Alleine zur Schule gehen- das war ein großer Wunsch der Tochter für die 3. Klasse. Die ganzen Sommerferien über machte Constanze bei uns zu jeder Gelegenheit „Lobbyarbeit“ für dieses Ziel. „Mhh, ja schauen wir mal… ja, sehen wir dann…mhh, alles klar“, waren meine ausweichenden Antworten. Schon unser Sohn hat sich damals in der dritten Klasse durchgesetzt und bewältige von da an den Schulweg alleine. Eigentlich sollte man ja meinen, dass wir Eltern uns über mehr Selbständigkeit freuen. Ein Weg weniger am Tag, früher im Büro, morgens mehr Zeit.
Meine eigene „Selbständigkeit“ als Kind: Das Geständnis meiner Mutter
Als damals unser Sohn zum ersten Mal alleine in die Schule ging, gestand mir meine Mutter etwas. „Ich bin Dir jahrelang im Auto hintergefahren um zu schauen, ob Du sicher ankommst.“
Ich fiel aus allen Wolken. Dachte ich doch, dass ich als selbständiges Kind der 80er Jahre ab der 2. Klasse den Schulweg durch unser kleines Dorf alleine bewältigt habe. So stolz war ich immer darauf!
Nein, das war anscheinend nicht so. Meine Mutter aka „IM Schulweg“ hat mich jahrelang vom Auto aus „beschattet“. Ich war total baff, irgendwie auch enttäuscht und nahm mir ganz fest vor, dass ich das mal gaaaanz anders mache.
So anders habe ich das gemacht:
Am Morgen, als Constanze mit ihrem Klassenkamerad allein losging, packte mich die nackte Panik. Ich whatsappte zunächst die Mutter des Freundes an.
„Weiß die Schule überhaupt, dass die Kinder jetzt allein unterwegs sind?“
„Meinst Du, wir können mal gleich im Sekretariat anrufen, ob sie auch angekommen sind?“
……..
„Ich fahre denen schnell mal hinterher!“ (mehrere Panik-Emojis hinterher)
Das erste Mal alleine zur Schule gehen: Mama im Panik Modus
Gesagt, getan. Panik-Muddi sprang ins Auto und fuhr den Kids hinterher, die einträchtig und vollkommen sicher die Straße hinunter liefen.
Ich verlangsamte das Auto und ließ das Fenster hinunter. Ein genervter „Habe ich mir doch gedacht, dass Du hier aufkreuzt-Blick“ der Tochter begrüßen mich.
„Mama, was willst Du?“
„Ich fahre hier ganz allgemein in diese Richtung und wollte Euch noch sagen, dass Ihr erst noch in den Hort müsst.“
„Mama, das wissen wir. Spionierst Du uns nach?“
„Neinneinnein, ich war gerade auf dem Weg zum …BäckerMetzgerArbeit“, stammelte ich.“
Mitleidiges Seufzen. Augenrollen. Und ein Befehl:
„Mama, Du kannst jetzt heimfahren.“
Ich fühlte mich so was von ertappt, das könnt ihr Euch gar nicht vorstellen. History repeating, aber so was von! Das mit der Karriere beim BND wird nun auch nichts mehr. Und dabei wollte ich das doch alles so viel besser hinbekommen als meine Mutter damals mit dem Loslassen und dem Vertrauen. Hat so gar nicht geklappt…..
Es ist lustig, wie wir uns manchmal bemühen, alles „anders“ zu machen als die eigenen Eltern und dann so kläglich scheitern. Das Kind das erste Mal alleine losgehen zu lassen ist eben kein Pappenstiel für eine Mutter. Da laufen ganz viel bescheuerte Filme innerlich ab und denen -sprich der Angst- muss man sich stellen.
Loslassen und vertrauen: Schwierig, aber nötig
Abends stellte mich Constanze beim Abendessen dann noch mal zur Rede und las mir die Leviten.
