Meine Bloggerkollegin Sandra Runge schätze ich sehr. Empathisch, kollegial und blitzgescheit ist sie. Und obwohl sie „was Anständiges“ gelernt hat (Jura), interessiert sie sich auch für Lippenstift. Auf ihrem Blog Smart Mama gibt sie wertvolle Techts-Tipps für arbeitende Mütter.
Kürzlich hat sie ihr erstes und schon viel beachtetes Buch vorgelegt, „Don’t worry, be Mami- Das juristische Standardwerk zu Schwangerschaft, Geburt und Elternsein – mit überlebenswichtigen Tipps und Tricks zu Elterngeld, Elternzeit & Co.“
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Wie mir „Don’t worry, be Mami“ gefallen hat
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen. Besonders, weil Sandra, obwohl im Juristen-Deutsch natürlich bestens bewandert, keinen drögen Rechtsratgeber geschrieben hat. Sie bettet ihre für Laien gut verständlichen Rechtstipps ein in eine Art Entwicklungsroman in der Ich-Erzählperspektive. Es ist eine Geschichte, die viele von uns so oder so ähnlich kennen. Am ersten Tag nach der Elternzeit wird Sandra unter fadenscheinigen Gründen gekündigt. Und auch wie bei so vielen von uns hat das „rock bottom“-Erlebnis Energien ganz ungeahnten Ausmaßes freigesetzt. Sandra setzt sich zur Wehr und findet den für sie passenden Berufsweg, noch dazu wird sie eine eloquente Fürsprecherin der Rechte von arbeitenden Eltern, denn sie berät natürlich auch Väter.
Heute spreche ich mit ihr über die Teilzeitfalle, warum „Familienfreundlichkeit“ oft nur Firmen-PR ist und welche Dinge man vor dem Wiedereinstieg unbedingt erledigen sollte.
In unserem Land haben wir großzügige Mutterschutzrechte, Anspruch auf Elterngeld und Teilzeitregelungen. Warum haben Mütter aber in der Realität so wenig Teilhabe am Berufsleben?
Nach meiner Wahrnehmung lässt sich das insbesondere auf drei Gründe zurückführen:
Arbeitgeber tragen oft zu wenig Verantwortung für Mütter im Job: Böse Überraschungen nach der Elternzeit, das Stigma „Low Performer“, das scheinbar auf unserer Stirn steht, wenn wir aus der Elternzeit zurückkehren, zu wenig Flexibilität in Bezug auf die Arbeitszeiten und den Arbeitsort, wenig Verständnis für kranke Kinder… die Liste lässt sich noch lange fortführen. Hier muss endlich ein Umdenken stattfinden.
Mangelhafte Kinderbetreuung: Die Kinderbetreuung ist nicht auf die Bedürfnisse der Familien zugeschnitten: Zu wenig Kitaplätze, vor allem für Kinder unter einem Jahr, oftmals eine schlechte Qualität, so dass man die Kinder nicht gerne in fremde Hände gibt (Stichwort Betreuungsschlüssel) und Öffnungszeiten, die nicht den Anforderungen der Arbeitswelt entsprechen. Hier muss noch eine Menge verbessert und mehr finanzielle Mittel bereitgestellt werden.
Gesetzeslücken: Gerade beim Stichwort „Teilzeit“ wird es besonders deutlich. Ein Anspruch besteht ja nur dann, wenn das Unternehmen mehr als 15 Mitarbeiter beschäftigt. Und selbst wenn man theoretisch den Anspruch hat: Er wird in der Praxis sehr oft aus fadenscheinigen Gründen abgelehnt, so dass man plötzlich gezwungen ist seinen Arbeitgeber zu verklagen, wenn man den Anspruch durchsetzen möchte – das machen natürlich die Wenigsten. Mütterrechte müssen daher noch an vielen Stellen gestärkt werden.
Mittlerweile gibt es in vielen Büros auch Home Office -Lösungen und „Familienfreundlichkeit“. Gleichzeitig bekommen Mütter aber die undankbaren Aufgaben und werden von Gehaltserhöhungen und Karriereschritten ausgeschlossen. Wann kann man einem Arbeitgeber „Familienfreundlichkeit“ eigentlich glauben?
…wenn er seinen Worten auch Taten folgen lässt – leider bleibt es oft nur bei Lippenbekenntnissen. Wichtig ist dabei, dass die Familienfreundlichkeit in allen Unternehmensbereichen und auf allen Ebenen umgesetzt wird. Es kann nicht sein, dass ein Unternehmen ein Siegel für familienfreundliche Personalpolitik trägt und dann einer Mutter, die alle Zielvereinbarungen zu 100% erfüllt hat ins Gesicht sagt: Sorry, dass mit der Beförderung bis auf Weiteres nix, dafür müsstest du von Teil- in Vollzeit wechseln.
