Rechenschwäche bei Kindern ist genauso wie Legasthenie kein großer Spaß für das betroffene Kind und die Eltern. Tatsächlich kann es sehr belastend sein, das weiß ich aus eigener Erfahrung. Zum Glück sind wir aber heute schon viel weiter, verglichen mit damals, als wir Schulkinder waren. „Ei, die is halt bleed in Madde“, hiess deftig-hessisch zu meiner Schulzeit.
Als wir in der ersten Klasse bei meinem Sohn eine Rechenschwäche feststellten, war uns Eltern super wichtig, dass Sebastian 1. sich nie blöd oder minderwertig vorkommt und 2. auch nicht aufgibt, zu rechnen. Wir brauchen das Rechnen und die Zahlen ja nun mal.
Bei Rechenschwäche früh zur Lerntherapie
Wir haben früh mit einer Lerntherapie begonnen, die einzig richtige Entscheidung, um den Stress rauszunehmen und natürlich auch rechnen zu lernen! Kürzlich kam der Sohn mit einer 2 in der Mathearbeit nach Hause! Ein toller Erfolg!
Meine heutige Gastautorin Petra Rodenberg ist Lerntherapeutin und Mutter von vier Kindern. Sie hat heute viele praktische Tipps und Übungen für Euch parat, wie ihr eurem Kind Zahlen spielerisch im Alltag näher bringen könnt.
Nachdem ich Ninas Beitrag „Halbjahreszeugnisse: Es kann ja so schön sein…“ gelesen hatte, wollte ich auf ihrem Blog gerne etwas zur Früherkennung von Rechenschwäche bei Kindern schreiben.
In Deutschland sind genauso viele Kinder von einer Rechenschwäche oder Dyskalkulie betroffen wie von einer Legasthenie, trotzdem ist die Informationslage eher dürftig. Dabei hat es in den letzten Jahren viele neue Erkenntnisse gegeben.
Mir geht es nicht darum, schon im Kindergarten eine Lernförderung zu machen – davon halte ich nämlich nichts – sondern eher welche spielerischen Aspekte rund um Ziffern, Zahlen und Mengen, Kindern das Leben leichter machen können.
Hat mein Kind Dyskalkulie? Drei Anzeichen:
– Dein Kind tut sich schwer die Ziffern von 0-9 mit den richtigen Wörtern zu benennen.
– Dein Kind zählt noch nicht in der richtigen Reihenfolge.
– Dein Kind hat keine Vorstellung von einer Menge.
Wann kann man eine Rechenschwäche bei Kindern überhaupt feststellen?
„Das kommt schon noch.“ „Geben Sie Ihrem Kind Zeit!“ „Nicht alle Kinder entwickeln sich gleich.“
Diese Sätze bekommen viele Eltern zu hören, wenn ihnen bei der Lese-, Schreib- oder Rechenleistung ihrer Kinder in der 1. oder 2. Klasse nicht ganz wohl ist. Leider ist das der völlig falsche Ansatz. Kinder und Eltern müssen es dann im Nachhinein ausbaden.
Sowohl eine Rechenschwäche als auch eine Lese- oder Rechtschreibschwäche lassen sich mit standardisierten Tests bereits nach dem 1.Schulhalbjahr feststellen, auch wenn in vielen Schulen noch das Gegenteil behauptet wird. Falls dir etwas komisch vorkommt, bestehe also auf einem Test!
Sicher ist, je früher eine Lernstörung oder -schwäche festgestellt wird, umso früher kann man dem betroffenen Kind helfen, Kummer, Sorgen und Frust zu vermeiden. Aber Risikokinder erkennt man nicht erst im ersten Schuljahr. Die neuere Forschung zeigt, dass man bereits im Kindergarten mit einfachen Mitteln gegensteuern kann. Das sage ich nicht, um kleine Einsteins aus euren Kindern zu machen, sondern um die Entwicklung des Zahlenverständnisses zu fördern und es den Kindern leichter zu machen.
