Bullying in der Grundschule? Jetzt schon? Meine Tochter Constanze hat Lästern, Bullying, Ausgrenzen etc. noch nicht wirklich kennengelernt. Im Kindergarten hat vielleicht mal jemand gesagt: „Du darfst nicht mitspielen“ oder „Meine Elsa-Brotbox ist schöner als Deine, bäbäbäbä.“ Aber das war es auch schon. Umso bestürzter war ich, als sie mir kürzlich ein Pausenhofgespräch aus der Schule erzählt hat….
Bullying in der Grundschule? Geht das jetzt schon los?
Constanze fiel mir nachmittags weinend in die Arme.
„Mama, kann ich meinen Pickel wegmachen? Der ist so hässlich!“
Ich schaue das perfekte Gesicht meiner Tochter an. Kein Pickel weit und breit.
„Welcher Pickel denn, Schatz?“
Meine Tochter hört kurz auf zu weinen und zeigt auf ihr Muttermal.
„Das da, das soll weg. Das hat sonst keiner!“
Constanze hat seit ihrer Geburt das perfekt positionierte Muttermal im rechten oberen Mundwinkel. Drei Minuten nach ihrer Geburt war es schon da und seitdem bewundern und lieben wir es.
„Aber warum denn Schatz, das ist doch Dein Muttermal.“
„Die Julia hat gesagt, das wäre ein Pickel. Und der wäre hässlich.“ Constanze ist am Boden zerstört und ich weiß nicht, ob ich mitheulen soll oder vor Wut meine Kaffeetasse an die Wand schmeißen.
Julia ist ihre sechsjährige Klassenkameradin und sagt….sowas?
„Das ist hässlich.“ Warum man Bullying im Keim ersticken sollte
Ich lasse alles stehen und streiche unsere Pläne für den Nachmittag. Das hier ist wichtig. Wie meine Tochter über sich selbst denkt, dass sie sich so annimmt wie sie ist, egal was andere so blubbern. Das ist mir enorm wichtig.
Mit dem Muttermal könnte Constanze sowieso glatt als Cindy Crawfords Tochter durchgehen. (Was mich ja MINDESTENS zu Cindys Cousine macht…oder so.) Aber viel wichtiger ist ja: So etwas würde sie niemals zu anderen sagen. Sie versteht so ein Verhalten einfach nicht.
Man darf Verletzung zeigen und : „Du bist schön und stark“
„Du bist sehr hübsch, mein Schatz. Dein Muttermal passt da perfekt hin und das macht Deinen Mund besonders schön. “
Ein zaghaftes Lächeln von Constanze, so ganz glaubt sie mir das aber noch nicht.
„Nicht jeder hat das, das ist etwas besonderes.“
„Wirklich?“
Ich erkläre meiner Tochter, dass man zu jemandem hingehen und eine Entschuldigung verlangen kann. Meine Eltern haben in solchen Situationen immer gesagt: „Ach, lass die doch. Vergiss es wieder. Ist doch nicht so wichtig.“ Ich war in der Schule jahrelang damit beschäftigt, den anderen Kindern nicht zu zeigen, wenn ich verletzt war.
Tatsächlich kann aber eine solche Bemerkung echt verletzen. Ich möchte meiner Tochter beibringen, dass ihre Gefühle richtig sind und sie dazu stehen darf. Dafür braucht es Mut, denn man zeigt ja seine Verletzung.
„Geh hin und sage ihr, dass Du traurig warst und Du eine Entschuldigung willst.“
Cindy Crawford und ihre heimliche deutsche Verwandtschaft
Man weiß als Mutter ja aber nie, ob so etwas ankommt. Habe ich das richtig rübergebracht? Hat Constanze das verinnerlicht? Traut sie sich, das Mädchen nochmal anzusprechen? Das ist viel verlangt von einem sechsjährigen Kind.
