Mit Kleinkind im ICE, das sollte doch viel entspannter sein als eine Autofahrt inklusive Stau und Reiseübelkeit, oder? Nein, ist es leider nicht und Schuld daran ist dieses Mal gar nicht die Deutsche Bahn. Gastautrin Sandy kam sogar pünktlich überall an, aber auch komplett entenervt. Ihre Erlebnisse im sagenumwobenen „Mutter-Kind-Abteil“ lest Ihr heute. Viel Spaß!
Mit Kleinkind allein im ICE: Na dann, gute Reise!
Unsere vergangenen Tage in Frankfurt waren ereignisreich, die Besuche bei Familie und Freunden zahlreich gewesen. Ich hatte Mann und Sohn daheim gelassen, um erstmals ein paar Tage mit meiner Tochter alleine zu verbringen. Nun war es an der Zeit nach Berlin zurückzukehren.
6.15 Uhr Frankfurt am Main – Innenstadt
Ich strapaziere den Kinderwagen aufs Maximum: In der Ablage zwischen den Rädern drängen sich Koffer und Wickeltasche, ins Körbchen darüber quetsche ich den Maxi Cosi mit meiner Tochter. Die Handtasche baumelt über den Griffen und stößt mir bei jedem Schritt vors Schienbein. Da die Schuhe, die ich mir unbedingt im Schlussverkauf auf der „Zeil“ noch hatte kaufen müssen, nicht mehr in meinen 60- Liter-Travelrucksack passen, baumeln sie außen herunter. Als wir am Hauptbahnhof ankommen, sind sie komplett durchnässt, es regnet in Strömen.
Das ominöse Mutter-Kind-Abteil
8.13 Uhr Frankfurt am Main Hbf
Man mag es kaum glauben, aber der ICE 694, mein Baby und ich erreichen Gleis neun pünktlich. Ich hatte auf Empfehlung eine Sitzplatzreservierung für das Mutter- Kind- Abteil vorgenommen, ein mir bis dato unbekanntes Kompartiment zwischen 1. Klasse und Boardrestaurant. Warum das Mutter-Kind-Abteil so heißt, wie es heißt, mag sich mir jedoch nicht erschließen. Wir sind die einzigen Fahrgäste und ich kann weder in Raumaufteilung noch Einrichtung einen Unterschied zu gängigen Sechser- Kompartiments ausmachen. Ich hatte ein weitaus geräumigeres Abteil erwartet, mit Platz für Kinderwagen und bunten Bildern. Da dies nicht der Fall ist, parke ich den Wagen in der ersten Klasse, belege schamlos drei Sitzplätze und beschlagnahme den gesamten Tisch.
9.11 Uhr Fulda
Der mutmaßlich jüngste Fahrgast im gesamten Zug quengelt übermüdet auf meinem Arm. In diesem Fall hilft nur aufstehen, rumlaufen und singen, das schaukeln übernimmt der ICE. Ich versuche es mit unserem Einschlaflied, summe den Refrain „Heal the World“ von Michael Jackson in Endlosschleife bis Kassel-Wilhelmshöhe. Mein Rücken schmerzt, vielleicht hätte ich gar keinen Sitzplatz benötigt?
