Gastbeiträge

Ich gestehe: Meine Nichte ist der Boss!

3. Oktober 2016

Nichten können eine Tante oder einen Onkel ganz schön um den Finger wickeln. Das hat kürzlich meine Kolumnistin Frau Vanderwitz erfahren, die mal wieder ihre süsse Nichte gebabysittet hat. Drei Tage lang. Besser, wenn man einfach erkennt, wer der Boss ist. Viel Spaß bei ihrem Text!

Okay, ich gestehe es. Ich habe nicht nur keine Ahnung von Erziehung. Ich habe AUCH keine Ahnung davon, wie man sich gegenüber einer Dreijährigen durchsetzt. Also so als Erwachsener. Als der Mensch mit Vernunft. Derjenige, der verhindert, dass die Wohnung meines Bruders in Chaos versinkt, Gläser zu Bruch gehen und man sich an einem herumliegenden Lego-Baustein die Fußsohlen aufreißt. Autsch!

Da war ich nun. Allein mit der Nichte. Das kleine, putzige Nichtenwesen mit seinen 3 ½ Jahren heckt ständig etwas Neues aus. Ich bin noch nicht lange mit ihr allein und habe schon die ersten Verletzungen davongetragen (von den seelischen nicht zu sprechen!).

Während ich mir den aufgeratschten Fuß wieder zusammenpflastere, höre ich sie vor sich hin singen. Laut meinem Bruder singt sie im Moment wohl immer das Lied von der Eiskönigin. Sehr süß. Aber das ist alles nur Tarnung. So wie unsere Begegnung derzeit verläuft, sieht es eher so aus, als wolle sie ihrer Tante den Garaus machen.

Aber erst, wenn es noch mehr von den Süßigkeiten oben im Schrank bekommen hat. Versteht sich.

Die Nichte will nicht aufräumen

Ich habe jetzt 30 Minuten mit meiner Nichte verbracht. Und noch zwei Tage vor mir. Die ich überleben möchte. Ich weiß zwar jetzt, wo der Erste-Hilfe-Koffer steht, aber von Einsicht bei dem Kind … keine Spur. Denn als ich wieder ins Zimmer humpele und bemüht frohgemut rufe: „Okay, aber jetzt räumen wir mal wieder auf, nicht wahr?“, erhalte ich nur einen Schmollblick, dann wird ein Baustein durchs Zimmer gepfeffert.

„Die Mama kommt gleich wieder. Und die freut sich bestimmt, wenn wir ganz toll aufgeräumt haben.“

Sie lacht. „Die Mama!“

„Ja, genau!“

Sie spielt einfach seelenruhig weiter. „Die Mama räumt selber auf“, sagt sie nur lässig.

Na klar. Also fange ich auch an, selber aufzuräumen. Meine Nichte hält inne und schaut mich an. Triumphierend, wie ich finde.

„Du kannst ruhig mal mithelfen.“

Sie schüttelt den Kopf.

„Warum nicht?“ Blöde Frage. Ich sollte mich durchsetzen. Es einfach befehlen. Ihr Süßigkeiten dafür zu versprechen ist vermutlich unpädagogisch (es würde bei mir selbst allerdings super funktionieren).

Sie schaut mich so nachdenklich an, als würde sie tatsächlich über einen Grund nachdenken. Richtig süß sieht das aus. Also denke ich mir: Ach, was soll’s, die paar Handgriffe mache ich doch gern für das liebliche Nichtenwesen, außerdem geht es so ja auch viiiiel schneller … aber MOMENT!!!

Darauf hat sie es doch abgesehen. Nicht wahr?

Verdammt!

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Ich bin eine erwachsene Frau und weiß, wie man Türmchen baut!

Aber da bin ich auch schon fertig mit dem Aufräumen. Also können wir etwas Neues spielen. Wir bauen etwas mit Bauklötzen. Die Dinger scheinen mir recht ungefährlich zu sein. Für meine Füße. Wegen der abgerundeten Ecken und so. Mutig greift sich die Tante Sassy also auch ein paar Klötze und baut an einem Turm.

Der sofort umgeworfen wird. „Nicht so!“, erklärt die Nichte, nachdem alles auf den Boden gepurzelt ist.

„Hey, was soll das? Ich mache deinen Turm doch auch nicht kaputt!“ Sie lacht aber nur. Und dann befiehlt sie mir, wie ich ihr bei ihrem Turmbau helfen soll. Ich spiele eine Weile mit, aber dann merke ich, dass mir das nicht passt.

Ich meine, ich bin eine selbstständige Frau. Ich bin mein eigener Boss. Jeden Tag treffe ich (für mich) wichtige Entscheidungen. Da lasse ich mich doch nicht von einer Dreijährigen herumkommandieren!

Also stellen wir einmal klar: Hier sind zwei Alpha-Tiere am Werk. Das eine ist dreieinhalb, das andere dreißigeinhalb (grob geschätzt).

Zwei Alphatiere im Kinderzimmer

Ich beschließe also, wieder an meinem eigenen Turm zu bauen und ihn vor den Patschehändchen meiner Nichte zu schützen. „Hey, was soll das?“, frage ich sie bei ihrem nächsten Sabotageversuch und halte ihre Hände von meinem Bauwerk fern. „Ich mache deinen Turm doch auch nicht kaputt. Also lass meinen doch bitte auch stehen!“

Aber wem sage ich das? Das wäre ja so, als würde ich dem Alien sagen: Hey, ich niste mich auch nicht im Bauch eurer Spezies ein, also lasst das doch mal sein mit dem Befallen von Menschen. Oder wenn man einem Zombie sagt: Du, ich beiße dich doch auch nicht!

Dem Nichtelein ist es entsprechend auch egal. Hier wird gewütet. Auf meine Hände eingeschlagen. Geschrien. Und geheult.

Ich weiß, ich muss jetzt ein schlechtes Gewissen haben: Böse Tante, die ihrer Nichte nicht die Freude gönnt, ihren Turm aus Bauklötzen umzuwerfen. Also ziehe ich meine Hände zurück. Sie schlägt auf den Turm ein, die Bauklötze fallen, bevor ihre Tränen unten am Kinn angekommen sind. Und da lacht sie auch schon wieder.

Ich beschließe, jetzt auch ihren Turm umzuwerfen. Das ist mein Verständnis von christlicher Erziehung. Auge um Auge, Turm um Turm.

Total unmoralisch, ich weiß … vermutlich steht jetzt meine Tantenlizenz auf dem Spiel.

Aber erstens weiß es keiner. Und zweitens wirft sie mir jetzt zum ersten Mal einen anerkennenden Blick zu. So von Alphatier zu Alphatier.

Ich bin froh über diesen kurzen Moment der friedlichen Koexistenz. Und frage mich dann, wie ich die nächsten zwei Tage mit ihr durchstehen soll …

saskia vanderwitz schulte

 

Saskia aka Frau Vanderwitz schreibt hier auf dem Blog aus der Perspektive einer kinderlosen Frau. Als Katzenmama und begeisterte Tante nimmt sie die Welt der Familien witzig-ironisch unter die Lupe. Saskia schrieb bereits für mehrere Kabarettgruppen, ist poetry slammerin und Autorin. Mit Frau Mutter verbindet sie eine glorreiche studentische Vergangenheit im Fachbereich “irgendwas mit Medien”.

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