Den Rest des Nachmittages schaue ich mit meiner Tochter Cindy Crawford in allen Lebenslagen im Internet an und wir sehen, dass so ein Muttermal echt gut zu Levis 501 oder zu Pepsi Cola-Dosen aussieht. Dem Internet sei dank finden wir auch noch ein Interview, indem Cindy darüber spricht wegen ihres „Pickels“ in der Schule gehänselt worden zu sein.
Cindy, we hear ya!
Am nächsten Tag kommt mir Constanze beim Abholen freudestrahlend entgegen. Ich frage sie sofort, ob sie das Mädchen nochmal angesprochen hat.
„Ja, ich habe ihr gesagt, dass ich traurig war und mein Muttermal kein Pickel ist.“
„Und was hat sie gesagt?“
„Sie hat gesagt, sie würde sich halt manchmal versprechen und ihr tut es leid.“
Kinder ernst nehmen und gegen Bullying schützen
Lesson learned. Auf so vielen Ebenen. Wir dürfen unseren Kindern beibringen, dass sie ihre Gefühle zeigen dürfen. Wir dürfen sie stark machen, damit sie ihre eigenen Grenzen kennenlernen. Gefühle zeigen ist mutig. Sich entschuldigen ist es aber genauso! Menschliche Größe gibt es auch schon bei kleinen Kindern und ich freue mich für alle Beteiligten über diese tolle Lösung.
Mir ist aber auch klar: Ich werde Constanze nicht immer vor Bullying oder den täglichen blöden Kommentaren auf dem Schulhof schützen können. Nicht jedes Mädchen (und Junge) wird zu jeder Zeit so super reagieren wie Julia. Aber vielleicht wird meine Tochter sich ja zukünftig trauen zu sagen: „Nein, so redest Du nicht mir. Weil ich es nicht will.“ Oder sich an das tolle Gefühl erinnern, sich selbst geholfen zu haben und eine Grenze gesetzt zu haben.
Wie redet Ihr mit euren Kids über Bullying?
Fotos: Klitzekleine Fotografie
11 Kommentare
Ich musste das leider letzte Woche aus der anderen Perspektive heraus erleben. Mein Sohn (10) wurde neben eine Mitschülerin gesetzt, was er nicht wollte. Als sie ihn ansprach nannte er sie „Pickelgesicht“. Ich habe nur davon erfahren, weil das Mädchen ihm abends eine Whatsapp schrieb, als das Telefon schon eingezogen war und neben mir auf dem Tisch lag. Sie schrieb, dass sie sein Kommentar sehr verletzt habe und dass sie nichts für ihre Haut könne und darunter so schon genug leide. Und dass sie auch nicht neben ihn gesetzt werden wolle aber nun ist es eben so und da könnten sie sich doch genauso gut auch unterstützen. Das fand ich so unglaublich mutig und schön dass mir die Tränen kamen. Ich habe mit meinem Sohn lange darüber geredet und ich glaube ihm, dass er das wirklich nur so in seiner ersten Wut daher gesagt hat. Er hat sich per Whatsapp und auch nochmal persönlich bei ihr entschuldigt. Aber werde ich genug Einfluss auf ihn haben, dass er solche blöden Sachen künftig nicht mehr sagt? Wird er selbst auch irgendwann mal verletzt werden? Und wird er dann den Mut haben, so toll zu reagieren, wie seine Mitschülerin das getan hat?
Danke, dass Du das hier teilst. Ja, das ist mutig aber „Entschuldigung“ sagen ist es eben auch. Wir lernen ja aus unseren Fehlern am meisten, oder? LG Nina
In der 6. Schulstufe wurde unsere Klasse komplett neu zusammengestellt und auch Mädchen aus dem Nachbarort gingen plötzlich mit uns zur Schule. Ich wurde neben ein mir fremdes, schüchternes Mädchen gesetzt und ließ mich zuhause bei meinen Eltern lautstark darüber aus, wie doof ich das fände. Meine Mutter fragte mich nach dem Grund und ich konnte ihr nur den nennen, dass die anderen Mädchen aus dem Nachbarort meine neue Sitznachbarin komisch fänden. Meine Mutter sagte nur zu mir: „Wenn ich du wäre, würde ich ihr eine Chance geben. Wer weiß, warum die anderen das sagen. Vielleicht ist sie ja ganz normal und nur schüchtern und die anderen sind die unnormalen. Stell dir mal vor, wie du dich fühlen würdest, wenn alle anderen dich komisch fänden.“ Am nächsten Tag bemühte ich mich, das Mädchen in unsere Clique zu integrieren, auch anderen begannen sich für sie zu interessieren und wir beide wurden Freundinnen. Im Nachhinein habe ich verstanden, warum die Klassenlehrerin wohl ausgerechnet mich als neue Banknachbarin für das Mädchen ausgewählt hatte. Die Worte meiner Mutter werde ich sicherlich nie vergessen.
