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#gemeckerfrei: Warum Erziehung nicht funktioniert und die Beziehung so viel wichtiger ist

29. Juni 2021

(Anzeige) Kürzlich sprach ich mit einem Freund, der Vater ist darüber, dass wir wohl die erste reflektierte Eltern-Generation sind. Wir sind die Ersten, die auch das Privileg haben, darüber nachzudenken, wie wir als Mutter oder Vater sein wollen und welche Beziehung wir uns zu unseren Kindern wünschen. Ziemlich schnell müssen sich Eltern fragen, wie sie das Zusammenleben mit den Kindern gestalten wollen. Das geht im Babyalter los mit der Frage nach Schlafprogrammen und hört sicher nicht mit Diskussionen in der Pubertät auf, wie lange man wegbleiben darf. Immer wieder müssen wir Fragen der Erziehung überdenken und dürfen tatsächlich unseren eigenen Weg in der Familie finden.

Trotzdem läuft es ja phasenweise nicht so rund in der Familie und wir können Hilfe wirklich gut gebrauchen.  Mir fällt auf, dass wir in schwierigen Phasen in einer Meckerspirale sind. Die Eltern meckern die Kinder an, die Eltern meckern sich gegenseitig an, die Kinder nölen zurück und streiten untereinander.  Es ist richtig schwer, da manchmal wieder herauszukommen.  Die Familien-Coaches und Inhaber des Podcastes „Der Elternpodcast“ Uli und Bernd Bott, die selbst seit über 20 Jahren Eltern sind und bereits mehrere Fachbücher geschrieben haben, legen mit „#gemeckerfrei Warum Erziehung nicht funktioniert und wie wir die Eltern sein können, die wir sein wollen“ ein einfühlsames Buch für Eltern vor, die mit den traditionellen Erziehungsmethoden unzufrieden sind und neue Wege in der Beziehungsarbeit mit ihren Kindern gehen wollen.

Mir gefällt, dass die beiden Autoren offen und ehrlich und vor allem jeweils aus Mutter-und Vaterperspektive schreiben. Eigene Fehler und Unsicherheiten werden in Rückblicken thematisiert und man wird als Eltern sehr gut abgeholt. Schon beim Lesen wurde ich gelassener, da mir hier keine Experten mit erhobenem Zeigefinger erklären wollen, wie das geht mit dem Elternsein. Die Coaching-Praxis der Autoren ist in diesem Zusammenhang sicher von Vorteil. Uli und Bernd stellen in ihrem Buch Selbstfürsorge und die Partnerschaft der Eltern als gesunde Basis für die Familie dar, es geht um die Bedürfnisse aller Familienmitglieder.

»Niemand hat Kinder bekommen, um sich mit ihnen zu ›streiten‹. Wir alle sind Eltern geworden um Familie zu leben: fröhlich, liebevoll, gemeinsam.« Dieses Motto der Autoren hat mich sehr angesprochen. Gerade für die Pubertät bei unserem Sohn wünsche ich mir einen anderen, wertschätzenderen Familienzusammenhalt, als ich das früher erlebt habe.

Ich habe mit Uli  und Bernd Bott über ihr Buch und ihren Ansatz für ein meckerfreies, gleichwürdiges Familienleben gesprochen.

#gemeckerfrei Warum Erziehung nicht funktioniert und wie wir die Eltern sein können, die wir sein wollen: Wie geht das?

Warum funktioniert Erziehung nach Euer Meinung nicht?

Der Erziehungsbegriff an sich basiert auf einer hierarchischen Eltern-Kind-Beziehung und damit auf einem veralteten Gesellschaftsbild. Sobald wir versuchen unsere Kinder zu erziehen, müssen wir Macht ausüben. Weil der Begriff Erziehung bedeutet, dass es den “Erziehenden” gibt, der dem “zu Erziehenden” überlegen ist. Dies macht Kinder zum Objekt und sie nehmen sich dann nicht als selbstbestimmt sondern als fremdbestimmt war und werden dies in ihrem eigenen Umfeld – also mit Geschwistern und anderen Kindern – genauso weitergeben. Um unsere Gesellschaft sozial weiterzuentwickeln, müssen wir unseren Kindern heute etwas anderes mitgeben: sie müssen sich als Subjekt erfahren dürfen, als Gestalter ihres eigenen Lebens.

