Als mein erstes Kind geboren wurde, lebten wir in Stockholm. Anfangs gab es keine großen Unterschiede zu den schwedischen Familien, aber nach einem Jahr, als alle meine schwedischen Mama-Freundinnen wieder zu arbeiten begannen, wurde der Unterschied deutlich. Ich blieb als „Expat-Wife“ erst einmal zu Hause und für Kajsa, Inga und Saga hieß es wieder „jobbar“. Und das nicht in Teilzeit, das gibt es so gut wie nicht in Schweden, sondern alle Mamas gingen Vollzeit arbeiten. Die Papas auch, Haushaltsarbeit und Kinderbetreuung machten selbstverständlich beide. Völlig normal im Norden.
Bei uns scheint das immer noch die Ausnahme zu sein. Stefanie Lohaus und Tobias Scholz leben die Gleichberechtigung und teilen alles, auch gerecht: Erwerbsarbeit, Hausarbeit und die Betreuung für ihr Kind. Über dieses 50/50-Modell haben sie ein Buch geschrieben und ich wollte mehr wissen über ihren Alltag als gleichberechtigtes Paar… :
Ihr habt Euch vor der Geburt Eures Sohnes für eine gleichwertige und gleichberechtigte Aufteilung von Hausarbeit, Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung entschieden. Wie kam es dazu? Habt Ihr einfach mal darüber gesprochen oder gab es einen richtigen Plan/Vertrag oder ähnliches?
Stefanie: Wir haben einfach mal darüber gesprochen und dann im Zuge der Planungen, die man als werdende Eltern sowieso hat eben überlegt, wie wir eine gleichberechtigte Arbeitsteilung am besten hinkriegen. Einen Vertrag oder einen aufgeschriebenen Plan gibt es in dem Sinne nicht. Einen Vertrag fände ich übertrieben – was soll man denn dann tun, wenn eine/r von uns den nicht einhält? Sich trennen? Aber planen, ja, das muss man schon.
Tobias: Wir haben das festgelegt, als wir immer mehr über unser Leben als Familie, Geld und auch konkrete Termine gesprochen haben. Weil da auch langsam klar war, dass wir bei unseren Jobs/Kollegen langsam mal die Weichen stellen müssen. Unsere Vorgabe war, eben alles gleich zu verteilen.
Ihr beschreibt im Buch, dass die Reduzierung der Arbeitszeit auch einen (zeitweisen) Verzicht auf Karriere für beide bedeute. Bedeutet gleichberechtigtes Leben also finanziell schlechter gestelltes Leben?
Stefanie: Das kommt immer auf die individuelle Situation an. In einer klassischen Firmenstruktur kann man ja anscheinend nur Karriere machen, wenn man 60 Stunden die Woche arbeitet. Das ist für uns nicht möglich. Dann stellt sich aber auch immer die Frage, wie viele Menschen denn überhaupt in diesem Sinne Karriere machen – wir würden sagen, das ist doch eine Minderheit.
Wir arbeiten gerade beide 30-35 Stunden die Woche, also fast Vollzeit. Da kommt schon Geld zusammen. Ob dass dann mehr ist, als wenn einer 40 und der andere 15 arbeitet , hängt ja doch auch arg von den Berufen und dem Status ab. Generell ist es aber so, dass Menschen in der Finanzplanung oft sehr kurzfristig denken. Wenn jemand aus einem vollen Beruf auf 15 Stunden geht, für die nächsten 15 Jahre, dann geht da viel Geld verloren, dass sich nicht so leicht wieder aufholen lässt, vor allem auch für die Rentenkasse …
Tobias: Wir bewegen uns beide bestimmt nicht in einer karrieretypischen Gehaltsprogression. Das wollten wir auch nicht, wahrscheinlich auch wenn wir kein Kind hätten. Seit wir Eltern sind, haben wir aber noch keinen einzigen Moment erlebt, wo wir dachten: „Mensch, in einem anderen Modell hätten wir mehr Geld zur Verfügung.“ oder „Wir brauchen mehr Geld für das Leben, das wir führen wollen.“ Gar nicht. Trotzdem: wo andere große Schritte machen, machen wir halt kleinere. Sorgen ums Geld müssen wir uns mittelfristig keine machen.
Wie waren die Reaktionen Eures Umfeldes? (Eltern, Arbeitgeber, Freunde etc.) Du, Tobias, hast Dich auch mit einigen seltsamen Reaktionen Deiner Geschlechtsgenossen auseinander setzen müssen… Oder vielleicht waren die gar nicht seltsam, weil Du ein Pionier bist …
Tobias: So richtig Punkte macht man mit diesem Entwurf nicht in der männlichen Peer Group. Es gibt sicher einige, die mich um die Zeit beneiden, die ich mit meinem Kind und die wir als Familie verbringe(n). Die trösten sich mit dem Geld, das ihnen Sicherheit gibt. Die meisten Männer in meinem Umfeld finden unser Modell gut und verstehen meine Motivation, sind aber sehr schnell mit Gründen zur Hand, wieso das bei ihnen so nicht denkbar ist. Es ist zwar ganz klar die Tendenz zu erkennen, dass die Väter immer mehr Zeit für die Familie aufwenden wollen. Das muss aber nicht bedeuten, dass die Frauen/Mütter dann dafür mehr arbeiten und mehr verdienen.
