Gastbeiträge

Frau Vanderwitz wundert sich: Warum haben Eltern soviel Stress?

10. Dezember 2015

Die kinderlose Kolumnistin Frau Vanderwitz war kürzlich auf einem Kaffeeklatsch mit Menschen, die Kinder haben. Und diese Eltern konnten über nichts anderes als ihren Stress reden. Kommt mir irgendwie bekannt vor. In der Tat malen wir gerne in den schillerndsten Farben aus, was wir täglich so alles leisten und dabei kaum schlafen. An Sex ist sowieso kaum zu denken. Jajajaja….Frau Vanderwitz war jedenfalls ein wenig abgeschreckt, was ich irgendwie verstehen kann. Viel Spaß bei ihrem Text.

Eltern haben Stress und reden wirres Zeug

Da war ich gerade so froh über meine Übersetzungs-App für Englisch und Deutsch auf meinem Handy, die mir den beruflichen Alltag ein wenig leichter macht. Und dann sitze ich eines Nachmittags bei einem Kaffeekränzchen mit lauter Eltern und verstehe kein Wort. Dabei ist es ein ganz normales Kaffeekränzchen in einem Vorort von Wuppertal und alle sprechen Deutsch.
Es ist aber Eltern-Deutsch. Und ohne einen Grund- und Aufbaukurs in selbigem ist es für kinderlose Singles kaum möglich, dem Gesprächsinhalt zu folgen. Ich vermute, es gibt eine geheime Übereinkunft, was bestimmte Wörter bedeuten, sobald Kinder mit im Spiel sind.

Da die anwesenden Eltern aber offenbar darin geübt sind, verständnislose Blicke zu deuten, bekomme ich ab und zu etwas erklärt. Vermutlich damit mir nicht langweilig wird und ich in meiner Verzweiflung noch versuche, den anwesenden 8-Jährigen zu babysitten …
Die Aussage „Das war STRESS!“ zum Beispiel glaubte ich absolut nachvollziehen zu können. Immerhin habe ich auch Deadlines, die mich dazu bringen, tagelang am Schreibtisch festzukleben, nur um gegen 20 Uhr festzustellen, dass ich mich beeilen muss, wenn ich vor 21 Uhr noch frühstücken möchte.

Eltern-Stress ist der schlimmste Stress ever

ABER!, erklären mir die Eltern. Das ist noch lange kein Stress! Stress ist es, wenn während solcher Deadline-Zeiten morgens (während ich normalerweise noch schlafe) die Kids in die Schule und zum Kindergarten gebracht werden müssen (und die ziehen sich erst ab einem gewissen Alter selbstständig an!), dann wird vom Wetter bis zum Wurstbrot an allem gemeckert, aber das übernehmen dann die Lehrer und Kindergärtnerinnen für eine gewisse Zeit. Doch in der bereitet man selbst schon etwas fürs Mittagessen vor, damit die Kinder etwas Gesundes in den Magen bekommen (vorher muss man sie wieder aus Schule und Kindergarten abholen), dann wollen sie beschäftigt werden, sie streiten sich, müssen Schulaufgaben machen, sie quengeln, nörgeln, zetern, schreien, benötigen die elterliche Aufmerksamkeit und so weiter und so fort.

„Aber wie bekommt ihr dann IRGENDETWAS getan???“, frage ich mit weit aufgerissenen Augen.
Und schon lerne ich eine neue Wortbedeutung. Nämlich die des Wortes ZWISCHENDURCH. Für mich hatte das bisher eine Wortbedeutung wie: Ich esse mal einen Schokoriegel zwischendurch. Für Eltern ist ZWISCHENDURCH alles, was nicht direkt mit den Kindern zu tun hat, also: Duschen, Essen, Trinken, Telefonieren, Rechnungen bezahlen, jaaaa und eigentlich auch atmen.
Die Schnappatmung habe jetzt jedoch ich. Nicht auszumalen, was solch ein Stress mit mir machen würde? Ich meine, wie soll man da sinnvoll arbeiten, seine gute Laune bewahren oder wenigstens noch FREUNDLICH sein? Ich würde die Kinder zu den Hausaufgaben in Stillarbeit verdonnern! Als ich den Vorschlag mache, brechen alle anwesenden Eltern in schallendes Lachen aus. Ein Lachen, in dem für mich auch ein bisschen Verzweiflung mitschwingt.
Und dann lerne ich, dass einige Wörter des Alltags im Wörterbuch des Elternseins in den Teil mit den Fremdwörtern abgeschoben werden. AUSSCHLAFEN zum Beispiel. Für mich an Wochenenden absolut normal. Außer wenn die Katze auf mir herumhopst. Aber die kann ich mit ausgiebigem Futternapfbefüllen von mir ablenken und mich wieder umdrehen.

