Kürzlich erhielt ich Eintritt in die Kathedrale des deutschen Kabaretts. Das Berliner Kabarett-Theater „Die Distel“ ist landesweit bekannt und war auch insbesondere vor der Wende ein bekannter Ort für politische Satire. Ich wurde eingeladen, das noch relativ neue Distel Studio kennenzulernen. Das Distel Studio gibt jungen Nachwuchstalenten eine Bühne und bietet junges Kabarett, Impro-Tehater und Stand-Up – Comedy. Dort traf ich auch Moritz Neumeier, einen besonders talentierten Stand-Up-Comedien, konnte mir sein Programm „Kein scheiss Regenbogen“ anschauen und habe ihm ein paar Fragen gestellt. Zu seiner Berufswahl und ob seine Eltern das gut finden, (ist ja klar als Mutter!). Er erklärt, was für ihn guter Humor ist und warum es für ihn ok ist, als Nichtjude Witze über Menschen mit jüdischem Glauben zu machen.
Wie wird man eigentlich Stand-Up Comedian? Es gibt ja wohl kaum eine Ausbildung, oder?
Nein, es gibt zum Glück keine Ausbildung. Dann hätten wir früher oder später ein ziemliches Überangebot. Es gibt ein paar Workshops, die angeboten werden, die bestimmt Spaß machen, deren Erfolg man aber nicht immer trauen sollte. Lustig zu sein ist zu einem gewissen Teil ein Talent, denke ich. So wie andere handwerklich begabt sind, bin ich es eben in der Unterhaltung. Dazu kommt eine Menge Erfahrung. Bis ich wirklich so weit gekommen bin, wie ich es sein möchte, vergehen bestimmt nochmal zwanzig Jahre auf der Bühne. Und als drittes lernt man sehr viel beim Zuschauen. Ich habe mir über Jahre hinweg alle möglichen englisch sprachigen Stand Up Comedies angesehen, die ich finden konnte. Dadurch lernt man viel über verschiedene Stile etc.
Von Stand-Up Comedy zu leben war sicher auch erstmal “kein Scheiss Regenbogen”. Erzähle mal von Deinen Anfängen, wie hast Du für Deinen Lebensunterhalt gesorgt? Gab es Zweifel, wolltest Du hinschmeissen?
Angefangen habe ich ja mit Poetry Slam. Und da verdient man prinzipiell erstmal gar kein Geld. Hier und da kommt dann irgendwann Mal ein Auftritt dazu, der ein wenig Bezahlung abwirft. Irgendwann lernt man dann einen Workshop im Kreativen Schreiben zu geben und so geht es in kleinen Schritten weiter. Ich hatte zum Glück Björn Högsdal, der mir genug Aufträge an Land gezogen hat, damit ich die ersten zwei Jahre nicht verhungert bin. Am Anfang ist es schwer und immer wieder kommt man an den Punkt, an dem man die Miete nicht bezahlen kann, an denen das Geld einfach nicht ausreicht. Und immer wieder fragt man sich dann, ob sich das wirklich lohnt. Ob man nicht vielleicht doch noch umschwenken sollte. Also ja, Zweifel gibt es die ersten Jahre eine Menge.
Wann hast Du gemerkt, dass Du witziger bist als andere?
Schon früh. Ich war immer der Klassenclown. Immer derjenige im Mittelpunkt, der zwar darüber hinaus erst einmal nicht gesehen wurde. Aber die Rolle des Witzigen stand mir schon immer gut.
Du erzählst in Deinem aktuellen Bühnenprogramm “Kein scheiss Regenbogen” von Deiner Hippie-Familie. Du bist in Schleswig-Holstein auf dem Land mit zahlreichen Geschwistern aufgewachsen. Waren Witze die Möglichkeit, gehört zu werden?
Auch hier, ja. Aber nur zu einem gewissen Punkt. In meiner Familie ist es zum Glück nicht nötig, sich mit Tricks Gehör zu schaffen. Wer spricht wird gehört. Die Witze waren eher für die Welt außerhalb gut.
Macht das Aufwachsen auf dem Land kreativ?