Dazu taugt das, was wir heute “Erziehung” nennen nicht. Vielmehr brauchen wir ein gleichwürdiges Miteinander auf Augenhöhe. Damit ist auch festgelegt, dass es nicht um laissez- faire oder antiautoritäre Erziehung geht. Das wird oft missverstanden, deshalb erwähnen wir es hier. Vielmehr müssen die Bedürfnisse aller Beteiligten gleichberechtigt nebeneinander stehen und wir alle tragen gemeinsam zum Gelingen unseres Alltags bei. Ohne Druck und Zwang sondern voller Liebe, in dem Wissen, dass eine Gemeinschaft – also eine Familie – immer nur so stark ist, wie ihr schwächstes Glied. Je mehr wir uns gegenseitig gut tun, desto besser funktioniert unser Familiensystem.

Wir denken oft, dass wir unsere Kinder erziehen sollten, damit sie später erfolgreich im Leben sind. Warum ist das ein Irrglaube und was könnte stattdessen besser funktionieren?

Wir sind davon überzeugt, dass wir unsere Kinder nicht großziehen oder erziehen können. Sie sollen ja keine Kopie von uns selbst werden. Auf den Punkt gebracht: Lass deine Kinder ein großes ICH werden, kein kleines Du. Denn dich gibt es ja schon. Und gesellschaftliche Weiterentwicklung ist nur möglich, wenn wir unseren Kindern erlauben über uns hinauszuwachsen. Dazu müssen wir sie wachsen lassen, Vertrauen haben und aushalten, dass sie ihren Weg gehen. Gleichzeitig können wir ruhig werden. Denn es gibt drei Lernstrategien, die uns allen angeboren sind und die auch unsere Kinder nutzen: nachahmen, wiederholen, variieren. Das bedeutet, dass wir als Vorbild total wichtig sind und unsere Kinder sich gerne an uns orientieren. Aber eben nicht in dem wir sagen: “Sag DANKE”, sondern in dem wir Dankbarkeit leben und vertrauen, dass unsere Kinder uns damit imitieren werden.

Wir wissen aus wissenschaftlichen und empirischen Studien, dass wir Menschen mit allen sozialen und menschlichen Eigenschaften zur Welt kommen und dass es im Laufe der Kindheit nur darauf ankommt, dass diese Eigenschaften nicht verschüttet werden. Wer in der heutigen Welt sozial und menschlich ist, wird sowieso erfolgreich sein. Denn Menschen mögen Menschen, die menschlich sind. Wenn wir auch mal wieder an diesem Weg gezweifelt haben, hat uns immer und immer wieder der Satz von Karl Valentin geholfen: „Wir können unsere Kinder nicht erziehen, sie machen uns sowieso alles nach.“ In der Folge haben wir die Verhaltensweisen und Eigenschaften, die wir uns für unsere Kinder gewünscht haben, selbst in uns gestärkt und vertraut, dass das ausreicht. Und unsere eigenen Kinder geben  uns recht damit.

 

 

Warum ist die Qualität der Eltern-Kind-Beziehung entscheidend?

Wir sind einfach davon überzeugt, dass das Wichtigste in jedem Moment die Beziehung ist, die wir zu unseren Kindern haben. Denn das Kind wird sich nicht daran erinnern, ob es etwas mit drei oder vier Jahren gelernt hat. Aber es wird sich unbewusst erinnern, ob es sich geliebt gefühlt hat oder nicht. Und es ist das Eine zu sagen, dass wir unsere Kinder lieben. Es wirklich zu leben ist was ganz anderes. Denn das bedeutet, dass wir darauf verzichten, unseren Unmut an unseren Kindern auszulassen und zu “Monstern” zu werden, in dem wir sie kritisieren oder herabsetzen, anmeckern oder schimpfen.

