Meine Kolumnistin Saskia aka Frau Vanderwitz hat wirklich gut lachen: als kinderlose Beobachterin der Erziehungsversuche von Menschen mit Kindern. Meistens kann sie aber eher die Kinder beim Erziehen ihrer Eltern beobachten.
So wie eine Nachfahrin Pippi Langstrumpfs, die sie kürzlich erleben durfte.
Wenn ich es mir genau überlege, bin ich auch ganz gut erzogen- von meinen Kindern. Viel Spaß!
Nein, ich darf nichts sagen, ich weiß. Ich bin ja selbst keine Mutter. Da ist es verpönt, anderer Leute Erziehung zu kritisieren. Zu Recht. Ich kann auch Drogen nicht beurteilen, ohne selbst mit ihnen in den Himmel geflogen zu sein. Oder den Entspannungsstab aus dem Haushaltswarenzubehör-Katalog. Ich kann nicht mitreden, das stimmt.
Wer erzieht hier wen?
Eine Herausforderung ist das vor allem in den Situationen, in denen ich – auch ohne eigenen Nachwuchs zu haben – weiß: Ich dürfte jetzt nicht lachen. Ich müsste streng schauen. Oder zumindest wegschauen. Ich dürfte die Erziehungsversuche fremder Eltern nicht durch einen anerkennenden Blick sabotieren. Obwohl ich wirklich so manchem Kind gratulieren möchte angesichts seiner Fähigkeit, Erwachsene in Schach zu halten. Dazu gehört schon etwas: Mut, jede Menge Kreativität und eine große Klappe. Ich gestehe: Kinder sind manchmal wirklich mein Vorbild.
Spielende Kinder nein, auf dem Handy daddelnde Eltern ja
So auch das kleine Mädchen letztens im Bistro. Wie alt sie wohl war? Wäre ich selbst Mutter, so könnte ich ihr Alter vermutlich auf den Monat genau schätzen, aber für mich ist sie … hüfthoch?
„Ich will spielen!“, ruft die Kleine und ballt die Fäuste.
„Nein, wir essen“, sagt der Vater. Der aber selbst dabei auf seinem Handy herumtippt. Doch das ist natürlich kein Spiel. Erwachsene haben keinen Spaß, wenn sie auf dem Handy herumspielen, das ist immer wahnsinnig ernst und hat mit Liebe, Tod oder dem Finanzamt zu tun.
„Ich will aber spielen!“
„Nein, wir essen jetzt“, sagt der Vater, „und du bist still.“
„Ich kann ja still spielen.“
„Nein, jetzt wird nicht gespielt, jetzt wird gegessen.“
„Es ist aber noch gar kein Essen da.“ Wo sie recht hat, da hat sie recht. Dem klugen Kind ist das nämlich im Gegensatz zu seinem Vater sogar aufgefallen.
Eltern in schlechter Verhandlungsposition
Ich frage mich oft, warum Eltern ihren Kindern Dinge sagen, die faktisch nicht richtig sind. Damit bringen sie sich in eine ganz schlechte Verhandlungsposition.
„Wenn du jetzt nicht ruhig bist, darfst du heute Abend nicht fernsehen!“
„Doch“, sagt sie. Und sieht ihn mit ihren kecken braunen Augen herausfordernd an.
„Nein“, sagt er.
„Ich mache den einfach an.“
„Dann schließe ich den Schrank ab.“
„Ich hole mir einfach den Schlüssel“, ruft sie und macht eine ruckartige Kopfbewegung, bei der ihre zwei Zöpfe nach vorne fliegen. Sie ist offenbar zu allem entschlossen. Ich bewundere das Kind.
„Dann klebe ich den Schlüssel an die Decke, so hoch oben kommst du gar nicht dran.“
„Ach was“, sagt sie daraufhin ganz entspannt, „ich laufe einfach die Wand hoch.“ Und weil das ganz offensichtlich noch nicht genug ist, setzt sie hinzu: „Mit dreckigen Schuhen!“
In “Frau Vanderwitz wundert sich” schreibt Saskia aus der Perspektive einer kinderlosen Frau. Als Katzenmama und begeisterte Tante nimmt sie die Welt der Familien witzig-ironisch unter die Lupe. Saskia schrieb bereits für mehrere Kabarettgruppen, ist poetry slammerin und Autorin. Mit Frau Mutter verbindet sie eine glorreiche, studentische Vergangenheit im Fachbereich “irgendwas mit Medien”.
4 Kommentare
Das muss als Kinderlose/r wirklich manchmal saukomisch ausschauen, was Familien da so treiben. Das liegt an dem Wort ‚Erziehen‘. Das steht auf und in Ratgebern und wird gern benutzt, wenn es darum geht, dass jemand jemand andrem sagen will, wo’s lang geht. Es ist ein sehr dummes Wort, denn mein Chef erzieht mich ja auch nicht, wenn er mir sagt, ich soll dies und jenes bis morgen erledigen. Da würden wir das Wort nie benutzen, obwohl es um ähnliche Hierarchiestrukturen geht. Darum kann man auch so schlecht über Erziehung diskutieren. Erziehung soll Vermittlung von Regeln bedeuten. Das funktioniert schon nicht, wenn man ein Schild für Erwachsene hinstellt auf dem steht, dass ihre Hunde hier nicht hinmachen sollen.
Was aber in den allermeisten Familien passiert ist Auseinandersetzung mit den eigenen und den Wünschen des Gegenübers. Das ist eine Sache ohne klare Machtstrukturen, sondern ein Diskurs – bei dem immer alle mehr oder weniger mitmachen und der ganz eigenen Dynamiken folgt in jeder Familie. Darum steht man als Außenstehender auch daneben und fragt sich, warum das alles so schwammig läuft. Und so lange man das beobachten kann ist eigentlich alles in Ordnung. Wer auf klare Ansagen steht, sollte eine Karriere beim Bund in Erwägung ziehen ;-D
Auf dem Parkplatz vor dem Einkaufszentrum parkte die Tage auch eine kleine Pipi. Sie stieg aus dem Auto ihres Erziehungsberechtigten auf dessen Heckscheibe „Freiwild“ stand aus, bedachte einen Mann, dem dieser Zusammenhang auffiel und sie anstarrte mit funkelndem Blick und zischte ihn an: „Gibt es was zu glotzen“? Der Dumpfbackenvater meinte, sie solle nicht so frech sein. Der Gaffer verzog sich ertappt. Pipi schwieg und genoss ihren Sieg.
Eltern in schlechter Verhandlungsposition…ja, ganz genauso läuft das auch bei uns ab. Gute Argumente haben alle, aber die Kleinen haben einfach die besseren Nerven…
Dieser Artikel ist mal wirklich war, richtig toll sowas, etwas zum Umdenken