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Streiten lernen: Das Kinderbuch „Bei Stella und Tom fliegen die Fetzen“

25. November 2020

Als Einzelkind wuchs ich früher mit relativ wenig Streit auf, zumindest nicht unter Geschwistern. Klar, die üblichen Konflikte in der Klasse und auf dem Schulhof blieben mir nicht erspart. Zu Hause war es aber relativ ruhig und harmonisch. So war ich, als ich Mutter wurde, ganz schön überrascht, wie heftig und vor allem laut sich unsere Kinder fetzen können- und über welche Themen. Streiten ist nicht unbedingt etwas Schlechtes- man lernt dabei Selbstbehauptung und Durchsetzungsfähigkeit. Wir stellen Euch heute ein tolles Buch zum Thema vor: „Bei Stella und Tom fliegen die Fetzen“ von Dr. Christian Lüdke.

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“ Die hat “Doofi” gesagt.”

“Der guckt immer so.”

“Menno, die durfte viel länger fernsehen als ich.”

„Der hat mehr Pudding bekommen als ich.“

Uff….Was für uns Eltern oft anstrengend ist und gerade jetzt im Lockdown eine echte nervliche Prüfung- dieses Streiten ist aber sehr wichtig für die Entwicklung der Konfliktfähigkeit der Kinder. Ich stelle euch heute das großartige Buch „Bei Stella und Tom fliegen die Fetzen“ von Christian Lüdke vor, das im medhochzwei Verlag erschienen ist. Der Kinder- und Jugendtherapeut hat mit  „Stella und Tom“ eine Buchreihe geschaffen, die Kindern erklärt, wie sie mit unangenehmen Emotionen wie Wut, Ärger und auch Angst umgehen können.

Ein Kinderbuch zum Thema Streit

„Bei Stella und Tom fliegen die Fetzen“ ist ein wunderschön gestaltetes Kinderbuch mit ansprechenden Illustrationen von Saskia Gaymann. An einem sehr harmonischen Tag bei uns zu Hause hat der Bruder seiner Schwester sogar aus dem Buch vorgelesen! Mir gefällt gut, dass die Geschichten der Lebenswelt der Kinder so gut entsprechen, sie handeln beispielsweise vom Elternsprech- oder Wandertag. Man kann sich als Kind gut mit den Situationen identifizieren, weil man sie selbst schon so oft erlebt hat. Der Tochter hat die Geschichte besonders gut gefallen, weil sie wie Stella im Buch auch einen sehr guten Freund in der Nachbarschaft hat, mit dem sie sich streitet- und dann auch wieder veträgt.

Ein interessanter Kunstgriff des Autors sind auch die „Bad Cop /Good Cop“- Figuren Mops Mampfred und Fuzzi, der Floh, die verschiedene Positionen eines Streits  verdeutlichen. Mir ist aufgefallen, dass im Buch dem Thema Streit und Konflikt die Schwere genommen wird. Jedes Kapitel beginnt mit dem Satz „Ich bin gerade über etwas sehr glücklich“. Am Ende jedes Kapitels werden den (kleinen) Lesern Fragen gestellt und so kommt man insbesondere beim Vorlesen gut ins Gespräch über die verschiedenen Streitsituationen. Das gefällt mir sehr gut, denn Konflikte gehören ja nun mal zum normalen Alltag dazu.

Im letzten Teil des Buches gibt der Autor (und Psychotherapeut) Eltern wirklich nützliche Hinweise zum Thema Streit und Versöhnung, unter anderem warum der Grundsatz „Der Klügere gibt nach“ sinnlos ist. Diese 12 goldenen Regeln für das „miteinander Streiten“ sind super und auch für Erwachsene sehr nützlich!

Warum ist Streiten lernen so wichtig, Herr Lüdke?

Ich habe Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeut Dr. Christian Lüdke, der übrigens lange auch SEK-Kräfte der Polizei ausgebildet hat, zu seinem Buch und seiner psychotherapeutischen Arbeit interviewt.

