Müssen Kinder ein Musikinstrument lernen? Bei vielem Eltern mit bildungsbürgerlichem Anspruch heißt die Antwort definitiv ja. Gerade jetzt im Lockdown würde ich mir auch wünschen, die Kinder würden mal eine nette Sonate anstimmen. Sollte man Kinder zwingen, ein Musikinstrument zu lernen? Lernt man ein Instrument überhaupt richtig ohne den elterlichen Druck oder geht es auch ganz ohne?
Müssen Kinder ein Musikinstrument lernen?
Wenn man mit Eltern von Kindern(allesamt Musikgenies) spricht, die ein Instrument lernen (total freiwillig, die wollten das, echt!), wird ja immer das Mathe-Argument angeführt. Wer Noten lernt, kann auch Mathe. Oder so. Ich habe mal als Kind Noten gelernt- und mich trotzdem kürzlich bei meiner Steuervorauszahlung verkalkuliert. Bei mir hat das also nichts gebracht.
Was mich an diesem Thema stört, ist der Zwang. Natürlich gibt es musikalische Familien, die ihre Kinder da früh anleiten und gemeinsam Musik und das Musizieren genießen. Das ist auch großartig! Auch ist es sicher nicht schlecht, Kinder in der musikalischen Früherziehung an Musik und Instrumente heranzuführen. Ich habe das natürlich auch gemacht und meinem dreijährigem Sohn damals verzückt bei seinem frühkindlichen Aggressionsabbau via Xylophon zugeschaut. Ohrenkatarrh inklusive.
Für viele Kinder mag es auch ein guter Weg sein, ein Instrument zu lernen. Was aber, wenn es einfach „zum guten Ton gehört“, ein Instrument zu lernen, weil das ins Selbstbild der Eltern passt und/oder man das eben früher nicht durfte und nun soll aber das Kind bitte mal Geige lernen. Gehört ja irgendwie zur Bildungsbürger-Ausstattung…
Meine persönliche Piano-Pein
Ich habe meine Kinder lange überhaupt nicht gedrängt, ein Instrument zu lernen. Hobbies sind Freizeit und die sollen sie mit Aktivitäten gestalten, die ihnen Spaß machen und nicht nur mir. Mir wurde als Kind ein Klavier buchstäblich vor die Nase gesetzt. Weder wünschte ich mir, Klavier spielen zu lernen noch hatte ich irgendwie Talent dazu. Ich wollte meine ganze Kindheit nur Ballett und Theater machen, das hat mich total ausgefüllt und glücklich gemacht.
Da saß ich also vor einem Blatt Noten und habe auf die weißen und schwarzen Tasten eingehämmert, über Jahre hinweg. Der einzige Lichtblick in diesem Debakel: Meine Klavierlehrerin und ihr Pekingese. Frau Adolfine Mayer war wie eine Ersatzoma für mich, versorgte mich mit reichlich Bonbons beim Üben und hörte mir bei all meinen Sorgen zu. Dazu schnaubte ihr fettleibiger Pekingese in der Musikstunde wie ein zusätzliches Blasinstrument. Mein Klavierspiel wurde nicht besser, ich habe einfach keinen Zugang dazu gefunden. Irgendwann in der Pubertät habe ich dann aufgehört. Meine Eltern konnten das natürlich nicht verstehen und fanden es höchstwahrscheinlich undankbar.
Mein Mann spielte als Kind und heute noch klassische Gitarre und nimmt regelmäßig Unterricht. Natürlich fände er es schön, wenn die Kinder ihm nacheifern würden. Wollten sie aber lange nicht. Bis kürzlich. Beide Kinder haben uns über Wochen gebeten, endlich mit Musikunterricht zu beginnen, allerdings mit: Schlagzeug! Das spielt nämlich der coole Onkel.
Ich denke wenn so ein Wunsch vom Kind kommt, ist das gut. Ein Musikinstrument zu beherrschen kann sicherlich eine wunderbare Lebensbereicherung sein. Alleine und mit anderen.
