Jetzt wohnen wir seit einem Jahr in unserem Haus. Für den Berliner Tagesspiegel habe ich aufgeschrieben, wie wir das geschafft haben: Mit Wunderglauben! Als junge Familie aus Berlin-Kreuzberg erschien der Berliner Südwesten wie das Paradies. Grün, gepflegt, viele nette Exil-Kreuzberger und gerade noch bezahlbar. Und mit S-Bahn-Anschluss, wenn wir uns daran erinnern wollten, in Berlin zu leben. Wir fanden eine Wohnung und begaben uns jahrelang in die Knechtschaft des Mietens. Unser Traum aber war die Freiheit. Ein Eigenheim mit Garten. Die Kinder sollen es doch mal besser haben als wir! Wer würde unser Moses sein und uns aus der Knechtschaft herausführen?
Immobilienmakler-Sprech
Wir fingen an zu sparen und irrten fortan durch Berlin-Zehlendorf. Nicht, das es keine Zuflucht gegeben hätte… Nur leider verfügten wir nicht über das Budget eines Pharaos.
Auf unserer Suche trafen wir so manchen falschen Propheten, auch Immobilienmakler genannt. Nachdem wir drei Jahre die Wochenenden mit ihnen verbracht hatten, verstanden wir nun auch ihre bildreiche Sprache:
“Ein Understatement-Haus”: (Dieses Haus gibt sich erst gar keine Mühe, schön zu sein. Im Dach ist Asbest, Bäder und Küche sind “retro” und der Eigentümer will im Verkaufsvertrag vereinbaren, dass der Gartenzwerg lebenslanges Wohnrecht hat)
“Ein Haus mit inneren Werten” (Willst Du mit Deinem Haus Problemgespräche führen?)
“Loft-Feeling” (Das Haus hat genau einen Raum. Liebst Du Deinen Mann und Deine Kinder wirklich so sehr?)
“Das Haus für Individualisten” (Muss ich noch mehr sagen? Wenn Dir eine Fusion aus Bauhaus mit Gelsenkirchner Barock gefällt, ist das Dein Traumhaus, schnapp zu!)
Wir so langsam fielen wir vom Glauben ab. Doch wieder zurück in die Stadt? Mittlerweile war Kind Nummer zwei da und der Älteste sollte mit der Schule anfangen.
Was tun? Wir kamen bald vom rechten Wege ab. Bei jedem Spaziergang rund um dem Mexikoplatz verfolgten wir gepflegt gekleidete Rentner. Und wenn sie in einem schmucken, denkmalgeschützten Landhaus verschwanden, merkten wir uns schnell die Adresse, rannten nach Hause und schickten Ihnen anonym ein paar Prospekte der wunderbaren Senioreneinrichtungen dieses Bezirkes.
Als die nächste Nebenkostenabrechnung ins Haus stand, schickte ich ein Stossgebet an den Immobiliengott. Nach einer Woche geschah es: Das Wunder. Unser Immobilienwunder! Eine Anzeige im Internet, die wie eine Verheissung klang:
Das Immobilienwunder
„Reihenend -Haus von 1927 in denkmalgeschützter Siedlung. Gute Bausubstanz, nette Nachbarschaft.“ Und das alles in unserem Budget. Ein Trugbild? Halluzinierte ich schon?
Der Zufall wollte es, dass ich der allererste Anrufer beim Hausbesitzer war. Beim Radio hat das jahrelang nicht geklappt, aber dieses Mal kam ich durch. Ein netter Mann war am Telefon, der uns für den nächsten Morgen in sein Haus einlud.
Als ich “unser Haus” das erste Mal sah, hörte ich die Engelein singen. Das konnte doch alles nicht wahr sein! Nach zehn Minuten signalisierten wir Kaufinteresse. Ob die Besitzer uns den Zuschlag geben würden? Versteckte sich doch noch ein Makler hinter dem Ofen?
Der Hausbesitzer hatte klare Vorstellungen von den neuen Eigentümern seines Hauses. Eine nette Familie sollte es sein- und “bitte keine Zuhälter oder so”. Bingo! Wir waren und sind nett und auch keine Zuhälter, versprochen!!
Nach einer halben Stunde wurden wir handelseinig, nach drei weiteren Monaten zogen wir ein. Sehet, ein Zehlendorfer Immobilienwunder ward geschehen!
Beim Einzug küsste ich die frisch abgezogenen Dielen unter meinen Füssen, ich konnte mein Glück nicht fassen.
Angekommen in der Realität muss ich feststellen: Unser Haus ist leider doch kein vollkommener Tempel und frei sind wir definitiv nun auch nicht. Feuchte Wände, ein undichtes Dach und Fenster. Wir werden wahrscheinlich bis zum Tag des jüngsten Gerichtes sanieren und tilgen-wenn nicht noch ein Wunder geschieht.
Dieser Text erschien im Zehlendorf Blog von DER TAGESSPIEGEL
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