Familienalltag mit Humor

Selbständig werden: Der Sohn ist stolz, die Mutter ängstlich

5. April 2016

Selbständig werden: Das ist für Kinder enorm wichtig, ich drehe trotzdem am Rad. Sebastian unternimmt seit ein paar Wochen längere Ausflüge.  Alleine mit einem Freund. Unbeaufsichtigt! Und ich weiß nicht immer zu jeder Zeit, wo er ist und was er macht. Wahhhh! Wir sind doch nicht in den wilden Achtzigern, oder? Was für mich als Kind völlig normal war, scheint heute ein großes Wagnis zu sein. Jedenfalls ist das Loslassen und Vertrauen für mich schon ein großer Schritt….

Selbständig werden als Kind, das muss auch Mama lernen

„Ich will mit Ben rumfahren, Mama. Tschüüühüüüs!“ Mein Sohn setzt sich den Fahrradhelm auf und geht aus dem Haus. MOOOOOMENT.
„Wohin fahrt Ihr, wie lange seid Ihr weg und was wollt Ihr machen?“
„Keine Ahnung, wir schauen mal.“
Mhhh. Mein Sohh hat ein neues Rad bekommen, das Wetter ist endlich besser und er will draussen herum fahren. Das ist ja eigentlich nichts besonderes. Ben ist Sebastians Schulfreund, ich mag ihn sehr und halte ihn auch für vernünftig. Außerdem könnte man ihn fast für einen Zwölfjährigen halten, obwohl die Jungs gerade erst neun Jahre alt sind. Ben war bei uns vorbei geradelt und steht nun erwartungsvoll in der Tür.
„Dürfen wir?“ Tja, was sagt man da? Ich entscheide mich für den mutigen Sprung ins kalte Wasser. Ich lasse die Jungs ziehen. Glücklich fahren sie los, mit reichlich Ermahnungen von mir, nicht zu weit weg zufahren, die Jacken nicht offen zu lassen und vor allem VORSICHTIG zu sein.

Die Kinder loslassen: Mit Handy oder doch lieber eine Drohne?

Ben hat ein neues Handy und ich habe seine Nummer. Das beruhigt mich, denn so kann ich die beiden zur Not „orten“. Ich gehe vor die Tür und winke ihnen etwas wehmütig nach. Der Nachbar kommt vorbei und ich erzähle ihm von meinem mutigen Schritt. „Zur Not könnt Ihr sie ja mit einer Drohne überwachen, oder?“ Macht er sich jetzt über mich lustig? Könnte sein, aber egal.
Nach einer Stunde wage ich den ersten Anruf. „Huhu, hier ist Niiina. WasmachtIhrdennWoseidIhrWannkommt Ihrheim?“
„Wir sind gerade im Wald. Jetzt haben wir uns ausgezogen und chillen“, berichtet Ben geduldig. Er ist sehr höflich zu mir, aber redet auch extra langsam, damit ich es verstehe, ich arme Irre.
„Waaaas?“ Ich höre das Gekichere meines Sohnes im Hintergrund.
„Wir haben uns die JACKEN ausgezogen, Nina. Und jetzt fahren wir noch zum Wannsee.“ Ich höre praktisch das Augenrollen der Jungs über die Telefonleitung.

Die Jungs machen einen „Herrenausflug“

Zum Mittagessen sind sie wieder bei uns. Nudeln mit Tomatensoße war mein Köder. „Und was habt ihr am See gemacht“? Ich bin schon etwas nervig, gebe ich zu. Aber das muss ich ja auch erst lernen, das vertrauensvolle Loslassen.
„Wir waren im Segelclub und haben ein Eis gegessen.“ Mir fällt die Kinnlade runter. Nächste Woche suchen sie sich dann eine Yacht aus und üben ein bischen Wende und Halse, oder was? Ben und Sebastian sitzen am Tisch und schaufeln ordentlich in sich rein. Mir kommt es vor, als ob mein Sohn mindestens drei Zentimeter gewachsen wäre, so stolz ist er. Ich bin es ehrlich gesagt auch. Wenn man sie lässt, die Kids, sind sie mit neun Jahren ganz schön selbständig. Zu Hause muss ich ihm alles hinterher tragen, aber alleine chillt er im Segelclub rum. Ich lerne viel an diesem Tag.