wow Monika, das ist ja toll. Und Mütter sagen ja so oft wahre Sachen;) lg nina
Bumm, finde, du und deine Kleine, ihr habt das super gelöst. Es fordert ja auch Einiges an Mut, das anzusprechen, und wer weiß, wie es ausgeht! Finde es unheimlich wichtig, den Kindern beizubringen, wie sie mit solchen Bemerkungen umgehen können. Und noch besser, dass auch das Feedback gut gepasst hat!
dankeschön!
Meine Tochter kämpft mit solchen Situationen seit dem letzten Kindergarten Jahr. Da fing eine eigentlich gute Freundin an sie ständig vor allen schlecht zu machen. Es verging kein Tag wo meine Tochter nicht bedrückt nach Hause kam und erzählte, dass dieses Mädchen ihre Kleidung hässlich finde, ihre Bilder hässlich und das sie bescheuert sei. Zudem wendeten sich zwei andere Mädchen mit gegen sie, mit denen sie vorher auch oft zusammen gespielt hat.
Seitdem rede ich ihr immer wieder gut zu und bestärke sie soweit ich kann. Es gibt Tage da ist ihr das auch völlig egal und es gibt Tage wo sie Bauchweh hat und nicht in die Schule möchte. Die Schule ist seit dem ersten Tag (sie kommt dieses Jahr in die 4.Klasse) ein Kampf. Nicht der Stoff macht ihr Probleme – das Zwischenmenschliche. Leider mit einer Lehrerin die zwar ganz nett ist, aber meiner Meinung nach pädagogisch noch in den 80ern hängt. Gespräche führen oft zu nichts.
Ich finde es oft sehr traurig wie Kinder miteinander umgehen und bin sicher, wenn jedes Kind zu Hause offen pber seine Gefühle reden dürfte, dann kämen manche Situationen nicht zu Stande.
LG Ela
Tatsächlich sollte man in der Schule viel öfters darüber reden „wie man miteinander redet“. Ich kann mich immer noch an solche Situationen aus der Schulzeit erinnern und wie alleine ich oft damit war. lg
Danke für diese Geschichte und den Lösungsansatz!
sehr gerne!
Ich stimme zu, ihr beiden habt das super gelöst. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Geschichte als Referenz für das Thema Bullying taugt (wie hieß das denn früher eigentlich? Hänseln? Ärgern? Fertigmachen?).
Und zwar einfach wegen dem Alter der Kinder. Je jünger das Kind, desto hemmungsloser und ungefilterter wird die Welt kommentiert. Vor allem unreflektiert, ohne Absicht zu verletzen und ohne die Wirkung beim anderen einschätzen zu können. Ich erinnere mich noch gut daran, als vor langer langer Zeit (ja, erschrecken langer) meine jüngere Schwester (damals 4 J. oder so) an der Kasse im Supermarkt bei der Kassiererin einen Leberfleck mit ein paar recht langen Haaren entdeckte und laut zu meiner Mutter sagte: „Gell Mama, du hast keine Haarpickel?“
Bullying wirds meiner Meinung nach erst dann, wenn die Kinder alt genug sind, um ganz bewusst zu verletzen. Oder ist das mit sechs schon der Fall? Meine Tochter ist erst 1 1/2 und meine Erinnerung reicht so weit nicht zurück 😉