Meine liebe Kollegin Leo von Minimenschlein ist kürzlich nach Kambodscha gereist, um die Arbeit in einem Kinderdorf kennenzulernen, vor Ort zu helfen, aber auch über ihre Arbeit als Mamablogger Aufmerksamkeit für die wirklich bitterarmen Kinder zu erzeugen. Mich haben die Bilder ihrer Reise auf Instagram und Co. sehr beeindruckt. Aber beeindruckt hat mich vor allem auch ihre Entscheidung, sich in eine Welt zu begeben, die sich von unserer so völlig unterscheidet. Dreck, Armut, Kriminialität, Chaos. Respekt dafür, Leonie. Nicht jeder ist dazu bereit.
Leo hat mit mir über ihre (Grenz-) Erfahrungen gesprochen und auch, was sie als Mutter in Deutschland in ihrem Alltag nun anders macht.
Leo, wie kam es zu der Reise?
Ich habe vor vielen Jahren entschieden, dass ich meinen Blog irgendwann auch für gute Zwecke nutzen möchte, wenn er die entsprechende Reichweite und genügend Leser hat. Anfang des Jahres fragte mich dann AMIGO Spiele, ob ich mir vorstellen könnte, gemeinsam mit ihnen für die CFI Kinderhilfe nach Kambodscha zu reisen und über das Kinderdorf „Light Of Hope“ zu berichten. Das wollte ich unbedingt tun!
Engagierst Du Dich auch zu Hause für Kinderdörfer oder eine andere karitative Einrichtung?
Meine Familie und sind hier in Deutschland seit Januar in der Flüchtlingshilfe aktiv. Außerdem arbeite ich eng mit der DKMS zusammen. Jetzt kam meine Arbeit für CFI Kinderhilfe dazu, die ich als langfristige Aufgabe verstehe. Wir haben hier einfach nicht auf dem Schirm, wie es beispielsweise Kindern in Kambodscha geht. Ich hatte es auch nicht, aber im Vorfeld natürlich viele Fragen im Kopf. Vor allem: Wie geht es Kindern dort? Wie werden die Spendengelder eingesetzt? Ich habe alle Antworten gefunden und auf meinem Blog aus Kambodscha und jetzt im Nachgang berichtet.
Wie war die Umstellung für Dich in einem sehr armen Land zu leben?
Schockierend. Nun war ich ja gerade mal zehn Tage dort und bin so tief eingetaucht in das Leben, wie es möglich war. Aber alles kann man in dieser kurzen Zeit natürlich nicht abbilden. Mir ist die Umstellung sehr schwer gefallen. Für uns normale Basics wie Toiletten oder Wasser, das aus dem Hahn kommt, sind dort eben nicht gegeben.
Hast Du mit den Kindern dort gelebt?
Es ist nicht so, dass man mit den Kindern dort Zimmer an Zimmer lebt. Sie haben ihre Bezugspersonen, Pflegemama- und Papa, mit denen sie in Häusern wohnen. Da geht man natürlich nicht einfach rein und sagt: Hey, hier bin ich! Diese Kinder sind alle Waisen, die meisten schwer traumarisiert, weil sie zum Beispiel gesehen haben, wie ihre Eltern starben oder weil sie auf der Straße gelebt haben – alleine. Die Nähe muss man sich natürlich aufbauen, durch gemeinsame Projekte, Spielen, Lachen.
Was hast Du während deines Aufenthaltes alles mit den Kindern unternommen? Konntest Du in Kontakt treten und wie sind die Kinder Dir begegnet?
Wir haben jeden Tag ein anderes Projekt gemacht. Zum Beispiel das Projekt Zähneputzen. Kinder in Kambodscha kennen teilweise Zahnbürsten noch gar nicht, also wissen sie auch nicht, wie sie sie anwenden sollen. Für das Projekt Händewaschen hatten wir Seife dabei, die gibt es nämlich auch nicht, und haben allen gezeigt, wie man die Hände wäscht. Außerdem haben wir eine Wand in einem Klassenraum bunt gestaltet, wie eine Art Aquarium und Gesellschaftsspiele gemacht. Letztere gibt es dort eben auch nicht, und das war toll zu sehen, wie man mit Spielen die Kinder begeistern und zum Lachen bringen kann.
