Gastbeiträge Leben mit Kindern

Schwanger und Schlaganfall: Eine Mutter erzählt

18. Dezember 2017
schwanger und schlaganfall

Schwanger und Schlaganfall, gibt es so etwas überhaupt? Tatsächlich ist ein Schlaganfall während einer Schwangerschaft sehr selten und stellt die Betroffenen sowie auch die Ärzte vor große Herausforderungen. Lisa hat es erlebt und möchte hier von der schwersten Zeit ihres Lebens erzählen. Ihren Namen habe ich auf ihren Wunsch hin geändert.

Plötzlich halbseitig gelähmtes Gesicht: Ist das ein Schlaganfall?

Zu der Vorfreude auf Weihnachten mischt sich bei mir in den letzten Tagen immer mehr die Erinnerung an einen schrecklichen Vorfall am Weihnachtsabend vor genau zwei Jahren. Damals erlitt ich im letzten Schwangerschaftsdrittel am Weihnachtsabend einen Schlaganfall.

Es war meine zweite Schwangerschaft im Jahr 2015. Mit 36 Jahren gehörte ich medizinisch gesehen schon zur Risikogruppe, bislang war aber meine Schwangerschaft gut verlaufen und ich hatte keine ungewöhnlichen Beschwerden.

Der Tag von Heiligabend war wuselig wie immer und ich war gerade dabei, den Tisch für unser Abendessen zu decken. Plötzlich wurde mir schwindelig und ein Glas, das ich trug entglitt meiner Hand. Im nächsten Moment brach ich zusammen und mich überfiel ein seltsames Gefühl der Machtlosigkeit. Teile meines Körpers ließen sich einfach nicht mehr kontrollieren und ich brach in Tränen aus.

Alle waren sehr besorgt, da ich ja hochschwanger war und niemand verstand, was gerade passierte. Als ich versuchte, meinen Zustand in Worte zu fassen, konnte ich die Worte plötzlich nicht mehr vernünftig artikulieren. Mit halbseitig gelähmtem Gesicht stammelte ich nur „habe ich etwa einen Schlaganfall?“.

Schwanger und Schlaganfall: Welche Medikamente kann ich überhaupt nehmen?

Im Rettungswagen rasten meine Gedanken. Was passiert mit meinem Baby? Werde ich als Frau im Rollstuhl und ohne Sprachvermögen zu meiner Familie zurückkehren? In der nächstgelegenen Stroke-Unit (Spezialstation für Schlaganfälle) stellte man in einem MRT fest, dass es tatsächlich in mehreren Hirnregionen zu einer Durchblutungsstörung gekommen war. Zwar waren die Ärzte bemüht, mich so gut wie möglich zu informieren, schienen selbst aber auch überfordert.

Ein Schlaganfall bei einer schwangeren Patientin war mehr als ungewöhnlich. Somit war unklar, welche Medikation sie mir verabreichen durften. Im Normalfall werden Schlaganfallpatienten sofort blutverdünnende Mittel gegeben. Da dies aber für das ungeborene Kind zum Risiko werden konnte, wurde davon abgesehen.

Schlaganfall mit 36 Jahren: Warum ich?

Was war passiert? Wie konnte so etwas einem gesunden, jungen Menschen wie mir widerfahren? Bislang hatte ich immer einen gesunden Lebensstil geführt, viel Sport getrieben, weder geraucht noch mich ungesund ernährt.

Die folgenden Tage bis zur Silvesternacht verbrachte ich in Ungewissheit auf der Intensivstation. Ich weinte jede Nacht und vor allem dann, wenn ich meinem Sohn am Telefon gute Nacht sagen musste. Er durfte mich hier nicht besuchen und ich vermisste ihn so sehr. Mein Mann hatte ihm erklärt, dass ich wegen des Babys ins Krankenhaus musste und somit machte er sich wenigstens nicht allzu viele Gedanken.