Eine Bahnfahrt, die ist lustig…
10.03 Uhr Göttingen
Die Kleine schläft, endlich. Meine Blase meldet sich, der Kaffee ist durch. Ich halte zehn Minuten ein, dann verlasse ich nervös das Abteil. In der Hoffnung, dass die Kleine in meiner Abwesenheit nicht wach wird, eile ich wie empfohlen „links den Gang runter“. Besetzt. Nach gefühlten 30 Minuten Wartezeit erkundige ich mich, ob man die Toilette mit Wickeltisch- und Behindertenkennzeichnung vielleicht extra aufschließen lassen müsse. „Nein, die ist dann eben einfach besetzt!“ Ich vergewissere mich, dass die Kleine immer noch schläft und eile wieder den Gang zurück. Immer noch besetzt. Ich frage mich, ob ich diese Toilette überhaupt noch benutzen möchte, nachdem ein anderer Fahrgast dort seinen kompletten Morgen vollbracht hat. Die DB-Mitarbeiter erweisen sich als Retter in der Not: „Benutzen Sie doch die Toilette in der ersten Klasse, wir haben derweil ein Auge auf ihr Kind!“
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10.34 Uhr Hildesheim Hbf
Das DB-Team hat gewechselt, eine motivierte Mitarbeiterin stellt sich über die rauschenden Lautsprecher vor und berichtet über den weiteren Reiseverlauf. Eine blasse Frau rollt einen Buggy mit Kind in unser Abteil. Ihr rothaariger Sprössling, vielleicht ein weiteres Findelkind von Familie Becker, windet sich energisch in den Gurten. Ich erfahre ungefragt, dass die beiden um sechs Uhr morgens in München ihre Reise angetreten haben „Lena hat seitdem nicht geschlafen,“ entschuldigt sich die genervte Mutter. Lena schreit ununterbrochen, meine Tochter wird wach und stimmt ein.
Wenn die Mitreisenden nicht wären…..
11.00 Uhr Braunschweig Hbf
Ich stille die Kleine, während sich die elfeinhalbmonatige Lena heftig in der Tischkante festbeißt. „Die Zähne müssten bald kommen, sie ist etwas spät dran…“ erklärt mir die Mutter zerknirscht und versucht ihren widerspenstigen Rotschopf von der Holzplatte zu trennen. Dann verlassen beide das Abteil Richtung Board-Bistro. Ich blicke aus dem Zugfenster, meine Gedanken schweifen ab… Vor zehn Jahren habe ich eine abenteuerreiche Interrail-Tour durch Südeuropa gemacht, damals bestimmten Antonio, Dosenbier und Lagerfeuer mein Ferienglück. Wie die Zeiten sich ändern! Als meine Mitreisenden zurückkehren, holt mich ein unangenehmer Geruch in die Gegenwart zurück. Lenas Mutter verzehrt hemmungslos eine Frikadellenschrippe mit Ketchup und Filterkaffee. Leider lassen sich die Fenster im ICE nicht öffnen.
12.07 Uhr Berlin Spandau
Fast am Ziel suche ich unser Gepäck zusammen. Mutter-Kind-Abteil ist mittlerweile mit zahlreichen mobil Zeitungsfetzen und besabberten Spielsachen dekoriert – Lena hat seit Hildesheim ganze Arbeit geleistet. Wie mag wohl eine Bahnfahrt im ausgebuchten Mutter-Kind-Abteil verlaufen, aber, will ich das wirklich wissen?
12.26 Uhr Berlin Hbf
Endlich geschafft. Mit nur fünf Minuten Verspätung und folgender Durchsage fahren wir im Berliner Hauptbahnhof ein „Zänk ju foa träwälling wiß Deutsche Bahn!“
Foto: pixabay
11 Kommentare
Mit brüllendem Kleinkind hinten im Auto wäre die Fahrt auch nicht angenehmer gewesen.
Ich reise oft alleine mit zwei Kindern, ich finde es mit dem Zug viel entspannter.
ja, Autofahren ist definitiv stressiger! LG Nina
Ich reise auch gerne mit dem Zug, meine Kinder sind mittlerweile schon aus dem gröbsten raus. Mit 8 und 5 sind die Kids so mit sich Nintendo DS, iPod, Aufkleberbücher beschäftigt, dass ich gestern auf unserer Fahrt doch wirklich arbeiten konnte via Laptop. Reisen mit dem Zug empfinde ich immer total entschleunigend, aus dem Fenster blicken, die Landschaft saust an einem vorbei – Herrlich. Mutter-Kind-Abteil habe ich nie ausprobiert, obwohl ich schon früh mit beiden Kids Zug gefahren bin. Am liebsten bin ich immer im Großraumbateil am Tisch, da kann man Spiele spielen und wenn den Kinder langweilig war, konnten wir ein bißchen rumlaufen.
ja, hier auch. ich mag die Sitze mit dem Tisch in der Mitte im Großraum. LG Nina
Zug fahren ist meiner Meinung nach besser, man kann sich nun mal deutlich mehr auf das Kind konzentrieren und kann es durch Spielereien ablenken. Außerdem hat man die Möglichkeit immer zur Toilette zu gehen, was ebenfalls mit Kind ein großer Vorteil ist.
