Eltern Interviews

„Kinder NICHT gleich behandeln“: Geschwister Tipps von Autorin und Mutter Nathalie

6. November 2017
mutter mit kindern vor boot

Kinder nicht gleich behandeln, ähem, aber ist das nicht das hehre Ziel, wenn man Eltern mehrerer Kinder ist? Heute rede ich mit der bald dreifachen Mutter, Bloggerkollegin und Autorin Nathalie Klüver über das Thema Geschwister. Auch hier immer wieder ein ganz großes Thema, was Gottseidank mittlerweile bei uns nicht mehr so stress-besetzt ist. Sie hat das tolle und realitätsnahe Buch “ Willkommen Geschwisterchen: Entspannte Eltern und glückliche Kinder“ geschrieben und redet heute mit mir über Eifersucht, Exklusiv-Zeit und die Wichtigkeit, sich von der Perfektion zu verabschieden. Viel Spaß!

„Kinder nicht gleich behandeln“: Nathalies Geschwister-Tipps aus dem realen Leben

Wenn man sich für ein zweites Kind entscheidet, sieht man als Eltern die Welt erst einmal rosarot. „Doppelte Liebe“, „Ach das Baby läuft dann schon so mit“, „Dann hat Kind 1 endlich einen Spielkameraden“. Hand aufs Herz: War das bei Dir auch so und wie war das Erwachen in der Realität?

Na klar war der Plan, dass das erste Kind dann einen Spielkameraden hat und wir häufiger mal unsere Ruhe. Nun, der Plan ging nicht so ganz auf. Zumindest zeitweise war es schon sehr sportlich mit zwei Kindern, die einen Abstand von zwei Jahren haben und beide gefühlt parallel in der Trotzphase waren. Aber die anstrengende Zeit ist vergangen wie ein Fingerschnipp und kommt mir im Rückblick gar nicht mehr so schlimm vor.

Seit einiger Zeit sind meine Jungs tatsächlich die besten Kumpels, die morgens zusammen ins Kinderzimmer verschwinden und auch im Urlaub stundenlang zusammenspielen können. Unterbrochen von Streitereien, aber im Großen und Ganzen ist unser Plan mittlerweile aufgegangen: Sie verschonen uns mit dem Wunsch, stundenlang Rollenspiele mit ihnen zu spielen und spielen das schön miteinander.

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Wie kann man das erstgeborene Kind wirklich gut vorbereiten?

Das hängt vom Alter und vom Kind ab. Der beste Tipp: Ehrlich sein. Nichts beschönigen. So ein Baby schreit viel, es braucht viel Aufmerksamkeit, es liegt langweilig im Kinderwagen rum und spielen kann es schon mal gar nicht. Dafür hat es immer dann die Windel voll oder Hunger, wenn man selbst grad mit Mama einen tollen Turm bauen will. Soviel Realität muss sein. Aber langfristig kann man seinem großen Kind schon mal Appetit machen: „Bald ist dein Bruder aber soweit, dann ist immer jemand zum Spielen da.“

Es gibt wirklich gute Bilderbücher, die altersgerecht erklären, wie das mit dem Baby so ist. Gut ist es auch, Bekannte zu besuchen, die ein kleines Baby bekommen haben, dann sehen die Kinder in echt und live, wie so ein Baby eigentlich ist. Was man aber nie machen sollte: Dem Kind die Vorbereitung aufzwingen. Wenn es nun mal keine Lust hat auf Bilderbücher über Babys, dann ist es halt so.

An dieser Stelle ein Buchtipp von mir (Nina/Frau Mutter) für ein realistisch-liebevolles Buch zum Thema, natürlich von A. Lindgren. Das haben wir mit dem Sohn gelesen, bevor die Schwester kam:

Kann man Eifersucht eigentlich vorbeugen oder kommt das immer, auf jeden Fall?

So gänzlich kann man Eifersucht wahrscheinlich nie vorbeugen, es wird immer Momente geben, in denen ein Geschwisterkind eifersüchtig auf das andere ist. Was aber hilft, ist das Wissen, dass Eifersucht nicht schlimm ist. Sondern ganz normal. Eifersucht gehört zur Liebe dazu. Wir Erwachsenen sind ja auch manchmal eifersüchtig. Wir müssen uns bewusst machen: Mein Kind handelt aus Eifersucht so und nicht aus Boshaftigkeit.

