Erfahrungen

Das Press-Geschenk

27. März 2012

Andere Länder haben wunderbare Sitten und Gebräuche. In Amerika gibt es beispielsweise das “Press-Geschenk” oder auch push-present, was es nach erfolgreichem Heraus-Pressen der Nachkommen gibt. Kritiker behaupten, das „push-present“ sei so emanzipiert wie etwa die „Morgengabe“. Beides erfolgt ja nach Ausübung der ehelichen Pflichten. Egal. Ich vertrete solidarisch und vehement die Rechte einer jeden Amerikanerin auf Leben, Freiheit und dem Streben nach Brilliantringen auch hier in Deutschland! Da ich meinen Mann seit 26 Jahren kenne, hatte ich auch genügend Zeit, ihm das Evangelium nach DeBeers einzutrichtern. Kurz vor der Geburt meiner Tochter begaben wir uns also in einen der Nobel-Juweliere auf dem Berliner Ku’damm.

Topverdiener spielen im Nobel-Juwelier

Topverdiener spielen ist schon aufregend und will gut vorbereitet sein. Wir haben uns also ein bisschen herausgeputzt, um nicht ganz neben den Oligarchen abzufallen. Die schwere Glastür des französischen Schmuckhändlers ist schwer mit einem Dragan oder wahlweise Slobodan bewacht. Er sieht sofort, dass wir nicht “Karl Lagerfeld” sondern “Karl Lagerfeld for H+M” sind. Er lässt uns trotzdem rein, der Nette.

Die Verkäuferin im Innern des Ladens hat uns im Bruchteil einer Sekunde in das preisliche Einstiegssegment des Ladens verortet. Wasser? Gerne, die Zunge klebt schon vor Aufregung in der Mundhöhle. Wir nehmen Platz. Neben uns räkelt sich auf einem Stuhl ein stadtbekannter Playboy und lässt sich Schmuck für seine “Begleiterinnen” zeigen. Heinz Paradies hat mit mehreren Nachtclubs ein Vermögen gemacht und kauft immer genau den gleichen Ring für seine Freundinnen. Sie können sich also gegenseitig immer am Ring erkennen, wenn sie auf dem Ku’damm mal verloren gehen.

Wir sind natürlich vorbereitet, haben wochenlang die Website und Preise studiert, um auch ja nicht im entscheidenden Moment ins Wanken zu geraten bei der Auswahl. 
“Guten Tag, einmal bitte den Ring da mit den drei Ringen so verknotet, weiss nicht genau wie der heisst, aber den kenne Sie sicher”, stammele ich unsouverän. Ohneinohneinohnein, viel zu hastig, typischer Anfängerfehler. Sofort durchschaut. Kommt davon, wenn man mit den grossen Hunden bellen will. Die Verkäuferin ist gnädig und verpackt den Ring in eine wunderschöne rot-goldene Schachtel.

Finanzielle Engpässe vor Publikum

Mein Mann fischt weltmännisch die Kreditkarte hervor, leicht bebend. Andächtiges Schweigen, während das Kartenlesegerät vor sich hin murmelt. Dann: Nichts. Abbruch. 
Verkäuferin: „Das haben wir gleich, ich versuchs nochmal!“ 
Zweiter Abbruch. Kalter Schweiss.

Heinz Paradies lächelt amüsiert und zieht die linke Braue hoch. Was fast nicht mehr funktioniert, so viel Botox ist da drin. Er bezahlt sein Schmuckstück derweil in bar. Mittlerweile recken auch die anderen Kunden die Hälse, denn hier wird’s gerade spannend. 
Die Verkäuferin ruft unsere Bank an:“ Aha, ach so, verstehe. Danke.” 
Minimales Entgleiten der Gesichtszüge.
“Wie es scheint, befinden sich zum Erwerb dieses Objektes nicht genügend Barmittel auf Ihrem Konto.“
 
Um heil aus dieser Sache herauszukommen, müssen wir alle Karten ziehen, buchstäblich. Hier sind noch ein paar Euro auf dem einen Konto, da noch ein paar Cent übrig. „Nehmen Sie auch Flaschenpfand, oder Briefmarken?“ Naja, lieber nicht fragen.


Am Ende verlasse ich den Laden mit meinem Press-Geschenk. Und habe soviel Adrenalin ausgestossen wie bei der Geburt meiner Kinder.


Frau Mutter folgen

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5 Kommentare

  • Reply Schwiegermutter inklusive 27. März 2012 at 4:36 pm

    Hahaha, superlustig…und bloß nicht einschüchtern lassen von großen Tieren!! Da muss man drüber stehen…ich hab das irgendwann mal aus Langeweile geübt. Waren gerade nach Dubai gezogen und ich kannte noch niemand, also bin ich einfach mal in einer Luxus-Mall in alle noblen Läden rein und hab so getan als wollte ich was kaufen. Beim dritten Laden war ich Profi, die Verkäuferinnen haben zwar sofort geschnallt, dass ich nichts kaufe und mich ignoriert, aber ich habe mir fröhlich alles angesehen und sogar gewagt, mal was aus dem Regal zu nehmen…;-)

  • Reply Wurfprämie 28. März 2012 at 4:38 pm

    Ich kenne das unter „Wurfprämie“ 😉

  • Reply DieDizze 30. März 2012 at 7:42 am

    Wurfprämie *lach* Was es nicht alles gibt. Kann man das auch nachträglich einfordern?

  • Reply Wortakzente/Kinderohren 30. März 2012 at 2:23 pm

    Wie immer es heißen mag: Ich habe das auch bekommen. Und zwar gerne. Aber dass frau sich das vorher selber aussuchen darf, wusste ich noch nicht. Macht nichts, mein Mann hat Geschmack. 😉

  • Reply Lenale 24. Januar 2014 at 9:07 pm

    Mein Vater hat das schon vor 30 Jahren gemacht, wenn ich richtig informiert bin. Für jedes von 3 Kindern gab es ein besonderes Schmuckstück für meine Mama.
    Ich habe bei der Geburt unseres Krümels nichts von meinem Freund bekommen, aber ich habe auch nicht das Gefühl, dass mir was entgangen wäre. Das Baby war und ist um Welten wichtiger.

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