Dir wurde als Juristin am ersten Tag nach der Elternzeit gekündigt. Hast Du das Gefühl, dass Dich Deine Mutterschaft den Job gekostet hat?
Kurz nachdem ich die Kündigung erhalten hatte, kam dieses Gefühl tatsächlich in mir auf. „Wärst du bloß nicht so lange in Elternzeit gegangen, dann wäre das nie passiert“, dachte damals. Heute sehe ich das ein bisschen anders. Die unangenehme Erfahrung hat so viel neue Energie freigesetzt – wahrscheinlich hätte ich die vielen Projekte, die mir so heute viel Spaß machen nicht umgesetzt, wenn ich damals nicht diese bittere Erfahrung gemacht hätte.
Glaubst Du eigentlich an die „Teilzeitfalle“, geht es in Vollzeit arbeitenden Mandantinnen und Müttern besser im Berufsleben?
Ich glaube kaum, dass es kein Patentrezept gibt. Jede Mutter muss für sich entscheiden, ob sie in Teilzeit oder Vollzeit wiedereinsteigt. Egal für was sie sich entscheidet, sie muss sowohl in Vollzeit als auch in Teilzeit unterstützt und gefördert werden. Die Entscheidung für eine Teilzeittätigkeit darf übersetzt jedenfalls nicht heißen: „Ok, größere Ambitionen bestehen beruflich wohl nicht mehr, die verschieben wir aufs Abstellgleis.“ Leider ist an der Teilzeitfalle tatsächlich etwas dran.
Mütter, die sich für eine Tätigkeit in Teilzeit entscheiden bekommen oft die schlechteren Jobs, weniger Verantwortung und nur noch langweilige Aufgaben. Deswegen ist es so wichtig, dass es endlich ein Recht darauf gibt, wieder von einer Teilzeit- in eine Vollzeittätigkeit zu wechseln. Eine Teilzeittätigkeit ist für viele Mütter doch häufig nur eine Phase. Wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus und aus dem Haus sind, haben viele den Wunsch wieder mehr zu arbeiten. In dieser Situation kann es nicht sein, dass es der Arbeitgeber sagt: „Ätschibätschi, einmal Teilzeit immer Teilzeit.“ Hier muss der Gesetzgeber dringend nachbessern!
Was rätst Du Eltern für den Wiedereinstieg? Welche harten und weichen Faktoren helfen Müttern und Vätern?
Der Wiedereinstieg fängt eigentlich schon in den letzten Wochen vor dem Ausstieg an. Die Beantragung eines Zwischenzeugnisses, die Dokumentation welche Aufgaben man vor der Elternzeit ausgeübt hat und der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung sind wichtige Vorbereitung- und Vorsichtsmaßnahmen. Man sollte nicht mit dem Schlimmsten rechnen, aber darauf vorbereitet sein. Die Ankündigung, dass man plötzlich einen ganz neuen Job ausüben soll, oder das Angebot eines Aufhebungsvertrages sind ja leider keine Seltenheit…
Natürlich ist es auch sehr wichtig, bereits während der Elternzeit den Kontakt zum Arbeitgeber und zu den Kollegen zu halten. Auch wenn man keine Lust hat, ist es ratsam auf Weihnachtsfeiern und Firmenevents zu gehen. Und falls es wirklich hart auf hart kommen sollte und plötzlich eine Kündigung oder ein Aufhebungsvertrag ins Haus flattert, sollte man sich sofort anwaltlich beraten lassen.
Liebe Sandra, vielen Dank für Deine wertvollen Tipps!
Foto: Malina Ebert Photography und Katja Harbi
2 Kommentare
Toller Artikel! Leider finde ich auch, dass Arbeitgeber sich häufig Familienfreundlich auf die Fahne schreiben, aber bei genauerem Hinsehen wenig dahintersteckt. Und auch die Kitabetreuugszeiten passen nicht zu einem Vollzeitjob. Ich habe 4 kleine Kinder, arbeite auch als Juristin (Vollzeit) und wir haben Kostenlose Unterstützung bei der Kinderbetreuung (neben Kita und Kindergarten) durch unsere Mitbewohnerin. Für uns das perfekte Modell.sie wohnt mietfrei und hilft uns kostenlos. Gut für alle, auch die Kinder, die eine weitere feste Bezugsperson haben, die längerfristig bei uns ist. Einfacher, schneller, flexibler und günstiger als ein Au Pair.
Sehr schöner Artikel, das Buch und den dazu gehörigen Blog kannte ich bis dato noch gar nicht 🙂
Jetzt weiß ich was ich als nächstes lesen kann, danke dir dafür 🙂