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Stichwort: Freiwilligkeit oder Fun with Drums!
Nun sind Sebastian und Constanze seit Wochen begeisterte Mini-Percussionisten. Schlagzeug ist ja toll….aber auch soooo laut. Constanze reicht mit ihren kurzen Beinen kaum an das Pedal heran, aber egal. „Ich gebe den Takt an, Mama.“
Auch hier gibt es natürlich einen „trockenen“ Teil. Wer irgendwann mal im Schulorchester den Takt angeben will, der muss auch lernen, was Achtel- und Sechzehntelnoten sind. Nun hieß es kürzlich schon auch mal nach der Schlagzeug-Stunde: „Heute wars blöd“. Da muss man als Musikschüler durch und auch als Eltern. Ich fände es schön, wenn beide Kinder wirklich dabei blieben, auch wenn man nicht gleich klingt wie Vinnie Colaiuta.
Wie bei so vielen angefangenen Hobbies wird es wahrscheinlich auch hier mal den Wunsch geben, aufzuhören. Nicht einfach, dann als Eltern den richtigen Weg zu finden zwischen „Okay, dann hör halt auf“ und „Wir haben so viel Geld bezahlt, da gehst du jetzt hin und zwar bis zu Deinem 18. Geburtstag.“
Ich freue mich jedenfalls mit meinen Kindern an ihrer neu entdeckten Musikleidenschaft. Wenn sie auch deswegen nicht Berater, Anwalt oder mindestens Mathegenie werden. Müssen Kinder ein Musikinstrument lernen? Meine Meinung ist: Nein. Aber schön ist es trotzdem!
Lernen Eure Kinder Instrumente und wenn ja: Immer mit gleichbleibender Motivation?
9 Kommentare
Hallo liebe Frau-Mutter,
mit Interesse verfolge ich, dass das Thema Musik „am Kind“ immer mehr Einzug hält, in Printmedien, in fb, in Insta und auch bei den Bloggern. Ob Musik für Kinder oder selbst ein Instrument spielen, alles ist vertreten.
Dein Beitrag ist super, spricht er doch dafür, das Kind zu sehen und zu hören und vor allem zu verstehen. Will es lieber Fußball spielen, gut so, Ballett… prima, musizieren… na klar!
Doch dieses tatsächlich weitverbreitete bürgerlich-konventionelle Denken, dass irgendetwas SEIN MUSS, und da gehe ich absolut mit Dir mit, ist eine Farce, denn sie geht schlichtweg an den Kindern vorbei.
Unsere Bärentatze ist eine kleine Rampensau, merkt sich Gedichte und rezitiert sie mit Leidenschaft, liest gern laut vor, spielt dramatische Rollen in Schule und Hort und macht Musik, neben Tieren und Natur und etwas Volleyball, liegt doch der Fokus komplett bei Geige und Klavier. Also eher der musische Typ. Wir haben über mehrere Jahre von allem etwas ausprobiert, auch mal parallel laufen lassen, ABER! eben nicht ab zarten3 oder 4, sondern ab 6 Jahren. Da hatte die Bärentatze schon so viel Selbstwahrnehmung für den eigenen Körper, dass ihr ziemlich genau klar war, worauf sie Lust hatte. Soweit wir uns erinnern, ist das ja auch das Alter, in dem sich die ersten längeren Phasen der Konzentration herausbilden, so dass überhaupt zielführende gelernt werden kann. Die Jahre vorher stehen nach unserer Meinung eher im Fokus der Vielfalt, Möglichkeiten erleben, sich kurzfristig auszuprobieren, mehr dann aber auch nicht, denn es soll ja ein Spiel bleiben.
