Heidi, meine Kolumnistin aus dem schönen Chiemgau, stellt Euch heute ihre Familienkutsche vor. Sie besteht nur aus zwei Pferdestärken, aber ist etwas ganz Besonderes und ein Kurzurlaub vom Alltag mit der ganzen Familie.
Für Heidi ist Kutsche fahren eine wunderbare Tradition, die auch dem Artenschutz dient. Diese „Familienkutsche“ muß sich auch an die StVO halten, aber manchmal möchte Heidi Petitionen gegen motorisierte Pferdestärken starten….
Man kann sich eben auch anders fortbewegen als Familie, langsamer, aber naturverbunden. Heidi appelliert heute an uns: „Moi oan Gang zruck schoitn.“ Recht hat sie! Viel Spaß beim Lesen!
Moi oan Gang zruck schoitn und erholt o kema. Moi a andas Tempo in da heitigen Zeit…
Vier Räder, zwei Bremsen, Platz für die ganze Familie, ein „Cabrio“ aus Holz statt Blech, das ist unsere Familienkutsche mit zwei PS. Für mich die aller schönste Art der Fortbewegung!
Unsere PS sitzen nicht wie gewöhnlich unter der Motorhaube, sondern wohnen in unserem Stall, werden Bene und Piti gerufen und gehören fest zu unserer Familie und unserem Leben.
Wellness auf dem Kutschbock
Wenn Papa unter der Woche am späten Nachmittag von der Arbeit kommt, packen unsere beiden Kinder mit mir bereits freudig ihren kleinen Picknickkorb. Danach spannen wir gemeinsam unsere Pferde an und fahren los, mit unserer Familienkutsche der Extraklasse. Am allerliebsten tingeln wir durch Wald und Flur. Für mich ist das immer ein kleiner Kurzurlaub vom Alltag. Endlich mal wieder durchatmen. Das gleichmäßige Stampfen und Schnauben der Pferde hat eine sehr beruhigende Wirkung auf mich. Bei Vogelgezwitscher und der angenehmen Stille des Waldes tanke ich meine leeren Akkus im Nu wieder auf.
Lustigerweise hat die Kutschfahrt auf unsere quirligen Kinder dieselbe Wirkung! Friedlich sitzen die beiden Streithähne zwischen uns, spielen „ich sehe was, was Du nicht siehst“, mümmeln ihre mitgenommene Brotzeit und sind einfach auch nur mal still. HERRLICH!!! Oft schläft unser Junior durch das sanfte Schaukeln der Kutsche irgendwann ein.
Diese Zeit wird von meinen Mann und mir ausgiebig genutzt, um unseren vergangenen Tag und das Erlebte zu besprechen und Neues zu planen.
Sind Kutschen im Verkehr gefährlich?
In der heutigen Zeit bleibt es leider nicht aus, dass wir zum Teil auch öffentliche Straßen kreuzen oder benutzen müssen, um an unser Ziel zu kommen. Dort sind wir ganz normale Verkehrsteilnehmer, die sich an die Straßenverkehrsordnung halten müssen. Wir achten auf rote Ampeln und Stoppschilder wie jeder KfZ-Teilnehmer auch. Autos, die laut hupend an einem vorbei rasen, Motorräder die mit aufheulendem Motor das Gespann passieren, gehören normalerweise für Pferde eher zu der Gattung Raubtier als zu der Gattung „guter Freund“. Bene und Piti sind durch ihre zahlreichen öffentlichen Auftritte, soweit „abgehärtet“ und gefestigt, dass sie so schnell nichts aus der Ruhe bringt. Dennoch sind und bleiben sie Fluchttiere, die normalerweise lieber die Hufe in die Hand nehmen wenn sie Gefahr wahrnehmen. Nur durch gutes und jahrelanges Training, durch eine klare Rangordnung (erst Mensch, dann Pferd) und dem dadurch entstehenden Vertrauen („wenn da Chef sagt es feid ma nix, dann feid ma a nix!“) kann eine mögliche Unfallgefahr minimiert werden. Logisch passieren auch mal Unfälle mit und durch Kutschen. Aus Unachtsamkeit, aus Unwissenheit, Materialfehler, oder fehlender Kompetenz, aber meist erschreckender Weise durch Dritte!
Wusstet Ihr das auffahrende Autos eine der Hauptursachen für Kutschenunfälle sind?
Ich denke mal, keiner von uns verursacht absichtlich einen Unfall, egal ob Rad- oder Autofahrer, Reiter, Kutscher, Fußgänger. Wenn ich dann aber zum x-ten mal eine Petition lese, die alle Kutschfahrten verbieten soll, bekomme ich Bauchschmerzen. Kutschen sind in meinen Augen eine der besten Fortbewegungsmittel! Umweltfreundlich und Ressourcen schonend.
Durch diesen wunderbaren Freizeitsport wurden schon etliche Pferderassen vom Aussterben bewahrt. Rassen die uns Jahrhunderte lang geholfen haben, das zu werden was wir heute sind.
Ja sicher gibt es auch Schattenseiten. Letztes Jahr passierten um die 60 Unfälle in Deutschland, im Zusammenhang mit Kutschen. Sehe ich dazu aber die Statistik der „normalen“ Verkehrsunfälle mit 3368 Verkehrstoten im Jahre 2014, fühle ich mich fast gezwungen eine Petition zu starten… gegen Autos!
Unsere Wege führen uns oft und gerne in das Nachbardorf. Im Sommer verbinden wir diese Gelegenheit sehr gerne für kurze Einkäufe im dortigen Supermarkt oder für ein kleines Eis „2go“. Ganz so wendig wie ein üblicher Kleinwagen sind wir jetzt wahrscheinlich nicht, rückwärts einparken funktioniert wohl auch ein bisschen langsamer als mit einem Kleinwagen, aber dafür benötigen wir zwei Parkplätze und haben Spaß…. Viel Spaß!!!
A herzlichs Servus aus’m Chiemgau
Eure Heidi
Heidi lebt mit Mann, Kinder, Großeltern und vielen Pferden inmitten schönster Natur im Chiemgau. Traditionen udn Bräuche werden gepflegt, veganen Latte Macciato gibt es eher nicht. Sie lässt sie uns in ihrer Kolumne „Briefe aus Bayern“ an ihrem Leben teilhaben.
Foto: © Bettina Plötz
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