Nein danke, Kinderhaben ist wohl zu anstrengend…

Für Eltern aber ist dieses Wort von Geburt des Kindes an mindestens 20 Jahre lang ein Fremdwort. Und dann stelle ich mir vor, ich dürfte die nächsten 20 Jahre lang nicht ausschlafen. Sofort überlege ich, wie ich meine Vergütungsmethoden optimieren kann.
Und als könnte sie meine Gedanken lesen, erklärt mir eine Mutter, dass Kinder das beste Verhütungsmittel seien. Man kommt nämlich nicht mehr zum Sex. Und das normalerweise nicht bis zu den Wechseljahren. Und bis dahin sei man ja in der Regel ohnehin wieder geschieden.
Ich bin betroffen. Mein wunderbares Lotterleben, in dem ich auch Herausforderungen zu bewältigen habe, über die ich dann kräftig fluche – das alles ist nur ein müder Abklatsch von dem Abenteuer, das Eltern jeden Tag bestreiten.

Trotzdem beschließe ich, beim nächsten Geburtstagskaffeekränzchen statt Glückwunschkarten ein paar schwarze Beileidskarten zu verteilen. Ich meine … Eltern haben permanent STRESS und leben nur noch ZWISCHENDURCH. Und dann können sie noch nicht mal AUSSCHLAFEN.
Mein Beileid!

Nur eins frage ich mich: Trotz allem Gejammer strahlen ihre Augen, sie sind allesamt körperlich fitter als ich (na klar, sie bewegen sich zwischen ihren Zwischendurchs auch viel mehr) und haben auch viel mehr aus ihrem Leben erzählen. Das mit der Beileidskarte sollte ich mir also doch noch mal überlegen…

Frau vanderwitz mit Katze

In “Frau Vanderwitz wundert sich” schreibt Saskia aus der Perspektive einer kinderlosen Frau. Als Katzenmama und begeisterte Tante nimmt sie die Welt der Familien witzig-ironisch unter die Lupe. Saskia schrieb bereits für mehrere Kabarettgruppen, ist poetry slammerin und Autorin. Mit Frau Mutter verbindet sie eine glorreiche studentische Vergangenheit im Fachbereich “irgendwas mit Medien”.

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4 Kommentare

  • Reply jennifer-heart 10. Dezember 2015 at 8:58 am

    Diesen Text habe ich sehr gerne gelesen!

  • Reply Nathalie 10. Dezember 2015 at 11:19 am

    Das Strahlen in den Augen kommt nicht von ungefähr. Bei allem Stress, allem Chaos sind Kinder einfach wunderbar! Auch ich will oft genug einfach nur die Decke über meinen Kopf ziehen und mich verkriechen – und gerade die Stunden zwischen 17 und 19 Uhr kann ich gerne gegen ein lustiges Kaffeekränzchen mit Kinderlosen eintauschen 🙂 Aber dennoch liebe ich dieses Chaos. Denn man wird tausendfach belohnt. Auch wenn man die Belohnung manchmal erst viel später bekommt. Meine Prä-Kind-Ära kommt mir aus heutiger Sicht wirklich sehr langweilig vor. Was habe ich mit der ganzen Zeit und Ruhe nur angefangen?!

  • Reply Anna 11. Dezember 2015 at 7:10 am

    Herrlich!!! Sofort geteilt! Ich habe nur dieses merkwürdige Gefühl, dass das ’strahlen in den Augen‘ nur erwähnt wurde um uns Eltern das Gefühl zu lassen, es hätte alles einen tieferen Sinn 😉

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