Leben mit Kindern

Kein Kontaktverbot für uns: Unsere neue Micro Community

14. Mai 2020
viele unbemannte Fahrräder vor einem blauen Himmel als Symbol für micro community

Obwohl nun die Kinder wieder teilweise in Schule und Kita gehen, gibt es immer noch keine Entlastung für Familien. Kein Wunder, wenn man 3 Kinder an 3 Tagen für 2 Stunden zusätzlich zu homeoffice und homeschooling noch irgendwo hinbringen muss. Die Gleichzeitigkeit macht uns kaputt, wir gehen auf dem Zahnfleisch, gerade auch die Mütter. Heute erzählt uns meine Gastautorin Sandy, eine Mutter mit drei Kindern, ganz offen: Wir halten uns nicht an das Kontaktverbot! Sie hat mit ihrer und einer anderen Familie vom Anfang des Lockdowns ein Micro Community- Modell gewählt, um diese Zeit überhaupt mental und finanziell überstehen zu können.

Wie sollen wir das schaffen?

Als Ende Februar ein Kita- Papa den allgemeinen Lockdown prophezeite (er ist Biologe und hatte Wissen aus „Insider- Kreisen“), war mein erster Gedanke, dass meine Familie und ich das nicht schaffen würden. Dabei bin ich grundsätzlich kein panischer, schwarzmalerischer Mensch, im Gegenteil, mit drei Kindern bin ich äußerst kreativ bei der Lösungsfindung jeglicher Probleme und schaue immer positiv nach vorne. Die Aussicht auf eine Schließung der Schulen und Kindergärten bei gleichzeitigem Home- Office meines Mannes und mir katapultierte mich jedoch umgehend auf ein Drahtseil in schwindelerregender Höhe.

Was sonst in solch extremen Situationen mein Netz und doppelter Boden ist, meine eigene Mutter, pensioniert und immer auf Abruf für uns da, würde wegfallen. Wie würden wir es ohne Hilfe von ihr, ohne Babysitter oder Au-Pair, im gesellschaftlichen Corona- Lockdown schaffen? Als sich die Befürchtungen dann bestätigten und die Kontaktbeschränkungen auf unbestimmte Zeit ausgesprochenen wurden, kam meine Nachbarin und Freundin Theresa ins Spiel.

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Eltern ohne Hilfe…helfen sich selbst mit einer Micro Community

Im verzweifelten Austausch mit ihr, ihrem Mann und deren zwei Kindern, wurde schnell klar: Wir tun uns zusammen! Anders würde es gar nicht gehen. Es sei denn, wir wollten unsere Ehen, die gut funktionierenden Beziehungen zu unseren Kindern, unsere Jobs und unsere psychische Gesundheit aufs Spiel setzen. Also setzten wir uns über politische Vorgaben hinweg und schmiedeten ein Komplott: Wir würden uns wie eine Patchwork- Familie verhalten. Wohl wissend, dass alle vier Erwachsene im HomeOffice arbeiten und die Kinder keine weiteren Kontakte haben würden, verpflichten wir uns zu Gegenseitigkeit. Wir bildeten einen kleinen Kreis von 9 Personen, eine Mikro- Community gegen den Rest der Welt.

Eine neue Patchwork-Familie aka Micro-Community

Es folgten Wochen der gegenseitigen Loyalität in unserer Micro Community. Wir wechselten uns ab beim Kinderbetreuen und Kochen. Wir machten uns das Leben leichter, indem wir uns mit Einkäufen absprachen und die Kinder miteinander spielten. Wir verbrachten Filmabende mit Popcorn beisammen und machten Spielenachmittage zur Pfannkuchenparty. Es fühlte sich gut an, wir konnten den Kindern ein Stück weit Normalität vermitteln. „Ein bisschen wie immer Sonntag!“ sagte meine Mittlere in den Osterferien. Es ging soweit, dass wir uns gegenseitige kinderfreie Abende ermöglichten, ein bisschen Paarzeit gönnten. Wir bildeten eine bubble, in der ich zugegebenen Maßen zwischendrin vergaß, in welcher Situation sich der Rest des Landes, ja der Welt befand. Hatten wir ein schlechtes Gewissen? Manchmal ja, aber im Schnitt eher nein.

Nein, ich habe kein schlechtes Gewissen!

Mittlerweile ist es Mai und die Kontaktbeschränkungen sind deutschlandweit gelockert. Dennoch ist der Alltag in diesen Corona- Zeiten nicht banal, geschweige denn wieder normal. Keiner weiß, was in den kommenden Monaten passiert, aber ich eins kann ich mit Bestimmtheit sagen: Bei einem erneuten Lockdown würde ich es wieder genauso machen, denn ich weiß nicht, wie ich ohne diese falsche Patchwork- Familie die vergangenen Wochen überstanden hätte. 

