So ein Suchverlauf im Computer kann ja sehr aufschlussreich sein. Bei mir findet man beispielsweise oft „Channing Tatum“ oder „Channing Tatum still married?“. Keine Ahnung, was das über mich aussagt. Bei Kindern, die sich erstens der Pubertät nähern und zweitens anfangen, den Computer vollumfassend zu verstehen, ist das dann schon auch sehr interessant für uns Eltern. Der Suchverlauf bzw. die Google Suche ist offenbar ein Äquivalent für unser früheres „Dr. Sommer-Team“ geworden. Mein Mann hat sich heute mal Gedanken darüber gemacht, wie man sich als Junge früher und heute über Frauen informiert. Also die „schicken“ eben…
Suchverlauf= Aufklärung?
„Schicke Frauen“ – so stand es ganz oben im Google-Suchverlauf, nachdem Sebastian sich mein Handy geschnappt hatte, um „Fotos zu schauen.“ Gelogen war es ja nicht, aber stutzig machte mich diese kindliche Neugierde trotzdem. Harmlos zwar, fast niedlich, aber immerhin doch auch eine Bestätigung dafür, wie leicht Kinder heute an allerhand Bildmaterial gelangen können. Und auch ein Kontrast zu meiner eigenen Kindheit in den 80er Jahren, also kurz nach dem Krieg, als erste erotische Erforschungen geradezu kriminelle Energie voraussetzten. Immerhin hatte ich einen älteren Bruder, und zusammen hatten wir fünf Mark. Diese für damalige Verhältnisse unfassbar grosse Menge Geld hatten wir auf einem Jahrmarkt aufgetrieben, oder vielmehr: nachdem dieser abgebaut worden war, und wir im Staub vor den abmontieren Buden nach achtlos fallengelassenem Kleingeld scharrten.
So standen wir nun also vor einem hohen Zeitschriftenregal im örtlichen Supermarkt. Zur Auswahl standen: Neue Revue (vollkommen ausgeschlossen, viel zu peinlich), Quick (zu teuer), oder eben die Bravo. Letzteres schien eine sichere Wahl, und mein Bruder hatte mir von allerhand saftiger Geschichten und Bildern in dieser Jugendpostille berichtet. Zuhause dann: der totale Flop! Wie sollte denn auch zwischen Bildern der pastellfarbenenen Jungs von Kajagoogoo und dem kratergesichtigen Barden von Alphaville erotisches Knistern aufkommen. Ich legte das Heft sofort gelangweilt zur Seite. Mein Bruder dagegen studierte es nochmal genauer, und kam BEGEISTERT zurueck.“Hier, lies mal diese Story, der HAMMER“. Ich überflog die Zeilen: „Sie wollte es, aber ich bekam keinen hoch.“ Verstand ich nicht. Dann doch lieber wieder die lustigen Abenteuer von Knax aus der Sparkasse.
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Damals „Bravo“, heute Google
Und so wandelte ich weiter im Nirvana der Verheissungen. Einige Monate später erwähnte ein Schulfreund ganz beiläufig, sein Vater lese ja Playboy, und der liege einfach so unten im Fernsehschrank. Volllkommen unfassbar für mich, dem Kind aus einem Theologenhaushalt. Unter unserem Fernseher, der ja mit drei Progammen eher Ornament als Zweckgegenstand war, lagen vergilbte Ausgaben von Publik-Forum – Die Zeitschrift kritischer Christen. Den nächsten Besuch bei meinem Freund konnte ich kaum abwarten. Unter fadenscheinigen Vorwänden nahmen wir das Fernsehzimmer unter Beschlag („Mama, wir schauen Silas mit Patrick Bach, ist total super, diese Serie“). Doch gerade, als wir es uns hinter einem Sofa heimlich mit einer jener Zeitschriften bequem gemacht hatten, kam die Mutter mit einem grossen Tablett appetitlicher Stullen herein. Nett gemeint, aber den darauffolgenden Tobsuchtsanfall kann man sich ja vorstellen. Ich überlegte noch kurz, ob ich einwenden solle, derartiges Schriftgut solle man dann eben nicht für Kinder frei zugänglich aufbewahren, aber mir erschien es dann doch ratsam, schweigend die Welle der elterlichen Empörung ueber mich schwappen zu lassen. Und so schloss sich auch diese Türe zu einer geheimen Welt wieder.
So war das eben, in den wilden 80ern. Kein Internet, keine Frage, ob denn nun Android oder iOS besser seien, keine 500 Spartenkanaele im Flatscreen-TV. Und, waren wir dadurch glücklicher? Antwort: Nein. Denn `schicke Frauen‘ mögen heranwachsende Jungs eigentlich immer, egal ob damals bei mir, so kurz nach dem Krieg, oder heute, im Zeitalter des Google-Suchverlaufs.
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P.S der Mutter:
Also, lieber Benedikt, Vater meiner Kinder: Ich habe mir Sebastians „schicke Frauen“ nochmal angeschaut und die waren alle bekleidet und haben Sparkassenangestellte in grauen Kostümen mit einem Stift im Mund dargestellt. Wahlweise auch total euphorische Lebensversicherte…Alles vollkommen harmlos. Haben wir Glück gehabt, dass die Suchmaschine gerade alle Stock-Bilder gezeigt hat…..
Habt Ihr ähnliche Erfahrungen gemacht?
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