Ich war ja eine Musterschülerin früher. In den MINT-Fächern (die es damals noch nicht gab) UND in den Sprachen hochbegabt. Sozial auch höchstintelligent, musisch, dabei eine Sportskanone („Du läufst immer vorm Ball davon“, O-Ton Sportlehrer). Sehr geliebt habe ich auch meine Schach-AG und die Häkelnachmittage mit einsamen Senioren im örtlichen Altersheim. Ich habe schon öfters versucht, diese Geschichte meinem Sohn weiszumachen, aber vergeblich.
Spaß beiseite. Meine Oma hat mir, als ich ein Kind war, gerne in ihrem beeindruckenden schlesischen Akzent erzählt: „Ninale, wenn sich vor den Ferien die Schultorrre geschlossen haben, dann habe ich immer gewwwwwweint.“
Ich war eine Musterschülerin! Jawoll!
Das habe ich auch mit acht Jahren nicht geglaubt. Tatsächlich glaube ich, dass wir unseren heranwachsenden Kindern auch durchaus von unseren Dummheiten erzählen dürfen. Unsere Kinder wissen, dass wir nicht die größten Helden im Rechnen waren und hey, das ist ja auch voll okay.
„Aaaaber, liebes Kind, man muss fleißig und ehrgeizig sein, in dem, was. man gut kann. So kann man „es“ schaffen. Von nix kommt nix. Alles was wir haben, ist hart erarbeitet.“
Ich muss gestehen, wir klingen oft wie ein zweitklassiger Motivationstrainer, wenn wir mit unseren Kindern (mal wieder) diskutieren, dass man die Hausaufgaben vielleicht nicht fünf Tage die Woche kurz vor Schulbeginn auf dem Schulflur machen sollte, sondern vielleicht nur an zwei Tagen. Oft denke ich, dass man spätestens, wenn die Kinder in die Schule kommen, zum Vollspießer wird. Oder sind nur wir so? Und glauben uns unsere Kinder das eigentlich, das mit der Musterschülerin?
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Verlangen wir heute zuviel von unseren Kindern?
Gerade jetzt, wo es bei uns um die Förderprognose zur weiterführenden Schule geht, denke ich oft an unsere Schulzeit zurück. Leider kennen mein Mann und ich uns seit der sechsten Klasse Gymnasium, so dass meine so glorreiche Musterschülerin Vergangenheit oft Risse bekommt.
„Okay, in Mathe waren wir nicht gut, aber Bio war doch immer suuuper.“
„Wir haben drei Jahre lang im Bio-Kurs durchgequatscht. Es wäre einfach gewesen, da eine Zwei zu bekommen, aber nein, Du wolltest ja immer reden.“
Tja. Vielleicht muss man sich das als Eltern mal vergegenwärtigen: Wir waren nicht immer super in der Schule, fleißig oder sogar bemüht. Manche Schuljahre waren hart an der Kippe zur Ehrenrunde (bei mir, mein Mann war natürlich immer suuuper), wir haben die Hausaufgaben nicht gemacht, nicht zugehört, waren faul und aufmüpfig.
Ich erinnere mich noch gut an eine Französisch-Stunde in der 10. Klasse. Nachdem ich fünfmal wegen angeblicher Kontaktlinsen-Probleme zur Toilette musste um meinen Lippenstift nachzuziehen, antwortete ich schulterzuckend auf die Frage des Lehrers, ob das sein muss:
„Und, wo ist das Problem?“
Woraufhin dieser einen hochroten Kopf bekam und mich anschrie: „DU bist das Problem, NINA!“
Musterschülerin hat Musterschüler-Kinder, oder?
Heute sollen unsere Kinder bitteschön an all ihre Hausaufgaben denken, sie GERNE erledigen und sich spontan und freiwillig für Referate melden, um die Nawi-Note etwas anzuheben. Das ist doch wirklich nicht zuviel verlangt, oder?
Vielleicht ist es das aber. Vielleicht sind unsere Kinder nicht besser oder schlechter als wir und was nützt eine tolle Power-Point-Präsi in der 5. Klasse, wenn man gar nicht versteht, was man da so erzählt?