Keine Hausaufgaben, kein aufgeräumtes Zimmer, keine gesunde Ernährung kann wichtiger sein als das Gefühl bedingungslos geliebt zu werden. Und das kultiviere und erhalte ich als Mama oder Papa, wenn ich die Beziehung in jedem Moment an die erste Stelle setze. Das dient dem Kind aber auch uns als Eltern. Denn niemand von uns hat Kinder bekommen, um sich mit ihnen zu streiten. Wir alle sind doch Eltern geworden, um Familie zu leben. Voller Freude und Liebe. Jetzt gilt es dieses Ziel im Alltagstrubel nicht aus den Augen zu verlieren und das eigene Herz für die eigenen Kinder immer weiter zu öffnen und dadurch auch selbst wieder zu heilen.

Uli, Du sprichst (mütterlichen) Perfektionismus an. Warum schadet uns das?

Leistungsdruck unter Müttern bis hin zum Mom-Shaming ist einer der besten Wege, sich den Alltag zu verderben. Wir Mamas sind quasi perfekt darin, den Fehler zu suchen, uns zu vergleichen und immer wieder das halbleere Glas zu sehen. Wir übersehen, dass Mama zu sein die größte Chance auf persönliche Weiterentwicklung ist. Dass wir davon keine Ahnung haben, weil uns jedes Kind auf seine ganz eigene Art und Weise herausfordert und dass es eben nicht den einen Weg gibt, der für alle Kinder und alle Eltern funktioniert. Trotzdem versuchen wir, uns in Raster zu pressen und bestimmten Erwartungen und Vorstellungen zu genügen.

Wir kultivieren damit unser eigenes Minderwertigkeitsgefühl und unsere Kinder machen uns genau das nach: setzen sich unter Druck und stellen sich in Frage anstatt dass sie ein stabiles Selbstwertgefühl entwickeln. Wenn wir also wollen – und ich glaube das wollen alle Mamas – dass unsere Kinder selbstbewusst werden, dann müssen wir aufhören an uns zu zweifeln, uns selbst unter Druck zu setzen und perfekt sein zu wollen. Wenn wir anfangen unser Leben auf unsere eigene Weise zu leben und uns in uns selbst hinein entspannen wird es leicht. Dann können wir uns selbst die Liebe schenken, die wir bisher erfolglos im Außen gesucht haben und innerlich ruhig werden. Dann entspannen sich auch die Kids und der Alltag wird leichter.

Ihr sprecht im Buch auch vom „inneren Kind“ der Eltern. Warum sitzt unsere eigene Kindheit quasi immer mit am Tisch?

Wir Eltern sind ja auch nur große Kinder. Die oft nicht so geliebt wurden, wie sie es sich gewünscht hätten. Die verglichen wurden, Leistungsdruck erlebt haben oder emotionale Kälte, Autorität durch die Eltern oder einfach herabwürdigendes Verhalten. Man denke nur an Sätze wie “Das Leben ist kein Ponyhof!” oder “Stell dich nicht so an, das hat noch keinem geschadet!” Da geht es nicht darum unseren Eltern den schwarzen Peter zuzuschieben, denn auch sie haben ihr Bestes gegeben. Aber ihr Verhalten hat uns geprägt.  Wenn wir selbst Eltern werden, haben wir im Endeffekt ja keinen Schimmer, wie die Nummer mit den Kindern funktioniert. Das einzige, an das wir uns erinnern, ist unsere eigene Kindheit.

Mit all den schönen Momenten und all den Verletzungen, die wir bewusst oder unbewusst erlitten haben. Dann versuchen wir unsere Kinder vor den Erfahrungen, die schmerzhaft waren zu beschützen und viele von uns versuchen unbewusst durch ihre Kinder die eigene Kindheit – und vor allem all das was wir selbst nicht durften – durch unsere Kinder neu zu erleben. Da kann man beispielsweise an Eltern denken, denen es total wichtig ist, dass das Kind ein Instrument lernt, weil sie es nicht durften. Oder reiten, Freunde zum Übernachten mitbringen…

Viele Eltern haben mit ihrer eigenen Geschichte noch keinen Frieden geschlossen – sie wissen nur, wie sie auf gar keinen Fall reagieren wollen und in Stresssituationen bricht dann genau dieses Verhalten aus ihnen heraus.