„Risikokinder“ erkennen: Bei Rechenschwäche früh unterstützen
Zum Rechnen gehören viele Fähigkeiten, auf die wir nicht so sonderlich achten, weil sie für uns ganz unbewusst ablaufen. Bis dieser automatische Ablauf aber verinnerlicht wurde, dauert es. Daher nehme ich jetzt eine einfache Rechenaufgabe auseinander, damit ihr seht, worauf ihr bei euren Kindern achten müsst und womit ihr ihnen helfen könnt.
7+5=12
Welche Fähigkeiten brauchen wir für diese Aufgabe?
Was bedeuten die Zeichen 7,5 und +?
Die Frage ist für ein Vorschulkind echt nicht einfach.
Die 5 hat z.B. drei Bedeutungen
5 bedeutet das Wort fünf
5 hat beim Zählen den Platz zwischen 4 und 6
5 steht für die Menge 5 z.B. Gummibärchen, Bohnen, Punkte etc.
Ganz schön viel für eine Zahl. Aber die drei Dinge helfen dir zu erkennen, wo bei deinem Kind der Schuh drücken kann. Ich zeige dir jetzt, wie du das Erkennen kannst und deinem Kind spielerisch helfen kannst.
Was man zu Hause tun kann: Mit Spaß „Geheimzeichen“ lernen!
Wenn dein Kind also Schwierigkeiten hat die Ziffern 0-9 den richtigen Wörtern zuzuordnen, hast du hier schon einen ersten Ansatzpunkt ihm zu helfen. Es gibt superschöne Spiele dafür. Ich erkläre den Kindern immer, dass die Ziffern Geheimzeichen für die Wörter null bis neun sind. Das macht das Lernen etwas spannender.
Mein Lieblingsspiel ist das Rückenschreiben. Du schreibst deinem Kind mit einem Finger eine Ziffer auf den Rücken und das Kind muss sie erraten. Dann umgekehrt. Malbücher oder Vorlagen mit den Ziffern ausdrucken und mit dem Kind anmalen.
Die Ziffern mit Wasserfarbe malen.
Die Ziffern mit weicher Knete kneten.
Beim Backen mit Mürbeteig Ziffern formen und nach dem Backen essen.
Bei allen Übungen soll das Kind natürlich immer sagen, wie die betreffende Ziffer heißt. Mit diesen Übungen, die viel Spaß bringen, klappen die Geheimzeichen in der Regel bald deutlich besser.
Zahlen: Auf die richtige Reihenfolge kommt es an!
Wichtig bei den Geheimzeichen ist nun auch noch die Reihenfolge. Kinder, die zu Schulbeginn, an dieser Stelle noch hängen bleiben, tun sich einfach schwerer, als andere und das wirkt sich dann ziemlich schnell auf die Rechenleistung aus.Sollte dein Kind also beim Zählen von eins bis neun die Reihenfolge noch nicht hinbekommen, kannst du ebenfalls spielerisch helfen.
Spielt einfach zählen. Ihr könnt die Tischbeine zählen oder beim Abendessen alle Füße, die unter dem Tisch stehen. Wie viele Messer liegen auf dem Tisch? Wie viele Zacken hat eine Gabel? Wie viele gelbe Autos sehen wir auf der Fahrt zum Supermarkt? Auch hier sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Ihr braucht dafür keine teuren Materialien.
Ein kleines undurchsichtiges Beutelchen, in das ihr abwechselnd einige Gegenstände legt, ist auch ein super Hilfsmittel. Also sieben Murmeln in den Beutel geben und euer Kind dann die Anzahl fühlen lassen. Danach packt das Kind einige Gegenstände ein und ihr zählt. Wer keinen undurchsichtigen Beutel hat, kann das Spiel auch mit verbundenen Augen spielen.
Auch Klatschen oder auf den Rücken tippen, ist eine tolle Zählübung. Ihr klatscht z.B. dreimal und das Kind zählt mit. Dann abwechseln. Bitte immer mitspielen und nicht nur das Kind zählen lassen, das ist sonst langweilig. Statt zu klatschen könnt ihr euch natürlich auch gegenseitig mit dem Finger auf den Rücken tippen.
Oft ein Problem bei Rechenschwäche bei Kindern: Mengen erkennen !