Schnelle Genesung, aber dem Tod so nah wie noch nie

Täglich übten nun eine Physiotherapeutin und eine Logopädin mit mir das Sprechen und andere Bewegungsabläufe, so dass nach wenigen Tagen Gesichts- und Handmuskulatur fast wieder die alte war. Jede Nacht war unterbrochen von Untersuchungen, piepsenden Gerätschaften und viel Grübelei. Mit meinem dicken Bauch konnte ich nicht mehr richtig bequem liegen und da ich sehr geschwächt war ging es nur mit Hilfe ins Badezimmer.

Auch die Gewissheit, dass einige Mitpatienten viel schlimmer betroffen waren stimmte mich traurig. Aber ich selbst war dem Tod noch nie so nah gewesen und war sehr aufgewühlt. Am schlimmsten war es, in dieser Zeit voller Angst und Unsicherheit nicht bei meiner Familie sein zu können.

Große Angst bis zur Geburt

Ganz abgesehen von meinem eigenen Körper machte ich mir große Gedanken um mein ungeborenes Baby und die bevorstehende Geburt. Würde man das Baby früher holen müssen, falls sich mein Zustand verschlechtern sollte? Würde das Kind später unter den Folgen der Stresssituation leiden? Wie konnte in den nächsten Wochen bis zur Geburt ein weiterer Schlaganfall verhindert werden?

Die blutverdünnenden Medikamente durfte ich erst nach der Geburt einnehmen. Die Suche nach den Ursachen stellte alle Ärzte vor ein großes Rätsel. Nach verschiedensten Untersuchungen konnten sie keine tatsächlich überzeugende Erklärung finden.

Gefahr der natürlichen Geburt?

Da bei Presswehen der Druck auf den Kopf ein erneutes Risiko darstellen würde, vereinbarten wir auf Empfehlung der Ärzte schließlich einen Termin für einen geplanten Kaiserschnitt. Ich war sehr enttäuscht, da ich schon im Vorhinein eine Beleghebamme gefunden hatte und gerne wie bei der ersten Geburt natürlich entbunden hätte. Auch dieses einzigartige Erlebnis wurde mir nun verwehrt.

Noch vor dem Jahreswechsel konnte ich das Krankenhaus verlassen und war unendlich erleichtert, wieder zuhause zu sein. In den folgenden Wochen bekam ich viel Unterstützung von der Familie. Da mein Mann leider wieder arbeiten gehen musste, wurde mir eine Haushaltshilfe bewilligt, die die wichtigsten körperlichen Arbeiten im Haushalt erledigen konnte. Ohne sie wäre ich vermutlich mit all dem überfordert gewesen.

Gesunde Tochter, gesunde Mutter

Die Geburt kündigte sich tatsächlich und ironischerweise mit einem Blasensprung einen Tag vor dem vereinbarten Kaiserschnitttermin an. Als meine Tochter wenige Stunden später gesund und munter zur Welt kam, war ich erleichtert aber auch sehr erschöpft. Viele Freunde nahmen Anteil an meiner Geschichte, brachten Blumen oder kleine Aufmerksamkeiten vorbei. Ein paar wenige verhielten sich merkwürdig distanziert, was mich natürlich traurig stimmte. Aber solch ein gesundheitliches Problem ist eben auch kein Thema für ein nettes Pläuschchen am Telefon.

Einmal Schlaganfall- und die Angst bleibt

Manchmal ertappe ich mich heute noch dabei, meine Mimik genau zu überprüfen und werde nervös, sobald sich ein Lid nicht ebenso leicht schliessen lässt wie das andere. Auch frage ich mich, ob meine Tochter in den letzten Wochen der Schwangerschaft durch meinen Stress beeinflusst wurde. Bislang äußert sich das glücklicherweise nicht.

Über den Vorfall „Schwanger und Schlaganfall“ sprechen wir heute kaum noch. Aber ich werde dieses Gefühl der Hilflosigkeit immer im Gedächtnis behalten und bin insbesondere nun an Weihnachten unendlich dankbar für meine gesunde Tochter und dass ich selbst wieder gesund bin.

Liebe Lisa danke dafür, dass Du hier so offen über diese schwere Zeit berichtet hast. Wir wünschen Dir von Herzen Gesundheit und alles Liebe für Dich und Deine Familie!

 

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