Unsere persönliche Kosten- Nutzen- Abwägung, kommt aktuell zu dem Schluss, dass der Nutzen der sozialen und emotionalen Aspekte von immensem Vorteil für alle Beteiligten war. Zu diesem Fazit kommen übrigens jetzt auch die Forschung, die unserem Modell Rückenwind gibt. Hier sprechen Wissenschaftler von den Vorteilen einer fester „Micro-Community„, nachzulesen auch in diesem Artikel der SZ.

Und eine letzte Anmerkung zum Thema „Nachbarschaftshilfe“, die in den vergangenen Wochen eine ganz neue Dimension für uns bekommen hat. Dieses Modell des gegenseitigen Helfens, Kochens, Einkaufens werden wir so oder so mit unser „falschen Patchworkfamilie“ beibehalten, denn so lassen sich auch wunderbar im hoffentlich bald Corona freien Alltag Geld sparen und elterliche Energien bündeln!

Habt ihr auch in den letzten Wochen mit einer Micro Community gelebt? Was haltet Ihr von dem Konzept?

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9 Kommentare

  • Reply Patricia 14. Mai 2020 at 8:03 am

    Haben wir – ja – von Anfang an – allerdings in einer Dreier Kombination. Ich und eine davon alleinerziehend. Das wäre anders überhaupt nicht möglich gewesen. Teilweise musste gearbeitet werden, eingekauft für die Eltern, Tanten und Nachbarn..

  • Reply Sabrina 14. Mai 2020 at 11:14 am

    Ihr könnt froh sein, dass ihr nicht erwischt wurdet! Erst vor ein paar Tagen ging es bei uns durch die Presse, dass eine „Coronaparty“ gesprengt wurde. Unter einer Coronaparty stelle ich mir eine Zusammenkunft mehrerer Leute (mindestens 20, mindestens 15 verschiedene Haushalte) vor, die trotz der Kontaktverbote gemeinsam Party machen. NIcht so in diesem Fall. Die hiesige „Coronaparty“ war ein simpler Kindergeburtstag. Den Zahlen nach zu urteilen schätze ich auf 3 – 4 Familien. Details gab man leider nicht bekannt. Alle Erwachsene müssen sich jetzt für ihr „Vergehen“ verantworten. Ich finde das furchtbar! Ein bisschen mehr Mitgefüh gegenüber den Familien und speziell dem Geburtstagskind hätte ich mittlerweile schon erwartet. Vor 6 Wochen vielleicht noch nicht aber jetzt auf jeden Fall. Und welcher abartig böse Mensch meldet sowas der Polizei ? Die „Party“ fand in einem winzig kleinen Kaff statt. Schwer vorstellbar, dass die Polizei das zufällig bemerkt hat.
    Wir selber haben uns (nicht auf meinen sondern auf Wunsch meiner Freundinnen) die ersten 4 Wochen an die Kontakbeschränkungen strikt gehalten. Als dann aber immer noch keine Beserung in Sicht kam, keine Kita und keine Schule aufgemacht hat, haben wir angefangen, die Kontakbeschränkungen zu ignorieren. Immer auf Gegenseitigkeit. Wenn jemand absolut keine Nähe will, akzeptieren wir das natürlich. Aber das sind die absoluten Ausnahmen. Das Leben hier im Dorf ist fast wieder normal. Keinen interessieren Abstandregelungen oder Kontakbeschränkungen. Der Grund dafür ist nicht Rebellion sondern schlichtweg der Frust über die Regierung (nicht mal auf Bundesebene, wir sind eher genervt von der Verzögerungstaktik von Herrn Kretschmann), die uns uninformiert im Regen stehen lässt. Ich bin mir sicher, wenn es einen eindeutigen Fahrplan geben würde, welches Kind wann wieder in dei Kita bzw. in die Schule gehen darf, wäre die Disziplin und die Akzeptanz der Verobte und Einschränkungen hier deutlich höher. Wir sind ja auch nicht doof. Uns ist durchaus bewusst, dass sich die Lage jeden Tag wieder ändern könnte und der „Fahrplan“ dadurch abgeändert werden müsste. Aber lieber Änderungen als absolute Unwissenheit.

  • Reply Cordula 14. Mai 2020 at 3:24 pm

    Ich frage mich gerade warum wir nicht darauf gekommen sind…. Wenn alle zu Hause sind, dann ist das Risiko doch tatsächlich zu vernachlässigen. Ich persönlich finde das auch nicht verantwortungslos – eher das Gegenteil. Wem ist denn bitte mit komplett überdrehten Kindern und Eltern am Limit geholfen? Und die gibt es leider überall.
    Jetzt, wo sich wieder zwei Haushalte treffen dürfen, lassen wir die Kinder auch wieder spielen und die sind so, so, so glücklich. Ich hätte auch nicht mehr länger warten können.

