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Endlich vorsorgen: Interview mit Helma Sick, Finanzexpertin für Frauen

24. April 2020

Gerade jetzt fallen wir in der Corona-Krise oft wieder in traditionelle Rollenmuster zurück, Papa arbeitet zu Hause, Mama auch und eigentlich ist sie ja für alles zuständig, oder? Homeschooling, Homeoffice und Home-alles. Bei all der unbezahlten Mehrarbeit fällt es der einen oder anderen vielleicht auf, dass sie immer noch nicht die Sache mit der Altersvorsorge geregelt hat.

Dieses Interview mit der Finanzexpertin Helma Sick habe ich vor einiger Zeit geführt, aber es ist immer noch und gerade jetzt wieder aktuell.

Rente, Altersvorsorge, das ist ein komplexes Thema, oder? Heute wäscht uns Helma Sick, die bekannte Finanzexpertin für Frauen, mal den Kopf. Warum das notwendig ist? Habt Ihr alle Eure private und vom Mann unabhängige Altersvorsorge in trockenen Tüchern? Oder kümmert Ihr Euch mal später drum, wenn mal Zeit dafür ist? Na, dann geht’s Euch so wie mir! Ich habe Frau Sick ein paar grundlegende Fragen zum Thema Rente und Vorsorge gestellt und sie antwortet gewohnt direkt und verständlich. Viel Spaß!

Breaking News: Ein Mann ist keine Altersvorsorge

Viele der Frauen in meinem Umfeld, mich eingeschlossen, schieben das Thema „private Vorsorge“ auf die lange Bank. Woran liegt das nach Ihrer Ansicht? Warum stecken so viele Frauen bei dem Thema den Kopf in den Sand?

Männer wissen praktisch von Jugend an, dass sie für sich selbst sorgen müssen, weil es sonst keiner tut. Bei Frauen steckt vermutlich doch immer noch im Hinterkopf der Versorgungsgedanke. Das heißt, sie überlassen ihre Absicherung lieber ihrem Partner. Anders kann ich mir das nicht erklären. Häufig wird auch angeführt, dass „das alles ja so kompliziert ist“. Das kann ich nicht akzeptieren, weil es mittlerweile viele gut lesbare Bücher zum Thema gibt (z.B. von mir und Renate Fritz „Reich in Rente“). Und es gibt faire und kompetente Beratung und Hilfe.

Können Sie uns die „Versorgungslücke“ verständlich erklären?

Als Versorgungslücke wird die Differenz bezeichnet zwischen Ihrem Finanzbedarf im Ruhestand und den Einkünften, die Sie dann haben werden, wie gesetzliche Rente, private Absicherung, Mieteinnahmen etc.

Wenn Sie also für Lebenshaltung und Fixkosten monatlich 1 500 Euro brauchen, Ihre Rente aber nur 1100 Euro beträgt, dann haben Sie eine Versorgungslücke von 400 Euro monatlich.

Riester- Rente macht Sinn, Steuerklasse V eher nicht

rente

Nehmen wir einmal an, eine 35-40 jährige Frau und Mutter, die mitten in der Familienphase ist und Teilzeit arbeitet, möchte sich absichern. Vielleicht noch Teilzeit arbeitend, mit Steuerklasse V. Nettoverdienst rund 1500 Euro. Was raten Sie ihr?

Die 35-40 jährige Frau und Mutter sollte unbedingt „riestern“. Für jedes Kind, das nach 2008 geboren wurde, erhält sie 300 Euro Kinderzulage vom Staat, für sich selbst 154 Euro. Wenn sie zwei Kinder hat, bekommt sie also jährlich 754 Euro geschenkt.
Dabei muss sie während der Elternzeit nur 60 Euro IM JAHR in den Riester-Sparplan einzahlen. Nach der Elternzeit sind es 4 % vom Vorjahres-Bruttoeinkommen. Ich rate in der Regel von der Steuerklassenkombination III und V ab, weil sie für Frauen, die ja meist die Steuerklasse V wählen, ungünstig ist. Denn sie zahlt überproportional hohe Steuern. Das Gehalt ihres Mannes dagegen wird relativ günstig besteuert.