Thema „meckern“. Das passiert mir gerade jetzt im Lockdown total oft, ich mag mich selbst dabei nicht und es hat auch keine Wirkung. Warum meckern Eltern eigentlich so viel?

Was für uns der entscheidende Schlüssel war: Meckern im Außen ist immer die Folge von innerem Gemecker. Also wenn es aus dir herausbricht, hast du wahrscheinlich auch schon eine Zeitlang davor hart und meckerig mit dir selbst gesprochen. Manche von uns bemerken diese innere Stimme, für andere ist sie so unbewusst, dass sie sie erst kennen lernen müssen. Für uns gilt: es ist nicht normal sich selbst zu kritisieren. Es ist nicht normal, die ganze Zeit Gedanken zu denken wie: Ich bin doch zu doof, ich kann das nicht, das ist so blöd/schwer/anstrengend…

Unser schärfster Kritiker sitzt zwischen unseren eigenen Ohren. Und gerade jetzt in dieser Ausnahmesituation sind viele Eltern extrem gestresst. Je gestresster wir sind, um so mehr kommen die unbewusst trainierten Verhaltensmuster auf die Bühne. Weil wir uns selbst schlechter regulieren können. Und dann geraten wir in den Mecker-Teufelskreis: Wir kritisieren uns selbst, daraus wird Gemecker, das Kind meckert zurück, wir fühlen uns noch schlechter, kritisieren uns – oder andere- noch mehr, meckern lauter…

Euer Konzept klingt sehr schön und erstrebenswert. Gerade jetzt in der Corona-Zeit gibt es bei vielen Familien Streit und das häufig und auch mal heftig. Wie kann #gemeckerfrei gerade jetzt klappen?

In dem wir uns darauf fokussieren, was wirklich wichtig ist. Und für uns war zu Beginn der Pandemie schon absolut klar, dass wir uns wünschen, dass unsere Kinder diese Zeit als eine Phase in Erinnerung behalten, in der wir als Familie Spaß miteinander hatten. Und wir haben alle to do´s immer und immer wieder hinterfragt. Immer und immer wieder Druck rausgenommen. Sei es, was schulische Aufgaben angeht oder auch gemeinsame Aktivitäten. Denn wenn wir schon die ganze Zeit aufeinander sitzen ist es doch nachvollziehbar, dass nicht jedes Kind den ganzen Sonntag mit uns wandern oder Spiele spielen will, sondern vielleicht auch froh ist, wenn es mal paar Stunden das Zuhause für sich hat. Also immer und immer wieder fragen: Was würde die Liebe tun? Und wie können wir den Alltag gestalten, dass sich alle Familienmitglieder so wohl wie möglich fühlen. Wie geht’s, dass wir auch jetzt die Beziehungen untereinander an die erste Stelle setzen und miteinander entspannt bleiben. Also Druck rausnehmen.

Für uns ist auch klar, dass diese Zeit eine immense Chance ist. Denn die Pandemie legt quasi die Lupe auf ein Familiensystem und macht deutlich, was schon davor nicht rund gelaufen ist, wir uns aber aus dem Weg gehen konnten. Jetzt geht das nicht mehr. Jetzt sind wir miteinander konfrontiert und kommen uns nicht mehr aus. Also eine Riesenchance aus einem “passt schon” wieder ein “großartig” zu machen.

Denn das Leben und insbesondere die Kindheit unserer Kinder ist zu kurz um auf bessere Zeiten zu warten.

Liebe Uli, lieber Bernd. Danke für Eure inspirierende Arbeit und das tolle Buch!

Frau Mutter folgen

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