Wer eifersüchtig ist, der hat Angst, jemanden zu verlieren. Kommt den meisten von uns bekannt vor, denke ich. Auf keinen Fall sollte man die Eifersucht der Kinder unterdrücken – das wäre kontraproduktiv. Ebensowenig sollte man Kinder für ihre Eifersucht bestrafen. Kleineren Kindern kann man helfen, indem man seine Gefühle in Worte fasst „du ärgerst dich, weil ich gerade deine Schwester wickel anstatt dir etwas vorzulesen“ zum Beispiel. Und nehmt Euch bloß nicht vor, beide Kinder auf jeden Fall gleich behandeln zu wollen! Das klappt sowieso nicht.

Und man ist ständig dabei, alles gegeneinander aufzurechnen. Das ist nicht nur anstrengend, man verkrampft dabei auch noch. Und wer will schon verkrampfte Eltern? Kinder merken so etwas. Es kommt nicht auf jeden kleinen Augenblick an, sondern auf das Ganze. Also nicht „ich lese dem Großen jetzt eine Viertelstunde etwas vor, weil der Kleine eben eine Viertelstunde bei mir Milch trinken durfte“. Es geht nicht darum, seine Zeit minutengenau zu verteilen. Gleich behandeln kann man zwei Kinder sowieso nie – wichtig ist nur, dass jeder die Aufmerksamkeit bekommt, die er gerade braucht.

kinder nicht gleich behandeln

Welche Vorteile hat ein kleiner Altersabstand und welche ein großer?

Beim kleinen Abstand ist man noch in Übung und hat alles in einem Abwasch erledigt. Das ist kurzfristig superanstrengend – aber langfristig ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sich die Kinder gut verstehen und ähnliche Interessen haben. Und man ist über den gesamten Zeitstrahl gesehen schneller durch mit dem Kapitel Windeln und Co. Bei einem großen Abstand kann man sich dafür mehr auf die einzelnen Kinder einlassen, hat weniger Arbeit gleichzeitig (ganz ehrlich, zwei Wickelkinder, die sich nicht alleine anziehen können, ist schon eine logistische Herausforderung!) und beim Großen mehr Verständnis, wenn man mal grad nicht aufspringen kann, weil ein Baby im Milchkoma auf einem liegt. Was einem lieber ist, das muss jeder für sich selbst entscheiden, wenn man es denn überhaupt selbst in Hand hat.

Oft beschworen wird ja Exklusiv-Zeit mit dem einen oder anderen Kind, empfindest Du das auch als hilfreich?

Ganz ehrlich: Nee. Ich weiß, dass es bei anderen gut funktioniert hat. Bei uns gab es das ganz selten. Wir machen eigentlich immer etwas zu viert. Und meine Jungs vermissen sich tatsächlich gegenseitig, wenn einer mal bei Freunden ist. Der Kleine fing schon als Baby an, sich total zu freuen ,wenn wir den Großen von der Tagesmutter abholten und das ist auch heute noch so. Ist der Große bei Freunden, dann fragt der Kleine ständig, wann wir ihn denn endlich abholen.

Nix mit „endlich Zeit mit Mama alleine“! Ich bin der Überzeugung, dass die Tatsache, dass wir an den Wochenenden immer etwas als Familie gemeinsam unternehmen auch dazu beigetragen hat, dass die beiden heute ein richtig gutes Team sind. Aber wie bei so vielen Dingen in der Erziehung, ist das eine Typensache. Da muss jeder seinen eigenen Weg finden.

Meine Kinder haben sich nach einem guten Start im Babyjahr jahrelang täglich und lautstark gestritten. Ich empfand das als echte Belastung, wie kann man als Eltern gut mit Geschwisterstreit umgehen?

Erst einmal hilft es zu wissen, dass man nicht alleine ist. Alle Geschwister streiten. Mehrmals am Tag, mehrmals in der Stunde. Ganz normal. Mich macht es aber trotzdem wahnsinnig. Vor allem diese beknackten Gründe, die man nicht immer nachvollziehen kann. Da stehen sieben Autos in einer Reihe und eigentlich sollen da nur fünf hin und zack wird ein Auto dem anderen über die Rübe gezogen. Der eine hat seine sorgfältig abgezählten Gummibärchen viel schneller aufgegessen als der andere und klaut dem Bruder dann einfach eins. Und schon geht das Geschrei los. Das sind noch die nachvollziehbareren Gründe. Manchmal könnte ich die Wände hochgehen. Da spielen sie so schön zusammen – und plötzlich eskaliert es.