    • Reply Fabienne 15. Mai 2020 at 7:36 am

      Wir haben uns auch mit unsere nachbarsfamilie zusammengeschlossen. Also 4 erwachsene, alle berufstätig nicht im home office möglich, 5 kinder, welche sonst in der schule, kiga und kita sind. Ohne zusammenschluss wäre dies nicht möglich gewesen. Wir arbeiten im verkauf oder kita, welche notbetreuung anbot. Wir erlebten durch den zusammenschluss die zeit als machbsr. Es entstanden parallel welten. Zu hause konnten wir energie für, die doch anspruchsvollere zeit tanken.
      ( aus der schweiz)

  • Reply Inga 14. Mai 2020 at 5:48 pm

    He.
    Wie wäre euer Modell denn gewesen, wenn ein beteiligter Erwachsener im Krankenhaus/ Supermarkt/ Arztpraxis/ Kindergarten etc. tätig wäre?

    Um mich herum haben es recht viele so gemacht wie ihr. Alle betonen immer, dass sie sonst aber niemanden treffen und ja auch den ganzen Tag nur im Home-Office sitzen.
    Leider gibt es ja aber sehr viele Berufe, die einfach nicht gut Home-Office geeignet sind.

  • Reply Julia Trenka 15. Mai 2020 at 2:18 am

    Ich bin der Meinung, es ist eine Frage der Solidarität, dass sich in einer solchen Krise alle an die Vorgaben halten. Schade, dass sich viele im Land nicht angesprochen fühlen. Ich finde es einfach egoistisch. Ist doch klar, dass es jeder gerne so gemacht hätte. Dann wäre nur die Rechnung leider nicht aufgegangen.

  • Reply Jacqueline Stärklow 15. Mai 2020 at 5:53 am

    Wir leben mit meinen Eltern und meiner Oma in einem 4 Generationen Projekt und hinter unserem großen Tor sind wir 8 eher noch weiter zusammengerückt. Mein Papa geht 1x pro Woche für alle einkaufen, es gibt einen essensplan und mit dem Kochen wird sich abgewechselt.
    Mein Mann und beide Eltern gehen wenigstens teilweise weiterhin außer Haus zur Arbeit, nur ich bin ausschließlich im Homeoffice.
    Für uns ist dieses Modell schon lange sehr viel besser, als wenn mein Mann und ich mit unseren 3 Kindern in einem separaten Haushalt leben würden, auch wenn man natürlich viel mehr Kompromisse eingehen und Rücksicht nehmen muss. Im Moment ist es ein absoluter Segen!

  • Reply Petra 15. Mai 2020 at 7:29 am

    Wir haben das exakt gleich gehandhabt. Mit einer Familie, deren Mädchen mit unseren drei eng befreundet sind, die Eltern beide im HomeOffice, wir ebenfalls. Wichtig war mir das Vertrauen darauf, dass sonst tatsächlich keine Kontakte stattfinden. Wir sind/waren quasi eine Patchwork-Großfamilie. Die Kinder haben irgendwann auch gestritten wie Geschwister . Ich würde es genauso wieder machen und habe auch nicht das Gefühl, etwas Falsches getan zu haben.

  • Reply Aurelie 15. Mai 2020 at 9:13 pm

    Ich kann nur zustimmen: Wir haben das auch genauso gemacht und gehandhabt. Ich denke, es ist absolut vertretbar und verantwortungsbewusst, wenn sonst keine Kontakte stattfinden. Dabei ging es uns nicht vorwiegend um die Betreuung unserer Kinder, sondern um deren Wohlbefinden. Sie haben irgendwann tatsächlich gestritten wie Geschwister, waren aber froh, jemand zum spielen zu haben, so wie nur Kinder untereinander spielen können. Und wir waren froh, ihnen dieser Stück Normalität bewahren zu können. Ich würde es genauso wieder machen und habe auch nicht das Gefühl, etwas Falsches getan zu haben. Überraschend war für mich nur, dass es nicht so einfach war, eine Familie zu finden, die mitmacht. Die meisten haben sich an die ersten Wochen strikt an den Kontaktbeschränkungen gehalten, haben es dann aber nach 6-7 Woche nicht mehr ausgehalten und komplett gelockert. Mittlerweile trifft sich jeder mit jedem. Wir in gegen haben noch nicht das Bedürfnis, uns mit so viele Leute zu treffen und halten den Kreis weiterhin möglichst klein.

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