„Der schönste Tag in meinem Leben“

Na, Schatzi, Ihr hattet heute einen tollen Tag, oder?“, frage ich ihn abends beim Zubettgehen und Schlaflied singen. Das darf ich noch, immerhin.
„Mama, das war der schönste Tag in meinem Leben.“ Interessant. Nicht der Indoor-Spielplatz, das Spaß-Bad oder als er mit seinem Vater den neuen Star Wars-Film ansehen durfte, war sein schönste Tag, sondern selbständig und selbstbestimmt einen Tag mit seinem Freund verbringen. Ohne Mama mit ihren ständigen Ermahnungen. Die Jacke ausziehen, wenn er das will und einfach mal so die Gegend erkunden. Ich kann ihn verstehen, aber ich bin auch ein bisschen traurig. Sebastian erweitert nun seinen Radius und ich komme immer weniger darin vor. Braucht mich jetzt bald gar nicht mehr? HEUUUUUUL!

Trotzdem bin ich sehr stolz auf ihn. Unbeaufsichtigt sein, eigenständig sein (und wenn es auch nur bis zu meinem nächsten Handy-Anruf ist), das ist wichtig für ein Kind. Meine Bedenken muss ich in den Griff kriegen. Obwohl er natürlich die Jacke anbehalten sollte. Es ist ja noch recht kühl draussen und dann erkältet er sich. Und dann…..Ach, ich muss aufhören damit!

Wie geht Ihr damit um, dass Eure Kinder selbständig werden?

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8 Kommentare

  • Reply Mama notes 5. April 2016 at 7:48 pm

    Haha – eine Drone gibt dem Helicopter Parenting auf eine ganz neue Ebene! Und dann ist es auch nicht mehr so anstrengend, die Drone fliegt für uns. ;I
    Liebe Grüße, Sonja

  • Reply Gartenbuddelei 6. April 2016 at 8:19 am

    Kam nicht umhin, mehrfach während des Lesens Deines Artikels seufzend den Kopf zu schütteln, weil ich mich SOOO erwischt gefühlt habe *lach*. Es ist einfach furchtbar, oder? Ich bin auch völlig frei großgeworden. Keiner hat mich mit fast 12 Jahren gefragt, wohin ich gehe und was ich mache. Hauptsache ich war abends wieder zu Hause… Und heute? Wir Mütter sind schon eine sehr spezielle Spezies. Wenn ich auch selber großen Wert darauf lege, Dinge, die mich als Kind genervt haben, als Mutter nicht zu machen, so kann ich bei diesem Thema nur schlecht auf „cool“ schalten. Und dann kommt noch der übervorsichtige Vater dazu, der mich dann abends mit schreckgeweiteten Augen fragt: „Er hat WAS alleine gemacht….????“
    Wir müssen uns wohl langsam rantasten. Und daran denken, wie stolz wir selber waren, wenn wir früher den ganzen Tag unbeaufsichtigt den Tag verbracht haben….
    Liebe Grüße
    Anja

  • Reply Frau Mutter 6. April 2016 at 8:42 am

    Hallo Anja,
    ja, schon komisch wie man die eigene Kindheit vergisst dabei. Meine Mutter gestand mir kürzlich, dass sie immer heimlich mit dem Auto hinter mir hergefahren ist beim Schulweg. Doll, oder? LG nina