Ab einem gewissen Alter hilft erst einmal Ignorieren. Denn oft reguliert sich das von alleine. Manchmal wollen sie auch einfach die Aufmerksamkeit von Mama, den Gefallen sollte man ihnen dann nicht tun. Zumindest nicht sofort. Bei körperlicher Gewalt schreite ich ein. Es sollte klare Streitregeln geben: Kein Boxen, Hauen, Schubsen und Kneifen. Und ebensowenig Petzen. Es hilft, sich beide Versionen anzuhören und noch mal mit eigenen Worten zusammenzufassen. Und dann gemeinsam eine Lösung zu suchen. Wobei die Streitgründe bei uns manchmal so absurd sind, dass es keine Lösung gibt. Dann fasse ich nur beide Positionen zusammen und schicke sie wieder zum Spielen.

Meine Kinder schlafen gerne in einem Bett ein (auch nach dem grössten Streit vorher). Was ist von einem gemeinsamem Kinderzimmer zu halten?

Typensache! Meine Jungs haben auch ein Kinderzimmer zusammen, sie spielen eh den ganzen Tag miteinander. Mal sehen, wie das wird, wenn sie älter werden. Aber gerade wenn die Kinder jünger sind, macht ein gemeinsames Zimmer Sinn. Zumindest ein Spielzimmer. Und vielen Kindern gibt es auch Sicherheit, wenn sie nicht alleine einschlafen müssen und wissen, ihr großer Bruder liegt neben ihnen. Aber irgendwann kommt der Wunsch nach Privatsphäre – und wenn die Räumlichkeiten es zulassen, sollte man dann zwei getrennte Kinderzimmer anbieten.

Schließlich will das Schulkind irgendwann mit seinem Besuch auch Ruhe haben und nicht ständig die kleine Schwester um sich herumwuseln haben. Falls es nicht genug Zimmer gibt, helfen dann Raumtrenner wie Regale oder Vorhänge, um ein bisschen Raum für sich zu schaffen.

Sobald Nr.2 da ist, kann man sich zunächst wirklich von der Ordnung verabschieden und das Chaos willkommen heißen. Wie wichtig ist das für entspannte Eltern?

Man muss Prioritäten setzen! Meine Priorität war noch nie der Haushalt. Und seit ich Kinder hab noch weniger. An was möchtest du dich in 80 Jahren erinnern? An den stets blank geputzten Küchenboden oder an die faulen Sonntagnachmittage mit deiner Familie? Na also. Es geht nicht darum, perfekt zu sein. Sondern schlicht gut genug. Das gilt für die Ordnung genauso wie für die ganze Erziehung. Kinder brauchen keine perfekten Eltern. Darum, wie man als nicht-perfekte Mutter ein besseres Leben lebt, geht übrigens mein nächstes Buch, das im Frühjahr erscheint.

Denn mit diesem ganzen Streben nach Perfektionismus, macht man sich nur unnötig Stress, der ernsthafte psychische und physische Probleme nach sich ziehen kann. Was auch immer hilft: Die Situation mit etwas Abstand betrachten und das Groteske darin erkennen. Humor hilft mir in vielen Situationen, also meistens dann, wenn gar nichts anderes mehr hilft. Wobei auch ich gestehen muss: Es gibt Tage, da kann ich abends auch nicht darüber lachen, wenn meine Kinder sich die Schlafanzughose über den Kopf ziehen und damit im Kreis laufen. Und dann mutiere ich zur Meckermama und hab danach ein furchtbar schlechtes Gewissen!

Danke Nathalie für Dein tolles Buch, Deine Ehrlichkeit und Deine realistischen Tipps!Der Beitrag enthält Affiliate Links. Wenn du über diese Links ein Produkt erwirbst, zahlt du nicht mehr, aber ich erhalte eine kleine Provision von Amazon.

 

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1 Kommentar

  • Reply Schokominza 8. November 2017 at 1:52 pm

    Ich hatte immer die Vorstellung von mehreren Kindern, die sich gegenseitig haben, mit einander spielen, austauschen und als Team zusammen halten können, wenn wir Eltern mal doof sind. Bisher geht es ganz gut auf. Unsere zwei Töchter sind 17 Monate auseinander und die zweite Babyzeit war natürlich sehr anstrengend, wie auch in dem Artikel beschrieben. Die Große konnte bei Geburt ihrer Schwester noch nicht mal laufen… Zwei Wickelkinder, zwei Tragekinder, zwei schlechte Einschläfer. Aber nach der Babyzeit wurde es richtig gut. Ich bin froh, dass sie sich so gut verstehen!

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