Erinnert ihr euch an die fünf Gummibärchen? Ich hatte oben erklärt das die 5 auch für eine Menge steht. Als Beispiel nehmen wir hier einmal Gummibärchen. Kann dein Kind fünf Gummibärchen erkennen oder muss es zählen? Dahinter steckt die Fähigkeit Mengen und Ziffern zusammen zu bringen. Auch dafür gibt es ein paar einfache Übungen, mit denen du prüfen kannst, ob dein Kind mit den Mengen noch Schwierigkeiten hat.
Bleiben wir also bei den fünf Gummibärchen. Dein Kind hat sie gezählt. Jetzt nimmst du ein Gummibärchen weg und fragst nochmal nach der Anzahl. Zählt dein Kind wieder oder kann es den Schritt im Kopf nachvollziehen und sagt vier? Falls es hier noch hakt, kannst du auch das spielerisch üben.
„Die Gummibärchen-Methode“
Die gerade schon beschriebene Gummibärchen Methode ist eine mögliche Übung. Klatschen oder Tippen. Du klatschst dreimal, dein Kind zählt mit. Dann bittest du, dass es einmal weniger klatschen soll, oder auch einmal mehr.Die Übung mit dem Beutel kannst du hier wieder aufgreifen. Es läuft wie gehabt. Die Gegenstände im Beutel werden gezählt, dann wird ein Gegenstand hinzugefügt und erneut nach der Anzahl gefragt.
Ein Memory aus Ziffern und Bildern macht den meisten Kindern ebenfalls viel Spaß. Das kann man gemeinsam basteln oder für weniger Kreative im Internet ausdrucken.
Wenn dein Kind im Bereich bis 5 grundsätzlich Schwierigkeiten hat die Ziffern mit der passenden Anzahl zu verbinden, können folgende Spiele helfen.
Nimm fünf kleine Dosen (Marmeladengläser, alte Filmdöschen usw.). Klebe außen die Ziffern 1-5 auf. Auf jedes Gefäß eine Ziffer. In das Glas mit der Ziffer 1 kommt ein Gegenstand. In das Glas mit der Ziffer 2 zwei Gegenstände usw. Dein Kind kann dann immer ein Glas wählen, die Ziffer vorlesen und die Gegenstände herausnehmen, anfassen und dann zählen.
Nimm die Gläser aus Übung 1 aber nehme vorher alle Gegenstände heraus. Dann kann dein Kind in jedes Glas die passende Anzahl wieder hineingeben.
Man kann auch mit Würfeln arbeiten. Entweder besorgt ihr euch einen Würfel mit 5 Seiten oder ihr erweitert die Mengen auf die Zahl 6. Dann wird abwechselnd gewürfelt. Jeder nennt seine Zahl und darf dann so viele Gegenstände nehmen, wie er gewürfelt hat. Ich nehme in der Praxis immer Hülsenfrüchte für das Spiel. Aber auch hier kann man einfach mit allem spielen, was man zur Verfügung hat. Wer am Ende die meisten Bohnen hat – da müsst ihr dann aber beim Zählen helfen – hat gewonnen.
Ganz wichtig bei Rechenschwäche: Keine Panik, aber aufmerksam sein
Diese Übungen helfen deinem Kind auf spielerische Art, den Umgang mit Zahlen als etwas Selbstverständliches zu erfahren.
Alles was ich erklärt habe, gilt für Vorschulkinder. Wenn eine oder mehrere der drei Fähigkeiten noch haken, kannst du zunächst mit den obigen Übungen schauen, ob sich etwas verändert. Dazu solltest du aber mindestens vier Wochen regelmäßig gespielt haben.
Nicht alles auf einmal. Zunächst sollte dein Kind Ziffern und Wörter verbinden können. Wir haben das oben Geheimzeichen genannt. Erst wenn das wirklich klappt, machen die Übungen zur Reihenfolge und zur Menge Sinn.
Falls du dir unsicher bist und dein Kind Zahlen auch nach vier Wochen noch vermeidet, spreche mit den Erzieherinnen im Kindergarten oder im Zweifelsfall mit der Kinderärztin, einer ausgebildeten Ergotherapeutin oder einer guten Lerntherapeutin.
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