Ein Beispiel: Wenn der Ehemann ein Jahreseinkommen von 40 000 Euro hat und Steuerklasse III zahlt er 3 506 Euro Lohnsteuer plus 192,83 Solidaritätszuschlag. Seine Ehefrau mit Steuerklasse V und 20 000 Euro Jahreseinkommen zahlt 3 987 Euro Lohnsteuer plus 219,28 Euro Solidaritätszuschlag. Mit der Einkommensteuererklärung am Jahresende gleicht sich das zwar wieder aus, es gibt Geld vom Finanzamt zurück. Es ist aber für viele sehr frustrierend, das ganze Jahr zu arbeiten und netto so wenig zur Verfügung zu haben.

Und nicht nur das:

Zahlreiche Lohnersatzleistungen hängen von der Höhe des Nettogehalts ab, wie z.B. Elterngeld, Krankengeld, Arbeitslosengeld oder Unterhalt. Wer also Steuerklasse V wählt, schenkt unter Umständen dem Staat über Jahre hinweg viel Geld. Tipp: Mit dem Lohn- und Einkommensrechner des Bundesministeriums der Finanzen, lässt sich herausfinden, welche Steuerklassenkombination für Sie am günstigsten ist.

Ein bekanntes Buch von Ihnen heisst „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“. Was bedeutet das vor dem Hintergrund des neuen Unterhaltsrechtes? Gibt es bei Renteneintritt eigentlich keinen Versorgungsausgleich zwischen Mann und Frau?

Es hat mir noch nie jemand schlüssig erklären können, warum die eine Hälfte der Bevölkerung (Frauen) von der anderen Hälfte (Männer) abhängig sein sollte.

Grundsätzlich sollte nicht ein Mann die Altersvorsorge sein angesichts der Scheidungszahlen: jede dritte (in Großstädten jede zweite) Ehe scheitert. Und nach dem seit 2008 gültigen Unterhaltsrecht empfiehlt sich das schon gar nicht. Die dem Gesetz zugrunde liegende Vorstellung ist, dass jeder Mensch, ob Mann oder Frau, sich selbst versorgen können muss und dass dies nur mit bezahlter Arbeit möglich ist. Unterhalt nach einer Scheidung gibt es in der Regel nur noch dann, wenn Kinder unter drei Jahren zu versorgen sind oder bei sehr lang bestehenden Ehen.

Interessant ist, dass ausgerechnet die Frauen, dieses Gesetz nicht zur Kenntnis nehmen, obwohl gerade sie davon besonders betroffen sind.

Beim Renteneintritt gibt es keinen Versorgungsausgleich, da haben die beiden Partner jeweils die Rente, die sie im Laufe ihres Lebens erwirtschaftet haben.Wenn eine Frau also nicht erwerbstätig war, ist sie auch im Rentenalter von ihrem Mann finanziell abhängig.Einen Versorgungsausgleich gibt es nur bei einer Scheidung. Geteilt wird da aber nur das, was während der Ehezeit „zugewachsen“ ist. Wenn also z.B. der Mann vor der Ehe schon einen Rentenanspruch von 1 000 Euro erworben hat und während der Ehe weitere 1 000 Euro dazu erwirbt, dann werden nur die letzten 1 000 Euro geteilt.War der Ehemann schon mal verheiratet, wurden der ersten Ehefrau bei der Scheidung schon Teile seiner Rente zugesprochen, sodass die zweite Ehefrau einen geringeren Anspruch hat.

Wenn beide Partner wünschen, dass SIE einige Jahre aus dem Berufsleben ausscheidet und sich um Haushalt und Familie kümmert, dann wäre es fair, wenn ER den Rentenausfall finanziert.

Männer! Die Teilzeit teilen oder bei der privaten Vorsorge einspringen!!