Klar, wir wollen alle, dass es unsere Kinder leicht haben. Alles soll flutschen. Aber ist das überhaupt realistisch und muss das überhaupt so sein? Das Meiste habe ich immer noch gelernt von Fehlern, von unschönen Situationen, in denen ich mich als Jugendliche nicht wohl gefühlt habe. Dürfen (und müssen) wir unseren Kindern nicht zugestehen zu scheitern, auf die Nase zu fallen? Oder ganz einfach: Ein normaler Schüler zu sein?
Foto: Die frühere Musterschülerin sitzt natürlich in der ersten Reihe, erkennt Ihr mich?
8 Kommentare
Ich habe die Schule tatsächlich geliebt. Aber nur, weil es zu Hause nicht viel Positives gab. Da galt „Hauptsache weg“ und wo soll man hin mit 7 Jahren? Da bietet sich die Schule einfach an. Ab der 7. Klasse haben mir meine Mitschüler dann zusätzlich das Leben zur Hölle gemacht und immer noch war ich lieber dort als daheim. Tatsächlich habe ich dann angefangen, das Lernen und das Wissen in der Schule zu lieben. Erst als ich gemerkt habe, wie unfair und einschränkend das „System Schule“ war/ ist, habe ich immer mehr rebelliert. Geschwänzt, Hausaufgaben ausfallen lassen, Alkohol in der Schule konsumiert… Na ja, dass volle Programm. Ich weiß nicht ob das irgendwann man Thema sein wird. Ich glorifiziere Schule auf jeden Fall nicht.
Hallo R.M. danke für Deine Geschichte. Schule kann manchmal Familie auffangen- und umgekehrt. Glorifizieren sollte man sie nicht, das stimmt. lg nina
Oh Mann, ich musste ehrlich gesagt gerade richtig lachen… habe nämlich vor ca. 15 Min ein „ernstes“ Gespräch mit dem 11jährigen gehabt, Thema: wiederholtes vergessen der Hausaufgaben in Englisch !
Da das bei uns im Moment häufiger Thema ist, fehlt mir langsam der Enthusiasmus um das groß zu diskutieren. Mein Kommentar dazu heute war nur: Merkste selbst, ne?
Zum Glück geht er sehr gerne zur Schule, hat zu allem eine Meinung und auch gute Freunde – die Noten sind in den Fächern topp in denen er die Lehrer mag, die die er nicht mag scheint er auf subtile Art mit nicht gemachten Hausaufgaben für den schlechten Unterricht zu bestrafen also alles im grünen Bereich, denke ich.
Das ist doch toll, dann hast Du eine sehr schöne Schulzeit , die Du da noch mal erleben darfst;)
lg nina
Klar, waren wir alle keine Musterschüler. Aber heute wissen wir, was wir damals nicht wussten. Heute weiß ich, wenn ich mich damals mehr in Mathe reingehängt hätte, hätte ich es bis zum Abitur geschafft und dann vielleicht mein Wunschstudium anfangen können. Nicht falsch verstehen, ich bin zufrieden, wie es bei mir gelaufen ist. ABER es hätte besser laufen können. So manchmal ärgert mich das also schon. Andererseits habe ich die Möglichkeit des zweiten Bildungsweges nie ergriffen. Also darf ich eigentlich nicht jammern. Für die Kinder wünscht man sich halt, dass sie sich später mal nicht ärgern müssen. Dass sie nichts bereuen müssen. Und wahrscheinlich ist es nicht so leicht, zu beobachten, dass die Kinder die gleichen Fehler machen, die man selbst auch schon gemacht hat.
LG, Tina
Guter Punkt, Tina. Tatsächlich wollte ich kein Fach mit NC studieren, so dass ich mit meinem ganz okayen Abitur zufrieden war. Aber ich kann auf jeden Fall nachvollziehen, was Du sagst. Grüße Nina
klar. Ich finde man sollte die Kinder einfach nur auf ihrem eigenem Weg unterstützen…
Liebe Grüße