Ich halte nichts von einem vollen Stundenplan der Kinder auch in der Freizeit. Montags Klavier, Dienstags Tennis, Mittwochs Hockey, Donnerstags Fussball und freitags total platt. Bisher habe ich mich erfolgreich dem Förderungs-Marathon für meine Kinder widersetzt. Das ist manchmal gar nicht so einfach, wenn man in einer Umgebung lebt, wo dies fast zum guten Ton zu gehören scheint. Ich habe aus meiner eigenen Kindheit eines in Bezug auf Hobies gelernt. Es bringt wirklich gar nichts, dem Kind irgendeine Aktivität überzuhelfen. Meine Eltern wollten so gerne, dass ich Klavier spielen lerne. Also kauften sie mir ein Klavier und schickten mich zu einer wunderbaren Klavierlehrerin. Ich habe leider kein Talent für die Musik und so habe ich mich in den Klavierstunden vier Jahre lang über den Zweiten Weltkrieg unterhalten.
Frl. Adolfine Mayer (so hiess sie wirklich!) spielte mir zur Untermalung der Geschichten meistens Schlager aus den 40er Jahren vor. Ich habe sehr schöne Erinnerungen daran- nur Klavierspielen habe ich nicht gelernt. Was ich meine ganze Kindheit mit Leidenschaft betrieben habe, war Ballett und Theaterspielen. Das waren meine kreativen Ausdrucksformen. Hier konnte ich „ich“ sein und meine Talente entfalten. Und weil es mir so viel Spass gemacht hat, habe ich viel gelernt. Disziplin, soziales Miteinander und auch Wettbewerb. Und kreativer Ausdruck! Meine Eltern haben es sicher gut gemeint und verschonten mich auch mit zu viel Aktivitäten in der Natur oder beim Sport. Bei all den Freizeitaktivitäten ist es am wichtigsten, sich zu fragen, was denn eigentlich dem Kind gefallen könnte. Sebastian hat nun seine Leidenschaft entdeckt: Das Pfadfinden!
Wir haben mehrere Dinge für ihn ausprobiert. Musikschule (zu lange still sitzen), Fussball (hier wechselte er sich immer selbst ein- zurück auf die Reservebank), Chor ( er vergass, die Liedtexte zu lernen). Plötzlich hatte ich eine Eingebung. Mein Sohn liebt die Natur und Gruppen. Nichts macht ihn glücklicher, als mit vielen Kindern draussen zu spielen, „Stöcker“ zu schnitzen und auf die Jagd nach Feuerkäfern zu gehen.
Umso besser also, dass die örtliche Pfadfinder-Gruppe sich direkt neben seinem Hort trifft, er also nur einmal ein Haus weiter muss.
Treffpunkt der Meute „Wölflinge“ ist ein recht verfallenes Haus, was dringend mal geputzt werden müsste. (Das ist aber nur Mamas Sichtweise). Geleitet wird die Truppe von drei Teenagern. Anfangs war ich skeptisch ( „Sind Sie überhaupt schon volljährig?“) Aber ich habe in meinem Leben noch nie so verantwortungsvolle, interessierte Jugendliche getroffen. Mit sechzehn war ich sicher nicht so.
Für mich ist die Pfadfinderei Neuland. Ich habe in Sebastians Alter von Spitzenschuhen geträumt und auf ein Gesichtswasser von Yves Rocher gespart. Schatzsuchen im Wald, Matschkuchen backen und im Freien schlafen waren nicht so sehr meine Interessen. Aber er könnte glücklicher nicht sein. Und dann ist Mama das auch!
„Mama, steck mir mal mein Hemd in die Hose, sonst ist das keine „gute Kluft“ (Häääää? Seit wann will mein Sohn ordentlich aussehen?)
„Mama, für die Meutenfahrt brauche ich noch ein Koschi!“ (= Kochgeschirr)
„Menno, keine Reisetasche packen, sondern einen Affen will ich!“ ( Das ist kein Haustier-Wunsch, so heisst die Tasche der Pfadfinder)
Von seiner ersten Pfadfinder-Fahrt als „Wölfling“ vor zwei Wochen kam er überglücklich, übermüdet und überdreckig nach Hause.
„Ich will jetzt IMMER zu den Pfadfindern gehen, ausser wenn ich ganz schlimm krank bin, dann vielleicht nicht.“
Sebastian, mein leidenschaftlicher, glücklicher Pfadfinder. Mir dem Klavierspielen warten wir noch ein paar Jahre.
3 Kommentare
Na das ist doch schön! Ich habe es auch geliebt dort in der Natur zu sein und spannende Dinge zu erleben. =) Nein Hobbys erzwingen bringt gar nichts!
Auch ich habe mich sechs Jahren komplett talentfrei durch die Klavierstunden gequält und habe deshalb auch die halbe Stunde bei der Klavierlehrerin nochmals halbiert durch jedesmal ausgebreitet zu erzählen was alles so los war in der Klasse und in mein Leben überhaupt! 🙂
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