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Manche Frauen entscheiden sich bewusst dafür, Hausfrau und Mutter zu sein. Was raten Sie diesen Müttern, damit ihre Altersvorsorge in trockenen Tüchern ist?

Wer sich heute noch, trotz geändertem Unterhaltsrecht und hoher Scheidungszahlen für ein traditionelles Ehemodell entscheidet, MUSS sich absichern. SIE könnte sich bei der Deutschen Rentenversicherung ausrechnen lassen, welche Renteneinbuße sie durch den Berufsausstieg hat. Wenn ihr Partner finanziell in der Lage dazu ist, sollte er ihr diese Einbuße ausgleichen mit einer privaten Rentenversicherung oder mit Fonds etc.

Sind Frauen und Mütter von Altersarmut besonders stark betroffen?

Frauen und Mütter sind nur dann von Altersarmut betroffen, wenn sie wegen der Familie nicht erwerbstätig oder nur in Teilzeit tätig waren.Deshalb ist ja mein dringender Rat an alle, die Familie planen: Teilen Sie sich die Elternzeit mit dem Partner je zur Hälfte, dann muss keiner zu lange aus dem Beruf aussteigen. Elterngeld und Elterngeld Plus machen das möglich.

Sollte man bei der privaten Altersvorsorge auf Sicherheit, also bsw., Versicherungen setzen oder kann man evtl auch mit einem Aktien-Depot punkten? Was ist Ihr Rat dazu und wo lauern versteckte Fallen?

Wer besonderen Wert auf Sicherheit legt, sollte auf eine private Rentenversicherung setzen, die es mittlerweile in vielen Varianten gibt. Wer mehr Rendite will, kann diese mit Fonds erreichen. Es gibt reine Aktienfonds oder Mischfonds mit unterschiedlich hohem Aktienanteil. Auf Einzelaktien sollte nur setzen, wer sich damit gut auskennt und sich auch darum kümmern will. Und wer genügend Geld zur Anlage frei hat um eine gute Risikostreuung zu erreichen.Mit Fonds können Sie sich schon ab 50 Euro im Monat an einem weltweiten Aktienportfolio beteiligen und müssen sich nicht um die Aktienauswahl kümmern.

Am besten ist es, mehrgleisig zu fahren: Also auf gesetzliche und private Rente und Fonds.

Staatliche Zuwendungen sollten genutzt werden, z.B. über einen Riester-Fondssparplan.

Fallen wären z.B.:

Alles auf eine Karte, sprich auf eine Geldanlage zu setzen

Ein zu hohes Risiko einzugehen

Geldanlagen vorzeitig aufzulösen etc.

Ich finde, dass jeder Mensch, ob Mann oder Frau eine eigene Altersversorgung haben sollte und damit auch im Ruhestand eine eigene Rente, die – notfalls auch alleine – den Lebensstandard sichert.

Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Herzlichen Dank, Frau Sick, für dieses Interview.

Das Unternehmen„frau & geld Finanzdienstleistungen für Frauen“ gründete Helma Sick im Jahr 1987. 2008 wurde das Unternehmen umgewandelt in „frau & geld Helma Sick Finanzdienstleistungen für Frauen GmbH & Co KG“. Mitgeschäftsführerin ist ihre Nichte, Renate Fritz. Mehr Informationen zu Helma Sick und ihrer Arbeit hier.

Welche Tipps habt Ihr für uns? Wenn der Beitrag für Euch hilfreich war, freuen wir uns sehr, wenn ihr ihn teilt!

Foto: © Quirin Leppert

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2 Kommentare

  • Reply Micha 30. Mai 2016 at 6:21 pm

    Danke für das tolle Interview. Riestern hatte ich bisher für mich ausgeschlossen weil ich die Info hatte dass sich das nur bis zu einem bestimmten Einkommen lohnt. Muss ich direkt mal durchrechnen 🙂

  • Reply 17 inspirierende Mamablogs im deutschsprachigen Raum - Kleinhenz Coaching 3. März 2021 at 6:57 pm

    […] Hier geht’s zum Blog: 👉 Frau Mutter […]

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