Erfahrungen

„Ich hatte oft mit Vorurteilen zu kämpfen“. Pia über ihr Familienleben an der Seite eines Soldaten

16. April 2014

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Wie erklärt man den Kindern, was der Papa beruflich macht? Wie geht man mit der Angst um, wenn der Mann in einem Einsatz in Afghanistan ist und wie wuppt man dann den Alltag alleine mit drei Kindern? Wie wird die „Familienfreundlichkeits-Offensive“ von Verteidigungsministerin von der Leyen bewertet? Ich hatte viele Fragen an Pia, Bloggerkollegin des bekannten Blogs Mama Miez. Sie ist mit einem Soldaten verheiratet, war früher selbst bei der Bundeswehr und ist Mutter von drei kleinen Kindern. Sie hat mir ein Interview gegeben:

Als Du Deinen Mann kennengelernt hast und er Dir gesagt hat, dass er Soldat ist, was war Deine Reaktion?

Ich habe meinen Mann 2001 bei der Bundeswehr kennen gelernt, als ich selber dort meinen Dienst ableistete. Insofern wusste ich quasi zuerst, dass er Soldat ist und erst dann, dass ich mich für ihn ernsthaft interessiere. Da ich für mich selber den Beruf des Soldaten gewählt hatte, stellte seine Berufswahl für mich natürlich kein Hindernis dar. Allerdings habe ich damals, mit gerade mal 21 Jahren, weder an Hochzeit noch Kinder gedacht. Ich schied später auf Grund einer chronischen Krankheit, die mich dienstunfähig machte, aus dem aktiven Dienst aus. Im nachhinein denke ich oft, dass es so besser war. Andernfalls wäre eine gemeinsame Zukunft auf Grund regelmäßiger Versetzungen und Einsätze nur sehr schwer realisierbar gewesen.

Hattet Ihr Bedenken und Ängste eine Familie zu gründen aufgrund des Berufes Deines Mannes?

Nein, da haben mich nie Zweifel beschlichen. Für mich war sein Beruf von Anfang an etwas völlig Normales. So wie andere im Polizeidienst sind oder bei Siemens arbeiten. Letztendlich sterben in Deutschland im Jahr wohl immer noch mehr Bauarbeiter auf Baustellen, als Soldaten im Dienst. Natürlich ist die Gefahrensituation im Einsatz eine andere und man lebt mit einer ständigen Angst um den Partner. Aber das war bei unserer Familiengründung kein vorrangiger Gedanke.

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Wie erklärst Du Deinen Kindern den Beruf von Papa? Werden Sachen wie „Gefahr“ und „Krieg“ angesprochen? Und wenn ja, wie?

Mein Mann erklärt unseren Kindern seinen Beruf mit offenen und ehrlichen Worten. Das bedeutet natürlich auch, dass sie bereits mit 3 und 4 Jahren wissen, dass es auf der Welt Kriege gibt, dass es Bevölkerungen gibt, die von ihrer eigenen Regierung oder ihren Mitbürgern unterdrückt und bedroht werden. Natürlich gehen wir nicht zu tief ins Detail. In der Vorstellung unserer Söhne war ihr Papa in Afghanistan, um dort den Menschen zu helfen. Seine Waffe brauchte er, um andere Menschen und sich selber gegen „Böse“ zu verteidigen. Es ist ein schmaler Grad einem Kleinkind den Sinn und Zweck des Tragens einer Handfeuerwaffe nahezu bringen, ohne es mit dem Übel dieser Welt zu belasten. Tatsächlich hatten unsere Jungs da aber nie viele Nachfragen zu. Es ist einfach normal, dass der Papa im Einsatz eine Waffe trägt.

Wie schaffst Du Deinen Alltag mit Kindern, wenn Dein Mann auf einem Einsatz ist?

Die meisten schmunzeln drüber, aber ich bin hoffnungslos überstrukturiert. Alltag funktioniert bei mir immer nach einem bestimmten Schema und Ablauf. Ich habe Zeitfenster für verschiedene Aktivitäten, wie Verabredungen, Mahlzeiten usw., um in meinem strukturierten Tag immer noch flexibel und spontan sein zu können. Aber im Grunde ist der Zeitablauf eines jeden Tages ohne den Papa, allein mit den Kindern, gleich. Ich habe damit nur gute Erfahrungen gemacht und die Kinder kommen gut mit diesem geregelten Alltag zurecht.

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Welche Reaktionen gibt es aus dem Umfeld, wenn Du sagst: „Ich bin eine Soldatenfrau!“ (sagst Du das so überhaupt…?)

Nein, ich würde nie sagen, dass ich Soldatenfrau bin, da mich das auf etwas reduzieren würde, was ich nicht alleine bin. In der Regel spreche ich gar nicht über den Beruf meines Mannes, bis man mich direkt danach fragt. Die Reaktionen sind meist sehr überrascht. Besonders in der Zeit seines Auslandseinsatzes waren die Menschen sehr bestürzt. Scheinbar aber mehr darüber, dass ich ein halbes Jahr mit den drei Kindern alleine war, als über die Tatsache, dass er in Afghanistan war. Ich hatte oft mit Vorurteilen zu kämpfen. Im Großen und Ganzen habe ich aber viel Mitgefühl für unsere Situation erfahren.