Das erzeugt dann natürlich auch eine gewisse Nähe, aber alle Kinder sind unterschiedlich. Manche sind sehr schüchtern und finden es befremdlich, dass da plötzlich weiße Menschen sind, die sie vorher noch nie gesehen haben. Andere rennen dir hinterher und setzen sich neben dich und finden das total spannend. Einmal saß ich vor dem Lehrerzimmer im Kinderdorf mit meinem Computer, um zu schreiben. Dann setzte sich ein kleiner Junge neben mich. Er konnte noch kein Englisch, ich kein Khmer. Aber wir haben uns unterhalten. Mit Händen und Füßen und lächeln. Er ist dann bei mir sitzen geblieben, das war einfach schön.
Grenzerfahrung für eine Mutter: Das Kinderdorf in Kambodscha
Was war das traurigste und was das schönste Erlebnis Deiner Reise?
Puh, traurige Momente gab es leider sehr viele. Die Armut im Gesamten und zu sehen, wie Kinder außerhalb des Kinderdorfs hungern oder mangelernährt sind. Dass sie an sehr stark befahrenen Straßen spielen und noch nicht einmal Schuhe besitzen. Schön und beeindruckend war zu sehen, wie gut es die Kinder im Kinderdorf haben. Auch wenn sie alles verloren haben, kümmert man sich hier sehr gut um sie. Auch psychologisch. Es hat mich beeindruckt zu sehen, was mit Spenden möglich ist, wenn genügend Leute helfen.
Was nimmst Du mit von dieser Erfahrung, die Du ja bestimmt nicht so schnell vergessen wirst?
Ich nehme mit, dass ich da weitermachen möchte, wo ich jetzt stehe. Ich werde weiterhin über Kinder in Not berichten, ihre Lebensgeschichten in die Welt tragen und natürlich versuchen, Spenden zu sammeln. Ohne die geht einfach gar nichts.
Wird man tatsächlich bewusster, dankbarer, was sein eigenes Leben betrifft oder holt einen der eigene Alltag schnell wieder ein?
Jetzt nach der Reise empfinde ich mich selbst als gelassener. Irgendwie war sie ein notwendiger Break für mich. Mein Alltag ist jetzt anders. Weil ich jeden Tag an die Kinder dort denke und eine Art Sehnsucht habe. Heute morgen bin ich mit meiner großen Tochter so aneinander gerasselt, da ging es um etwas ganz Banales: eine Sporthose. Ich war der Meinung, sie hat genug Sporthosen, sie aber will eine neue. Noch eine.
Da prallen jetzt Welten aufeinander: Ich habe Kinder getroffen, die ein Shirt und eine Hose haben. Mehr nicht. Meine Teenietochter hat einen prall gefüllten Kleiderschrank und hat immer noch Wünsche. Das muss ich einerseits respektieren, weil sie nicht gesehen hat, was ich erfahren habe. Andererseits möchte ich auch gerade meiner großen Tochter etwas von meiner Reise auf den Weg geben: Manche Dinge müssen nicht sein. Schon gar nicht, wenn wir die bereits besitzen.
Danke Leo, für Dein Engagement und Deinen Mut, die Reise anzutreten!
2 Kommentare
Danke für das Interview. Es erinnert mich daran, wie gut es uns ( also mir und meiner Tochter ) geht. Vor zwölf Jahren, als ich durch Trennung aus meinem wohl begütetem Leben raus geschleudert bin, war ich immer so dankbar, in einem Staat zu leben, der mir Geld für Wohnen und Essen gab. Ich weiß, es geht nicht jedem so oder nicht jeder denkt so. Ich habe meinen Kindern oft gesagt, dass wir Glück haben , in einem anderem Land wären wir auf der Straße gelandet.
Den Bericht von Leo werde ich mir auch noch in Ruhe durchlesen.
Liebe Grüße
Britta
Wir würden gerne ein Kind aus dem Ausland adoptieren, weil wir hier alles bieten könnten, was zu einem erfüllten Leben dazugehört. Aber leider sind die bürokratischen Hürden und Kosten so hoch, dass wir lieber davon absehen und für den geplanten Familienzuwachs lieber das Risiko einer zweiten Schwangerschaft auf uns nehmen…..schade, dass man trotz vorhandener Möglichkeiten nicht einfach einem Kind eine schöne Zuunft bieten kann…..