Wirkliche Bewunderung unter Männern würde ich bekommen, wenn ich es schaffen würde, mit 20-30 Stunden Arbeit die Woche soviel zu verdienen, wie andere mit 50 Stunden. Dann wäre ich der clevere Kerl. Leider hat das aber wenig mit meiner Vaterrolle zu tun. Geld regiert schon immer noch die Welt.
Stichwort Männerbild/Frauenbild: Für wen von Euch bedeutete diese Entscheidung mehr Umstellung?
Für keinen von uns. Wir haben sowieso ein eher egalitäres Geschlechterbild.
Steffi, was wünschst Du Dir von Gesellschaft und Politik für Mütter in unserem Land?
Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft aufhört Kinder als reine Frauenangelegenheit zu betrachten.Mütter, die für die Kinder verantwortlich sind, und Väter, die für das Einkommen zuständig sind. Tobias und ich sind Eltern, nicht nur Mutter und Vater.
Und für Eltern wünsche ich mir: Flächendeckende gute Kinderbetreuung, familienfreundliche und flexible Arbeitgeber, sichere Jobs und ganz generell ein Einkommen, dass ein sorgenfreies und würdiges Leben ermöglicht. Auch für Alleinerziehende, übrigens.
Tobias, was wünschst Du Dir von Gesellschaft und Politik für Väter in unserem Land?
Ich wünsche mir eine Arbeitswelt, in der nicht mehr nur bedingungslose Hingabe im Job zählt, in der man ständig leisten und liefern muss und alles in „Stunden bei der Arbeit“ bemessen wird. Ich kenne viele Eltern, die deutlich effizienter arbeiten können als kinderlose Kollegen, eben weil sie ein besseres Zeitmanagement haben. Um dies alles anzuerkennen und damit auf Familienväter nicht so mitleidig herabgesehen wird wie das oft der Fall ist, muss die Politik so ehrlich sein und zu geben, dass das Alleinverdienermodell nicht mehr zeitgemäß und realistisch ist. Familien sollten geschützt werden und nicht Ehen. Es sollte eine Personalpolitik in Unternehmen einkehren, die Eltern wieder ernst nimmt. Parallel dazu ist ein anderes, noch konsequenteres Betreuungsmodell notwendig, damit Eltern in den Kernarbeitszeiten erwerbstätig sein können.
Noch eine Frage zur Hausarbeit. Teilt ihr alles fifty -fifty oder putzt bsw. einer von Euch das Bad und einer die Küche?
Momentan putze ich mehr Bad, Tobi mehr Küche. Aber die Wäsche oder den Einkauf, das teilen wir zum Beispiel. So wie es am meisten Sinn für uns macht.
Geht das Konzept für Euch so auf? Habt ihr im Alltag etwas geändert oder läuft alles weiter fifty-fifty?
Ja, bisher geht das alles auf und wir haben nichts geändert. Wir sind natürlich gespannt, wie es (irgendwann) bei einem zweiten Kind läuft. 50/50 ist ja nicht nur unser Prinzip als Eltern, sondern vor allem als Partner, deswegen werden wir das so schnell nichts ändern.
Liebe Stefanie, lieber Tobias, vielen Dank für das Gespräch.
Zum Thema Gleichberechtigung in der Familie läuft gerade auf dem Blog „Elternhandbuch“ eine Blogparade, bei der ich mich gerne beteilige.
Das Buch „Papa kann auch stillen“ von Stefanie und Tobias ist im Goldmann Verlag erschienen.
3 Kommentare
Ich finde da nichts ungewöhnliches dran, denn wir (meine Mann und ich) machen es seit 6 Jahren genauso.
Das ist super, Antje! Aber bis das Normalzustand in Deutschland ist, dauert das noch ein wenig, oder? LG Nina
Wir machen es auch so. Leider funktioniert es bei uns nicht so reibungslos, wie wir es uns vorgestellt haben, da mein Mann selbstständig ist und wir erst einen KiTa-Platz haben, wenn unsere Tochter fast zwei ist. Bis dahin kommt er ins Straucheln mit dem Pensum, was er abarbeiten muss (ist ja nicht nur die Arbeit an sich, sondern auch noch das ganze Drumherum).
Etwas unglücklich finde ich übrigens die Aussage Papa kann auch stillen – ich weiß nicht, mein Mann konnte das nicht! Wir waren vielleicht etwas inkonsequent mit der Flasche, aber das Ergebnis war, dass unsere Tochter fast 6 Monate vollgestillt wurde, ich halt immer anwesend sein musste (und dann eben von zuhause aus gearbeitet habe – zum Glück ging das!), das trägt natürlich auch nicht gerade zur absoluten Gleichberechtigung bei …
Also – bei wem es funktioniert: Hut ab! Aber beim nächsten Kind, das noch in den Sternen steht, wird es wohl doch eher auf die traditionelle Aufgabenverteilung im ersten Jahr hinauslaufen. Schade, wir hätten uns das auch anders gewünscht.