Inzwischen sind es 4 Jahre Geige und 6 Monate Klavier und eine Menge Höhen und Tiefen bzgl. Überzeit. Und natürlich gab es so manche Überlegung aufzuhören. Unsere Bedingung war dann immer, das Schuljahr zu Ende zu bringen und mit Beginn des neuen Schuljahres neu zu entscheiden. Meist war kurz vorher ein kleines Konzert und die Euphorie wieder ganz groß. Die Motivationstiefs kamen meist mit dem Lampenfieber und dem vermehrten Üben vor den Konzerten .
Für das Üben haben wir jetzt jeden Tag mindestens 10 Minuten Zeit pro Instrument eingerichtet. Wie die Bärentatze diese Zeit nutzt, ist ihr selbst überlassen. Immerhin sitzt/steht die Bärentatze ja dann auch „allein“ beim jeweiligen Instrumentenlehrer.
Was wir seit knapp 3 Monaten merken, ist, dass die Bärentatze es sogar genießt, mit der Musik aus dem doch recht stressigen und lauten Schulalltag abzutauchen, zu sich selbst zu finden… dann hören wir mindestens 1 h Geige und Klavier im Wechsel.
Die Erfolge stellen sich ein… was heißen will, dass die Bärentatze inzwischen die Musikstunden tatsächlich dazu nutzt, mit dem Lehrer Details zu besprechen, sich Tricks zu holen… und das eigentliche Üben macht er also zu Hause. Und hat Freude daran.
Bingo! Im Grunde alles richtig gemacht, Wege gezeigt, beim Durchhalten geholfen und motiviert und die BärentatzenErfolge mitgefeiert und belohnt…
… genauso wie die Eltern des besten Freundes, der seit 4 Jahren Fußball spielt und jetzt Medaillen einheimst oder die Mama der kleinen Nachbarin, die seit 3 Jahren Mathenachhilfe bekommt und deshalb am Schuljahresende in die nächste Klasse gehen durfte.
Aber das MUSS, weil Nachbar oder Freund es tun oder haben … Nö!
#primagrüße
Danke für Deine Erfahrungen, besonders , was die weitere Motivation angeht. Stimmt, Konzerte und Vorspiele erinnern uns und vor allem das Kind daran, warum es so toll ist, ein Instrument zu können. Deine Übungs-Regel gefällt mir auch. lg nina
Danke für Deine Erfahrungen, besonders , was die weitere Motivation angeht. Stimmt, Konzerte und Vorspiele erinnern uns und vor allem das Kind daran, warum es so toll ist, ein Instrument zu können. Deine Übungs-Regel gefällt mir auch. lg nina
Hallöchen, zwischen Steuerklärung und Notenlernen gibt es sicherlich auch keinen erwiesenen kausalen Zisammenhang. Ich würde meine Kinder jetzt auch nicht in die Musikschule prügeln, wenn sie partout nicht wollten, aber ja wir finden es wichtig, dass es Instrument gelernt wird. Es mag ja so Kinder geben, die (früh) wissen was sie wollen oder nicht oder auch klare Interessen und eindeutige Talente haben. Unsere Kinder gehören dazu nicht. Ich schätze, dass viele Kinder tatsächlich im Grundschulalter aktiv an ein Instrument herangeführt werden können. Natürlich sollte das Kind mitentscheiden. Man kann zum Instrumentenkarusell gehen, zum Instrumententag an der Musikschule oder mal zu einem Schülervorspiel, um zu schauen ob es ein Interesse gibt und in welche Richtung es geht. Wenn es dann letztlich bei den „obligatorischen 2 Jahren Blockflöte“ bleibt, das Kind sich als komplett unmusikalisch erweist oder einfach absolut keine Lust auf mehr hat oder lieber andere Hobbys verfolgt, ist das ja auch okay. Ich habe als Kind und Jugendliche viele Jahre mit viel Spaß ein Instrument gespielt und bin jetzt fast traurig, dass ich damals nicht noch ein weiteres Instrument gelernt habe. Später fängt man das doch eher nicht an. Also von mir tendenziell ein klares JA zum Instrument. Wenn man es nicht ausprobiert, kann man ja nicht wissen, obs was ist.