Erfahren Soldatinnen und Soladaten nach Deiner Ansicht genug Wertschätzung hier?

Ganz klar: nein! Wir sind in Deutschland noch viel zu sehr von der Vergangenheit beeinflusst und scheinen uns für alle militärischen Aktivitäten grundsätzlich erst einmal entschuldigen und davon distanzieren zu müssen. Dass wir Mitglied der NATO sind und das mit einer gegenseitigen internationalen Verantwortung einher geht, scheint heute auch eher unpopulär zu sein. Für mich hört Verantwortung gegenüber unseren Mitmenschen nicht an der Landesgrenze auf. Für meinen Mann zum Glück auch nicht. Aber es ist tatsächlich so, dass es in Deutschland durchaus Städte und Stadtteile gibt, in denen man sich besser nicht als Soldat(-enfamilie) zu erkennen gibt. Es gab Vorfälle, bei denen Angehörige von Soldaten im Einsatz zu Hause angerufen wurden und über den angeblichen Tod des Soldaten informiert wurden. Mein Mann hat mich daher sehr sensibilisiert, was das Thema „Öffentlichkeit“ anbelangt. Es war schon ein großer Schritt im Rahmen von „Sandalen im Schnee“ quasi öffentlich zu machen, dass wir eine Soldatenfamilie sind und er sich in Afghanistan befand.

Erzählt Dein Mann Dir von seinen Einsätzen oder ist es so wie bei bsw. einem Polizeibeamten, der zu Hause nichts erzählen darf?

Er erzählt mir, was er im Rahmen seiner Verschwiegenheitspflicht erzählen kann.

Die Verteidigungsministerin hat als eine ihrer ersten Amtshandlungen gesagt, dass sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der Bundeswehr verbessern will. Eure Reaktion darauf?

Unsere erste Reaktion war tatsächlich ein unverhohlenes Lachen. Sie ist nicht die Erste, die sich diese Ziele gesteckt hat. Ihr wurde nur mehr Aufmerksamkeit geschenkt, da sie ja als ehemalige Familienministerin und als erste Frau im Amt des Verteidigungsministers auftrat.


Liebe Pia vielen Dank für dieses Gespräch und alles Gute für Deine Familie!

Fotos: © Pia von Mama Miez

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12 Kommentare

  • Reply Mama arbeitet 16. April 2014 at 3:54 pm

    Ganz tolles Interview, ich hab’s verschlungen! Herzlichen Gruss an euch beide,
    Christine

  • Reply Frau Mutter 16. April 2014 at 4:09 pm

    Danke, Christine, fürs Lob!

  • Reply Alltagsheldin 16. April 2014 at 4:23 pm

    Da kann ich mich nur anschließen: Ganz ganz tolles Interview! Tolle Interviewerin, tolle Interviewte! Fand ich sehr interessant. 🙂

    Liebe Grüße,
    die Alltagsheldin

  • Reply Leni Moretti 16. April 2014 at 5:08 pm

    Sehr interessantes Beitrag. Da wird einem immer wieder bewusst, dass jeder Mensch seine ganz eigene, spannende Geschichte hat. Schöner Beitrag. 🙂

  • Reply Kat (@blogprinzessin) 16. April 2014 at 6:07 pm

    Gerne mehr von diesen „Hinter dem Blog Portraits“!

  • Reply Frau Mutter 16. April 2014 at 6:24 pm

    Ich freue mich, dass der Beitrag Euch gefällt und nehme die Anregung von Kat gerne auf;)
    LG Nina

  • Reply herzmutter 16. April 2014 at 7:43 pm

    Wow, sehr interessantes Interview! Macht auch nachdenklich – ich weiß so gut wie garnichts über Soldatenfamilien 🙂 Schließe mich Kat an; gern mehr Interviews 🙂

    Liebe Grüße, Janina

  • Reply Ramona 16. April 2014 at 8:22 pm

    Ein schönes Interview.

  • Reply Eugen 16. April 2014 at 8:27 pm

    Sehr interessantes Interview und bei einem Punkt muss ich Pia vollkommen zustimmen. Soldaten bekommen in Deutschland nicht die nötige Anerkennung. Fast jeder der auch nur den Grundwehrdienst geleistet hat musste sich rechfertigen kein potentieller Mörder zu sein, nicht zur rechten Szene zu gehören und nicht in der Lage wäre selbständige Entscheidungen zu treffen, sondern nur auf seinen Befehl zu warten.

  • Reply Sophie 17. April 2014 at 10:41 am

    Ein sehr schönes Interview!

  • Reply Mausohr 16. Juni 2014 at 3:59 pm

    Tolles Interview, bin gerade erst darüber „gestolpert“.
    Vielen Dank!

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