Streit und Konflikte verstehen lernen

Eltern sind oft gestresst, wenn Kinder streiten und wollen eigentlich möglichst schnell wieder Ruhe. Ist das die richtige Strategie?
Oft wollen die Eltern bei Streits der Kinder möglichst schnell wieder Harmonie, ihre Ruhe haben. Das finde ich aber nicht die richtige Strategie. Für Kinder ist es eine wichtige Erfahrung, dass sie sich streiten können. Beim Streiten geht es ja darum, die eigene Meinung zu behaupten, einen Standpnkt zu vertreten, sich gegen den anderen/die andere durchzusetzen, auch um stark, widerstandsfähiger und letztendlich selbstsicherer zu werden. Das Miteinander streiten ist dabei wichtig.
Sollte man sich als Erwachsener überhaupt einmischen?
Nein, man sollte sich nicht einmischen. Eine Ausnahme ist, wenn es sich nicht um ein „miteinander streiten, sondern ein „gegeneinander streiten ist“. Bevor es blaue Augen und eine blutige Nase gibt, sollten Eltern natürlich einschreiten. Aber auch wenn es verbal sehr heftig wird, sollte man sich nicht einmischen.
Warum ist das Streiten bzw. Konflikte auszutragen so wichtig zu lernen? Was hat das zum Beispiel mit Schutz vor Mobbing zu tun?
In vielen Familien herrscht die falsche Meinung vor, dass Harmonie um jeden Preis besser ist als Streit. Das soll natürlich keine Aufforderung sein, sich permament zu streiten. Aber: Streit muss nicht immer vermieden werden, Streit gehört zum Alltagsleben dazu, in jeder Partnerschaft, in jeder Familie. Je früher Kinder es lernen, mit Streit umzugehen, desto leichter fällt es Ihnen, selbstbewusst zu sein und ihren Standpunkt zu vertreten. Neben den verbalen Fähigkeiten (mit Worten zu streiten) lernen Kinder insbesondere auch, eigene Grenzen zu finden und die auch anderen aufzuzeigen. Je früher das passiert, desto besser läuft die gesamte Persönlichkeitsentwicklung ab.
Beim Schutz vor Mobbing geht es darum, sich nicht alles gefallen zu lassen, eigene Interessen zu vertreten gegen den Widerstand anderer. Streit ist also eine wichtige Voraussetzung, überhaupt Entschlossenheit und einen „“Wehrwillen“ zu entwickeln. Beim Streiten lernt man auch Respekt.
Im Buch gibt es ja Streitregeln für Kinder. Welche Tools geben Sie Kindern an die Hand, die durch Streit und Konflikte in Ihrem Umfeld belastet sind?
Jeder Streit sollte am Ende idealerweise mit einer Versöhnung enden. Das machen natürlich auch Tom und Stella in meinem Buch und die beiden schaffen das dadurch, dass sie sich am Ende vertragen. Sie verzichten darauf sich zu rächen, sie hören einander zu und erweisen sich Respekt, indem sie den anderen ausreden lassen. So finden sie am Ende eine gemeinsame Lösung. Übrigens nicht unbedingt, indem man sich entschuldigt. Man hat ja nichts falsch gemacht. Sie trennen Person und Verhalten, zu sagen „Ich mag Dich, aber was Du gesagt hast, hat mich verletzt.“ Am Ende wird die Freundschaft intensiver und besser.
Gibt es bei Erwachsenen eigentlich weniger Streit oder hat man nur gelernt, Konflikte besser zu vermeiden?
Erwachsene streiten sich auch sehr oft. Sie haben natürlich schon länger gelernt, mit Konflikten umzugehen. Das „menschliche Frühwarnsystem“ ist besser ausgebildet. Zu spüren, „das eskaliert jetzt“. Erwachsene können ihr Verhalten besser reflektieren und sind kommunikativ stärker. Bei Konflikten sind sie aber genauso emotional wie Kinder.
Ich habe gelesen, dass Sie u.a SEK -Kräfte psychologisch ausbilden. Verraten Sie uns eine Technik zur Deeskalation, die wir auch anwenden können?
Ich habe über 10 Jahre lang die psychologische Ausbildung von Sondereinsatzkommandos der Polizei geleitet. Das ist natürlich eine ganz andere Liga des Streits. Ein wichtiges Thema ist hier natürlich die Deeskalation, was man aber auf andere Streitsituationen anwenden kann. Ich muss mit dem Menschen, mit dem ich nicht einer Meinung bin (im Falle von SEK-Kräften teilweise ja Gewalttäter), in Kontakt treten und bleiben. Wenn ich es schaffe eine Beziehungsebene herzustellen, ist das ein wichtiger Bestandteil der Deeskalation. Es geht darum miteinander zu sprechen.
So lange ich rede (auch wenn es laut ist) passiert erstmal weiter nichts Schlimmes. Es geht auch um Fragen stellen. Zum Beispiel „Was müsste denn geschehen, damit Du Dich nicht so aufregst?“ Deeskalation hat aber auch enorm viel mit Selbststeuerung zu tun. Das eigene Verhalten erst zu steuern und zu korrigieren, das lernen SEKs als erstes. Das kann man auch auf den privaten Bereich übertragen, ganz salopp gesagt: Sich erst einmal selbst an die eigene Nase fassen. „Was ist mein Anteil?“
„Warum bringt mich da so auf die Palme?“ Das für sich selbst zu reflektieren und wenn das klar ist, kann man reingehen in den Konflikt und behauptet dann seinen Standpunkt besser, ohne den anderen zu zerstören.

 

 

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