Hallo zusammen,
Ein sehr schöner Beitrag, den ich mit großem Interesse gelesen habe!
Ich finde auch, dass man den Erstkontakt zu einige Instrumenten herstellen sollte und dann aber auch davon ablässt, wenn das Kind einfach nicht mehr möchte. Vielleicht passt dann eben ein Zeichenkurs besser oder Judo – irgendwann muss man sich aufgrund des Zeitmangels ja eh entscheiden zwischen Kunst, Musik, Sport.
Ich möchte noch anmerken, dass der Gesang oft vergessen wird. Ich habe mich lange durch Klarinettenstunden gequält, bis endlich jemand gemerkt hat, dass ich Talent zum Singen habe. Ab 18 Jahren habe ich quasi durchgängig bis zur Schwangerschaft in Metal-/Rockbands gesungen und möchte diesen Teil meines Lebens nicht missen! Oft wird daran gar nicht gedacht, dass die Stimme ja auch ein Instrument ist.
Ich habe noch kein Kind, würde aber keinen Zwang ausüben, ein Instrument lernen zu müssen. Falls es sich für etwas interessiert, dann folgt meine Unterstützung.
Ich habe mich selbst früher nie für ein Instrument interessiert (obwohl mein Vater in seiner Jugend mehrere Instrumente spielte) und erst später am PC Musik gemacht. Das hat mich dann begeistert. Und so entwickelt es sich dann.
Motivation kommt und geht. Helfen tut (auch) ein gesetztes Ziel und dieses sich immer wieder vor Augen zu führen. Warum will man das machen.? Ich habe zum Beispiel gerne Lieder zu Geburtstagen verschenkt und habe dann die rechtzeitig und für mich gut klingend fertiggestellt. Und mit der Zeit wurde ich dadurch (auch) besser.
Meine Tochter singt im Chor. Auf ein Instrument habe ich selber bei meinen Kindern irgendwie noch keine Lust. Sie geht dort gern hin, obwohl es auch Tage gibt, wo das anders ist.
Alles Liebe wünscht dir Pamela vom pamelopee-Blog
P.S.: Ich lade dich und deine LeserInnen ganz herzlich zu meiner aktuellen Verlosung im Blog bei mir ein!
Ich finde, ihr habt das genau richtig gemacht: Die Kinder das erlernen lassen worauf sie Lust haben. Dass sie dabei bleiben, die Garantie gibt es nie, aber es kann auch eine Liebe fürs Lebens ein. Ich habe mit 12 oder so angefangen Schlagzueg zu lernen und spiele nach 27 Jahren immernoch. Meine Schwester wollte irgendwo zwischen Kind und Teenager unbedingt Cello lernen, weil sie bei einer Schulaufführung von einer Mädchen-Combo mit Cellos so beeindruckt war. Auf das Üben hatte sie jedoch keinen Bock und nach wenigen Jahren wieder aufgegeben.
Auf keinen Fall würde ich meine Tochter (die jetzt etwas über 1 1/2 ist) versuchen, auf biegen und brechen zum Schlagzueg, zur Gitarre oder überhaupt zur Musik zu drängen. Wenn sie später null Interesse an Musik hat, dafür an Hockey oder Physik oder Ausdruckstanz – okay für mich. Hauptsache ein Kind HAT Hobbies. Ich bin mir nur noch nicht ganz sicher, ob ich E-Sports als Hobby akzeptieren werde, sollte sie eine Gamerin werden ….
Sehr guter Artikel! Allerdings finde ich es verwirrend und schade, dass in der Überschrift die Eingangsfrage gestellt wird: „Geht auch Triangel?“ (quasi als Synonym für ein eher einfacheres Instrument), die Frage dann im Verlauf des Artikels aber überhaupt nicht konkret beantwortet wird. Man kann es m,E. nur so herleiten: „Kein Kind MUSS ein Instrument lernen. Aber wenn es ab und zu mal die Triangel in die Hand nehmen möchte – warum nicht?“ Liege ich hier richtig?