Wir sind diese Woche gerade von unserer ersten Zugfahrt mit unserer 3monatigen Tochter zurück. Das Abteil ist übrigens das „Kleinkind-Abteil“ – für Kinder von 0-3 Jahren. Das Zugfahren selbst war recht angenehm. Während wir unsere Kleine sonst unterwegs in den Schlaf schaukeln müssen und quasi nicht damit aufhören dürfen, übernahm das der Zug für uns. Aber richtig nervig waren die Passagiere OHNE Kinder, die die freien Plätze im Abteil nutzen wollten. Glücklicherweise kam uns da das Bahnpersonal zur Hilfe und sagte ganz klipp und klar Nein dazu. Trotzdem gab es immer noch einen Mann, der es nicht einsehen wollte und sehr unfreundlich wurde. Ansonsten fanden wir die Bahn aber top!
Danke für die Klärung;) Interessante Erfahrungen mit den Mitreisenden auf jeden Fall. LG Nina
Ich fahre mindestens einmal in der Woche mit Sohnemann durch die halbe Republik, und glaube mir, keine Bahnfahrt ist wie die andere. Meist ist dieses Abteil interessant, weil die Kinder potentiell Spielpartner haben. Negative Erlebnisse gibt es allerdings auch, sind aber selten. Insofern kann ich dich nur ermutigen, es weiter zu versuchen, eine Autofahrt über die Distanz ist meist anstrengender.
Eine Frage der Einstellung. Ich fand es im Zug immer grandios. Ich bin mit Baby und später mit zweitem Baby und Kleinkind mehrmals im Jahr weite Strecken gereist. Ich nahm keinen Kinderwagen mit, sondern trug zum Umsteigen ein Kind am Bauch und das andere auf dem Rücken. Den Koffer in der Hand und die Handtasche an der Seite. So war ich nicht auf Hilfe angewiesen. Ich fand es im Kleinkindabteil sehr angenehm und besonders toll, wenn andere Familien dazu kamen, weil man sich so unterhalten konnte und die Zeit wie im Fluge verging. Die Kinder spielten oft zusammen, so musste man sie nicht selbst dauernd bespaßen. Stillen war gar kein Problem und jederzeit möglich. Unsere Babys waren im Zug immer sehr entspannt, während sie bei Autofahrten wie am Spieß schrien. Also lange Strecken im Auto mit Baby finde ich definitiv schlimmer als im Zug.
Mmh, was genau war denn nun das Problem? Dass eine andere Mutter hinkam, deren Kind weinte und mit elf Monaten Tischkanten und Spielzeuge ansabberte? Oder dass die Mutter sich doch tatsächlich erdreistet eine Frikadelle zu essen? Oder dass das Klo besetzt war? Mich würde mal interessieren, was von so einen Elter-Kind-Abteil erwartet wird.
Wir reisen oft mit der Bahn durch ganz Deutschland und bevorzugen es viel lieber als das Autofahren. Das Klein-Kind-Abteil ist meistens so eingerichtet, dass es genug Platz für 2 Familien und einen Kinderwagen gibt. Zudem hatten wir auch nur gute Erfahrung mit Mitreisenden ohne Kind, welche sich ins Klein-Kind-Abteil geschlichen hatten. Diese haben, nach einer höflichen Aufforderung, ohne Widerspruch das Abteil verlassen.
Ein kleiner Tipp noch:
An der Infotafel der Bahngleisen stehen oft die Aufteilungen der Zugwagons, so kannst du schon vor dem Einsteigen erfahren, an welcher Stelle du am Gleis stehen musst um möglichst so nah wie möglich an deinem Sitzplatz zu gelangen 🙂
LG Ezy