„Mama, ich KANN das. Du musst mich nicht mehr zur Schule bringen, OKAY???“
Was soll ich sagen, sie hat mich gut erzogen. Am nächsten Tag schon blieben das Auto und ich zu Hause. Das war alles andere als einfach. Manchmal schrecke ich gegen 11 Uhr morgens bei der Arbeit auf und frage mich, ob sie auch sicher angekommen ist. Manchmal frage ich mich, ob es nicht doch voll okay und normal wäre, so eine klitzekleine Stichprobe durchzuführen, ob die Kinder auch wirklich nur bei „grün“ über die Straße gehen. Ich habe doch noch einen Trenchcoat aus den 80er Jahren von meiner Mutter, mit dem sie damals under cover ging auf meinem Schulweg….
Mir müssen schaffen, zu vertrauen, dann loszulassen und lernen, unsere inneren Katastrophen-Filme abzustellen.
Was bleibt einem auch anderes übrig als Mutter?
Einfach ist es nicht und ich will gar nicht daran denken wie das wird, wenn sie mal abends ausgeht später. Ich kann aber jetzt jeden Tag üben.
Wie war das für euch, eure Kinder das erste Mal alleine losziehen zu lassen?
5 Kommentare
Liebe Nina, ein großes Thema. Ich habe eben deine IG Story gesehen und bin ganz bei dir- den Begriff „Helikoptermutter/ Eltern“ empfinde ich auch als wertend, abwertend.
Angst ist so ein großes Thema und sehr individuell. Die eigene Angst (ums Kind) kann man immer wieder auf den Prüfstand stellen und mir hilft es aktiv dagegen anzugehen. Zum Beispiel Schulweg: genau hinzuschauen was mir Angst macht, welche Stellen und das eigene Kind dabei nicht aus den Augen zu verlieren. Was traut es sich selbst zu?
Außerdem: mit anderen zu sprechen, dabei z.B. hilft der Begriff Helikoptereltern so gar nicht weiter, denn als Folge würde ich mich nicht mehr trauen, meine Ängste zu besprechen.
Danke für Dein wertvolles Feedback, Cordula! In der Tat muss man sich immer selbst hinterfragen. Ich habe auch Probleme mit dem Begriff!
Guten Tag,
Also mein Sohn ist jetzt in der zweiten Woche Schule und will demnächst alleine gehen. Bei uns sind es aber nur „300m“. Ich finde das sehr gut und würde auch nicht kontrollieren. Ich weiß was er kann.
Ich finde den Begriff Helikopter Eltern aber auch nicht gut. Früher gab es einfach weniger Autos und dadurch weniger Gefahr.
Also bei uns würde die Schule theoretisch anrufen, wenn ein Kind unentschuldigt nicht auftaucht. Sorgen mache ich mir auch viele. Allerdings fahre ich zur Arbeit sobald die Kinder morgens raus sind. Ich habe gar keine Kapazitäten für Verfolgungsaktionen. Wir erlauben unserer Tochter aber nicht mit dem Fahrrad zur Schule zu fahren. Viele Kinder dürfen das. Wir wohnen in einer Stadt mit wirklich üblem verbauten Straßenverkehr und Autochaos ohne Ende. Da unsere Tochter auch noch sowas wie ein Unachtsamkeit Schüssel ist, ist das alleine Fahrradfahren mein Angstthema.
Hallo Nina
Loslassen will gelernt sein, … man muss sinnvolle Risiken im Leben eingehen und sich aussetzen … damit wir alle vorwärts kommen. Alles nicht so einfach, wie die Worte schnell nur runterzuschreiben.
Aber diesen Reife-Prozess bracht man, schließlich macht es Gott mit uns nicht anders, während er trotz allem ein Auge auf uns hat. So sind sind halt liebevolle Eltern. Natürlich kann das gesunde und hilfreiche Maß auch zum Vorwurf werden. Aber es kann auch ein Segen sein 🙂