  • Reply Cat 6. April 2016 at 10:11 am

    Wir hatten einen ähnlichen „Fall“ am Wochenende. Meine Jungs (7 und 8 Jahre alt) zerstörten mit ihrem Fußball meine schönen Krokuse und Tulpen im Garten. Nachdem ich mehrfach geschimpft habe, schlug mein Großer vor, sie könnten ja auf den Fußballplatz gehen. ALLEINE??? Dabei muss ich zugeben, der Platz ist wirklich nicht weit weg, vielleicht 100 m, man muss dazu einmal über eine viel befahrene Straße aber die ist gar nicht mein Problem sondern eher irgendwelche kinderfangende Psychopathen.
    Ich habe sie ziehen lassen und 1 Stunde später waren sie zu meiner unendlichen Erleichterung wieder da. Und es war wie Du es beschrieben hast: Meine beiden Jungs waren stolz und ich auch irgendwie.
    Ich muss diese Angst irgendwie in den Griff bekommen. Auf der anderen Seite, wenn es sie erwischt, verzeihe ich mir das mein ganzen Leben lang nicht…

  • Reply wanda 8. April 2016 at 7:18 am

    kinder werden nunmal groß.daran lässt sich leider(??? ) nichts ändern. ic hpersöhnlich finde es jetzt nicht all zu „aufregend“ wenn ein 9 jähriger mit dem fahrrad irgendwo unterwegs ist. ich erinnere mich da an meine kindheit, ohne handy und ohne ständiges“ wo bist du und was machst du“ (ich glaube ich hätte das ding im see versenkt wenn meine mutter mir ständig hinterher telefoniert hätte XD ) meine eltern wussten oft den ganzen tag nicht wo ic hbei uns unterwegs war.abendessen war meist der einzige köder ;). oder ein elternteil unserer gruppe fuhr mit dem fahrrad durch die gegend und sammelte dann irgendwo vom wald, spielplatz oder feld die kinder ein wenn es zeit wurde.. meine mutter hat mir erzählt,dass dass für sie normal war, da auch sie schon so aufgewachsen ist und auch ic hwerde das so weiter führen. für mich ist dieses ständige geklammere und “ wo bist du “ und “ ich muss zu jeder zeit wissen wo mein kind ist und was es macht“ irgendwie unverständlich. klar ist man besorgt, aer ich denke zurück an meine kindheit und wie frei und selbstständig wir schon ab der 1 klasse waren ( selber mit freunden zur schule und zurück laufen etc) und will das auc hfür meine kinder. ich bin der meinung kinder brauchen auch einen „eltern freien raum“ der ihnen gehört, wo sie sich selbst entdecken können, erfahrungen sammeln können etc. ich muss da nicht immer meinen rüssel reinhängen. ich bin auch erwachsen geworden und habe alles unbeschadet überstanden. meine kinder werden dass auch schaffen.

  • Reply Nora 8. April 2016 at 2:51 pm

    Hallo Anja, ich kann dich gut verstehen! Mein großer wird 11 und die Tochter ist schon fast 9 Jahre. Ich genieße die Selbstständigkeit der Kids, bin aber auch ab und an ängstlich und könnte heulen bei dem Gedanken, dass sie irgendwann aus dem Haus sind und nichts mehr von mir wissen wollen.
    Der Große bewegt sich durch die Stadt, als hätte er nie etwas anderes gemacht und ich hardere mit dem Thema Handy…. Bisher hat er noch keins, fragt auch nicht danach und ich muss mich immerwieder daran erinnern, dass wir ja auch ohne groß geworden sind…LG, nora

  • Reply Nora 8. April 2016 at 2:55 pm

    zack, nicht richtig geschaut..liebe.NINA….wie peinlich;)

  • Reply MeKa 11. April 2016 at 1:54 pm

    Mein Sohn ist auch 9 Jahre alt, er würde ja auch so gerne viele Sachen allein / mit Freunden machen (Hauptsache ohne Eltern!), und ich schaff es noch nicht ihn weiter als zur Bäckerei zu lassen (ca. 8 Minuten Fussweg), von einem Fahrradausflug mit Freund ganz zu schweigen!! Obwohl es für mich damals, wie bei Dir, ganz normal war dass wir ohne Eltern stundenlang irgendwo rumfuhren. Noch dazu ohne Handy damals. Ich versuche mich also anhand Deines Posts nochmal zu ermutigen zum elterlichen Loslassen…

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