sie erfreut. Und ich überdenke meine Taktik. Sie gar nicht erst auf den Gedanken bringen – das wäre jetzt wohl schlauer gewesen.
„Oder Lego?“, frage ich. Lego hört sich ruhig an. Vorhin hatte mein Bruder noch stolz verkündet, dass er unsere alte Lego-Kiste aufbewahrt hätte. Und natürlich hat die Kleine auch allerlei neues Lego bekommen. Das man leicht an dem Grellpink, Leuchtorange und Grelltürkis erkennt. Lego ist also mittlerweile auch etwas für Mädchen. Ich bin so stolz auf meine emanzipierte Nichte. Nur ausgerechnet heute hat sie wohl keine Lust darauf, Männerdomänen für sich zu erobern.

Sie hopst mir entgegen, breitet die Arme aus und ruft: „Flugzeug!“
„Aber ich kann nicht mehr“, versuche ich ihr zu erklären, während der Krcks sich bei jeder Bewegung bemerkbar macht. Ich hoffe, dass jetzt nicht wieder ihr halb verkniffener Gesichtsausdruck erscheint, dieses Stirnrunzeln und die traurigen Kulleraugen sind ein Tanten-Alptraum. Und ihre kleinen Mundwinkelchen, die sollen doch möglichst die nächsten Stunden nur nach oben zeigen. Die positiven Erlebnisse mit der Tante, hey, die prägen bestimmt lebenslang … Also muss alles mega-positiv sein. Selbst wenn alles andere den Bach runtergeht, da waren doch damals die positiven Erfahrungen mit der lustigen Tante … na ja, momentan sind es mehr Flugzeug- und Elefantenerfahrungen, aber man soll die Ansprüche ja nicht zu hoch schrauben.

„Memory“ ist auch nicht so einfach

„Playmobil?“, frage ich. Denn ich hatte vorhin Pferdchen und einen Bauernhof gesehen. Sie schaut mich nur an.
„Puppen? Puzzle?“
Sie schaut mich immer noch an, als wäre ich eine faszinierende Pflanze und als würde sie gerade überlegen, ob sie an mir schnuppern oder mich ausrupfen möchte.
„Memory?“ Ihr Gesicht hellt sich auf. Sie hopst ins Kinderzimmer zurück. Ich schöpfe Hoffnung. Memory war doch ein ruhiges Spiel, oder? Ich krieche ihr ins Kinderzimmer hinterher und forme dann mit meinen Armen einen Elefantenrüssel. Ich tröte und sie lacht. Gott sei Dank. Puh, das Kinder-Entertainment fordert mir echt alles ab.

Auch intelligenzmäßig. Mir ist jetzt nämlich völlig klar, warum Kinder so gerne Memory spielen: weil sie gewinnen. Ich meine, wer kann sich das denn schon merken, wo der zweite Affe ist? Immerhin lag da vorhin ein Löwe. Oder nicht? Als ihr Papa zurückgekommen ist und sich das Schauspiel ein paar Minuten angeschaut hat, erklärt er mir, dass es pädagogisch nicht gut ist, wenn man die Kinder immer gewinnen lässt. Na super. Jetzt muss ich entweder zugeben, dass ich gegen eine nicht mal 3-Jährige beim Memory verliere oder ich bin pädagogisch nicht wertvoll. Wie komme ich aus der Nummer bloß wieder raus?
Doch mein Rückenwirbel will etwas anderes. Er will wieder rein. Also überrede ich meinen Bruder, mich mitsamt Nichte zum Orthopäden zu fahren. Röntgenbilder gucken ist bestimmt ein pädagogisches Highlight!

Frau vanderwitz mit Katze

In “Frau Vanderwitz wundert sich” schreibt Saskia aus der Perspektive einer kinderlosen Frau. Als Katzenmama und begeisterte Tante nimmt sie die Welt der Familien witzig-ironisch unter die Lupe. Saskia schrieb bereits für mehrere Kabarettgruppen, ist poetry slammerin und Autorin. Mit Frau Mutter verbindet sie eine glorreiche studentische Vergangenheit im Fachbereich “irgendwas mit Medien”.

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1 Kommentar

  • Reply jennifer-heart 14. Januar 2016 at 8:53 pm

    Herrlich! Frau Vanderwitz, bitte weiter so.

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