Familienalltag mit Humor

Papa im Homeoffice: Mein Jahr zu Hause

25. Mai 2021

Seit gut einem Jahr arbeitet mein Mann nun von zu Hause. Vor dem ersten Lockdown war ich  vormittags immer alleine zu Hause in meinem Büro, mittags dann mit den Kids zusammen und irgendwann kam abends der Vater nach Hause. So wie das in vielen Familien wahrscheinlich ist, habe ich jahrelang die meiste Zeit mit den Kindern verbracht. Nun war es plötzlich anders. Kannst Du mal hier, kannst Du mal da? Ich hab Hunger, ich habe Englisch nicht verstanden. Nicht nur „Mamaaaa“ wurde durchs Haus gebrüllt, sondern mindestens genauso oft „Papaaaa“. Aus Mutter-Sicht kann ich sagen: Wir haben noch nie so gleichberechtigt gelebt. Beide arbeiteten, machten den Hauhalt und homeschoolten, so gut das eben geht. Als das noch möglich war, übernahm mein Mann auch Eltern-Taxi -Fahrten zu den Aktivitäten der Kinder.

Heute schreibt mein Mann darüber, wie er das Jahr mit uns zu Hause erlebt hat.

Das Jahr des Spazierengehens und des Esstisches

Seit einem guten Jahr wandeln wir nun durch die Strassen. Mal die eine Abzweigung, mal eine andere Kehre oder eine weitere Bahn, dann zurück ums Eck, blind einbiegen, wie ein Hund an der Leine, der schon lange instinktiv wieder nach Hause findet. Anfangs gerne noch zu viert, die ganze Familie raus, Frischluft-Einnahme ist immerhin eine urdeutsche Sportart, da macht uns keiner so schnell was vor. Dann aber mit den Monaten nur noch als Paar, die Kinder derweil mit dem WLAN verschmolzen zuhause, wir laufen in Schlangenlinien um andere Paare, die ähnlich konspirativ die Nachbarschaft abschreiten.

Es ist das Jahr des Spazierengehens, und wie bei so Vielem während der Pandemie will man eigentlich nicht mehr, aber man rafft sich dann doch noch ein weiteres Mal auf und dreht stoisch seine Runde. Ein wenig Struktur in dieser barrierefreien Zeit. Alle zuhause, alles zuhause: Büro, Friseursalon, Handwerksbetrieb, Lehranstalt, Paketannahmestelle, Weinladen, Kochstudio. Draußen, abseits der Spazier-Schneisen, lauerte die große Gefahr.

Der Küchenchef: Ich bin wie die Mutter in der Miracoli-Werbung

Eigentlich hat uns das letzte Jahr doch eine ganz unbekannte Familienintimität ermöglicht, wie wir sie in den letzte 15 Jahren nie erlebt haben. Die grosse Distanz hat uns näher zusammenrücken lassen als Kernfamilie. Abends sitzen wir länger zusammen, die Kinder kommen wieder mehr in unser Bett. Noch nie haben wir so viele Mahlzeiten gemeinsam eingenommen, jeder Tag ist gefühlt Miracoli-Tag: ich stehe unten und locke mittags die Familie mit lauten „Essen-Ist-Fertig“-Rufen an, die sich alsbald gierig auf Tennissocken und in hellen Karottenjeans am Esstisch versammelt.

Haustier-Diskussionen und Shoppingattacken

Neidisch schaut die Nachbarschaft durchs Fenster, bilde ich mir ein, es fehlt nur noch der zottelige Werbehund unterm Tisch. Das Thema flammte natürlich auch bei uns kurz auf, fast wurden wir schwach – ein Hund würden all den verdammten Spaziergängen doch einen funktionalen Sinn geben! Aber im Gegensatz zu fast allen anderen haben wir das vierbeinige Familienmitglied dann doch gerade nochmal abgewendet. Die Impulskäufe häufen sich: Anzüge, obwohl man auf absehbare Zeit kein Büro betreten wird, beim Sohn Haarfärbemittel im Trendton Steinmarder. Die Tochter hasst ihr frisch renoviertes Zimmer und will neue Deko, die Gattin kauft frische chromblitzende Armaturen fürs Bad, warum auch nicht.

Die Kinder schlafen lang, essen viel und wachsen schnell

Irgendwann ist auch der letzte Raum neu gestrichen.  Jeden Morgen scheinen die Kinder gewachsen zu sein – es muss das gute Essen sein! Oder doch die ausgedehnte Nachtruhe? Schule fängt ja neuerdings frühestens um halb neun an, und auch dann gerne im Schlafanzug am Bildschirm, merkt ja keiner. Nach einem Jahr zuhause hat mich mein Sohn jedenfalls eingeholt und ist einen halben Zentimeter größer als ich.  Ich sitze derweil in orthopädisch beklagenswerter Bückhaltung am Esstisch, Laptop dauerhaft aufgeklappt ab 7 Uhr morgens bis spät abends.

Was ist noch mal Feierabend? Arbeit von früh bis spät

Wo soll man auch sonst hin, das hat auch der Arbeitgeber schnell kapiert. Der Feierabend, das unbekannte Wesen. Manche Kollegen haben sich regelrechte Bildschirmlandschaften zuhause aufgebaut, mit Ringlicht, Kamera und multidirektionalen Gamer-Stuhl. Ich dachte anfangs nur: lohnt sich nicht, der Spuk ist bald sowieso vorbei. So kann man sich irren. Stattdessen: der Lockdown härter, das Homeschooling mühsamer, der Paketbote immer hektischer, der Papiermüll immer voller mit Kartons.

Immerhin kennen wir Erwachsene ein langes Leben vor Corona, bei unseren Kindern hat man dagegen langsam den Eindruck, ihr altes Leben wirke auf sie immer konturloser, wie durch eine von der Maske beschlagenen Brille betrachtet. Was wird bleiben von dem Jahr? Haltungsschäden bei mir, frische Wandfarben bei uns allen, und die Gewissheit, dass wir eigentlich doch ganz gut miteinander können, sei es gemeinsam als Familie beim Mittagessen oder als Paar in Schlangenlinien laufend durch die abendlichen Gassen. Reduktion aufs Wesentliche, von ein paar Home-Deko Eskapaden mal abgesehen. Ich gehe dann mal die Wasserhähne polieren. Wo soll man sonst auch hin…..

Frau Mutter folgen

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1 Kommentar

  • Reply Alleine verreisen: Vom großen Glück, Zeit mit sich selbst zu verbringen 21. Oktober 2021 at 7:02 am

    […] aus meiner Kontinuität habe ich mich gefühlt. Nach anderthalb Jahren zu Hause, die für uns als Familie weitgehend gut verliefen, habe ich das dringende Bedürfnis nach Zeit nur mit mir gespürt.  Und […]

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