Ob es kreativer macht, als das Stadtleben weiß ich nicht. Aber man muss schon sagen, dass dieses fehlende Angebot von Allem deine Fantasie anregen kann. Wenn es nichts gibt, musst dein Verstand möglichst viel erschaffen und das kann dazu führen, dass du kreativ wirst.
Denkst Du, dass alternativ eingestellte Eltern einen kreativen Berufswunsch des Kindes eher unterstützen? Gab es bei Dir die “Brotlose-Kunst-Diskussion“?
Die Alternativität meiner Eltern hat wahrscheinlich dazu geführt, dass sie diesen Weg irgendwann akzeptiert haben. Natürlich gab es am Anfang Diskussionen und Ängste. Das lag wohl auch daran, wie schwer ich es mir selbst gemacht habe mit meinem Weg und der Entscheidung dafür. Eltern möchten dich beschützen und dass es dir möglichst gut geht. Und da gehört eine gewisse Angst vor der wirtschaftlichen Machbarkeit und der Zukunftsperspektive immer dazu.
Du gehst in Deinen Programmen gern an die Grenze und brichst Tabus. So hiess ein Programm von Dir “Satire macht frei”. Was willst Du erreichen, wenn Du (als Nichtjude) Witze über die Nasenlänge von jüdischen Menschen machst?
Insgesamt geht es mir vor Allem darum Menschen zum Lachen zu bringen. Und darum, die alten ausgetretenen Pfade zu verlassen. Für mich besteht die Aufgabe darin ein Publikum mit Dingen und Themen zum Lachen zu bringen, die für sie neu sind. Und bei denen sie eigentlich erst einmal gar nicht lachen wollten. Juden sind nur ein Beispiel. Ich versuche Niemanden außen vor zu lassen. Ich mache Witze über Juden, Schwarze, Weiße, Kranke, Arme, Reiche, Alle. Darum geht es. Zu verstehen, dass Satire ruhig jeden treffen kann, ohne dass dahinter immer gleich Rassismus oder Wut oder Angst vermutet wird. Humor ist ein Umgang. Und für den Humor sind alle Menschen gleich – wann ist das sonst schonmal der Fall.
Du sprichst auf der Bühne sehr offen über persönliche Schwächen, beispielsweise über Deine Depression. Warum?
Weil auch das ein Umgang damit ist. Warum verstecken wir uns alle hinter irgendetwas? Natürlich bin auch ich auf der Bühne eine gewisse Figur. Der Versuch besteht aber darin, möglichst viel von dieser abzulegen. Möglichst man selbst zu sein. Und dazu gehört Ehrlichkeit.
Was ist für Dich guter Humor?
Meiner.
Darf Humor verletzen?
Humor darf alles. Es ist schade, wenn er verletzt. Aber nur weil er verletzt, sollte er trotzdem nicht aufhören. Wenn etwas verletzt, gehört auch immer etwas dazu, dass sich verletzen lässt. Und ich denk, dass Verletzungen uns weiterbringen. In unserer Entwicklung, in unserem Denken und unserer Stärke.
Glaubst Du, dass Humor in Deutschland wertgeschätzt wird?
Ich denke schon, dass die Deutschen sehr gerne lachen. Und zum Glück für uns sind sie auch bereit dazu, eine Menge Geld dafür zu bezahlen. Aber es gibt gewisse Formen des Humors, die weniger wertgeschätzt werden, als andere. Wäre ja aber auch langweilig sonst…
Hat Stand-Up Comedy eine Zukunft in Deutschland?
Ja, ich denke schon. Es ist in diesem Land etwas Neues. Und dass es woanders schon seit Jahrzehnten schon funktioniert ist wahrscheinlich kein Garant dafür, dass das auch hier geht. Aber ich denke immer mehr Menschen werden diese simmergleichen, alten Formen des Humors überdrüssig, bei denen wir über die Unterschiede von Frauen lachen und darüber, dass Merkel so komische Mundwinkel hat.
Wie begegnest Du humorlosen Mitmenschen?
Meistens gar nicht.
Moritz, vielen Dank für das Gespräch!
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