Morgens im Bad herrscht Chaos statt Wellness. Halbverschlafene Hausbesetzer im Alter von 9 Monaten bis 37 Jahren patschen die Spiegel mit Nutella-Fingern voll, drücken Zahnpasta auf dem kostbaren Marmorboden aus, cremen die Toilette mit Prinzessin-Lillifee-Glitzer-Creme ein. Meine geheiligten Pasten und Salben werden als Rasierhilfe benutzt oder dem Lieblingsteddy auf die Tatzen geschmiert. (“Bubu hatte schlimmes Aua”)
Das Bad ist mein Refugium, mein täglicher Wellness-Urlaub vom anstrengenden Alltag als Mutter, Ehefrau und Berufstätige. Und im Bad manifestiert sich wie in keinem anderen Raum der Wohnung das tägliche mütterliche Tauziehen zwischen Mutter sein und Frau bleiben wollen.
Mamas tägliches Wellness-Ritual
6:00 Uhr bei Frau Mutterns: “Ich will mein Yoghurt mit den Schoko-Flakes!”
“Schätzchen, Mama muss sich noch waschen, ok?”
Mama will jetzt eigentlich die sauteure Antifaltencreme mit “hochwirksamem Nanospheren-Collagen-Super-Duper-Complex” in Ruhe ausprobieren und ein Stossgebet an den Antifaltengott senden.
“ICH WILL YOHGURT JETZT!!!”
“Gleich, Süsser, Mama muss sich noch anziehen!”
Mama hat noch eine Creme-Probe aus dem Drogeriemarkt entdeckt. Die wird noch über die Nanospheren-Creme gelegt. Viel hilft viel, oder?
Plötzlich ertönt ein lautes Scheppern aus der Küche. Sohnemann hat das Frühstück in die eigene Hand genommen und das Yoghurt und die Schoko-Flakes kreativ auf dem Küchenboden arrangiert. Eine morgendliche Frühstücks-Installation!
Nun heisst es schnell das “Kunstwerk” aufwischen. In der Zeit können auch die Creme-Schichten einwirken und hoffentlich wirken. Das nennt man Multitasking. Wieder zurück ins Bad. Soll ich heute den grauen Lidschatten mit dem schwarzen Kajal oder roten Lippenstift mit wenig Augen- make-up”….?
“Mama, aufgegessen!!!”
Okokok, eine Ablenkung muss her.
Kein morgendliches Schminken ohne „Kika“
“Sebastian, Du darfst heute morgen ausnahmsweise Kika gucken. Ausnahmen sind bei uns leider die Regel, denn mein Sohn schnappt sich geübt die Fernbedienung und drückt sogleich die richtige Zahl: Mama schminkt sich nämlich gerne täglich.
Ahhh, Ruhe. Ich kann mich auf das korrekte Auftragen meines Lidstrichs konzentrieren. Ein Auge ist fertig, als mein Sohn ins Bad kommt um mir mitzuteilen, das im Fernsehen “nur so Ringe sind”. Er hatte die falsche Nummer gedrückt und sich statt eines pädagogisch wertvollen Kinderprogramms eine Dauerwerbesendung von “Juwelo TV” angesehen. Jetzt kann er hoffentlich einen Zirkonia von einem Diamanten unterscheiden.
Baby Constanze hat sich dank schlechter Aufsicht meinerseits über den Papierkorb hergemacht und verspeist den Inhalt. Mittlerweile ist es 7:30 Uhr und ausser einem perfekt geschminkten Auge meinerseits kann ich in der heutigen Morgenroutine keinen Fortschritt sehen. Nun bleibt gerade noch genug Zeit, um meine Blösse zu bedecken. Ich verlasse das Haus mit zwei gepflegten, vorzeigbaren Kindern und genau einem professionell geschminkten smokey eye. Morgen schaffe ich vielleicht das andere Auge…
Foto: Mama-Wellness mit „Kosmetiker“ Sebastian
4 Kommentare
Schönen guten Morgen, ich freue mich über Deine Artikel, bin ein richtiger Fan geworden. Es macht Spaß sie zu lesen und manchmal hilft auch nur Lachen, wenigstens sind wir kerngesund, sonst wäre es ja zum Heulen 🙂
Hallo Bine, vielen Dank und Gruss nach Rheinland-Pfalz!!
Wunderbar geschrieben!!
Herrlich!