Leben mit Kindern

Babykoller in der Elternzeit: Zwischen Liebe und Langeweile

7. Dezember 2017
babykoller

Kennt Ihr den Babykoller? Also ich schon! In beiden Elternzeiten ist mir trotz wahnsinniger, tiefer Liebe und den schönsten Kuschelmomenten mit meinen Kindern die Decke ordentlich auf den Kopf gefallen. Ein „Produkt“ dieses Babykollers beim zweiten Kind war übrigens dieser Blog;)

Heute schreibt Gastautorin Heike auf unglaublich witzige und ehrliche Weise über ihren Babykoller. Viel Spaß!

Babykoller: Ich rede schon mit mir selbst

Letztes Wochenende war ich allein. Das war ein anderes Allein als früher. Nicht dieses durchaus geliebte „Ich war für mich“-Allein. Ich war alleine mit meinem Baby. Vater und großer Sohn ausgeflogen und mich hatten sie zurückgelassen. Ein ganzes Wochenende mit nichts als Niedlichkeit – glotzenden Kulleraugen, versabberten Grinsebäckchen, speckigen Grabschärmchen, pupsenden Popobäckchen. Und ich.

Es war echtes Schietwetter, es stürmte, regnete, alle potentiellen Babyfreundinnen noch im Urlaub und dann diese unerträgliche Langeweile des angesabberten Seins. Ein ewiger Schleier um die Augen. Colaflasche kalt in den Nacken, jähes Balkontüraufreißen, um sich kurz zu vergewissern: „Ja! Ja! Ich lebe noch“. Oft starrte ich milde lächelnd vor mich hin, blätterte Seite um Seite in Pappbilderbüchlein, redete wirr, sang schräg, summte – mich beinahe selbst hypnotisierend.

Elternzeit, diese schöne, unverzichtbare, einmalige und scheißlangweilige Zeit in meinem Leben.

Der DHL-Mann ist mein Tor zur Welt

Okay, in den ersten Wochen hat man wirklich damit zu tun, sich selbst wieder zusammenzusetzen. Dann stresst man sich durch diverse Baby-Kursangebote (bei Kind Zwei dann auch nicht mehr). Aber sobald so eine Art Kontrolle über den neuen Alltag mit Baby zurück ist, da schleicht sie sich ein, die Öde des Babymamadaseins. Ich finde das sogar anstrengender als das Babysöhnchen selbst. Zäher als die 40. Schwangerschaftswoche. Fordernder als alle zwei Stunden Stillen. Denn so ein Tag ist wirklich lang, wenn niemand mit dir spricht. Außer dem netten Kassierer vom Supermarkt und dem DHL-Typen.

Abends bin ich so voll mit Babygeschichten, die alle mit „Weißt du, was Franzfratz heute gemacht hat?“ anfangen, dass ich gar nicht weiß, welche meinen Mann zuerst zum Bier greifen lässt. Geduldig zuhören, najaaaa, ich seh es ihm an, es interessiert ihn wirklich, was der jüngste Spross getrieben hat, aber bis ins kleinste Pupsdetail nun auch nicht – nach neun Stunden Meetings mit ERWACHSENEN. Via Smartphone versuche ich den Kontakt zur Außenwelt aufrecht zu erhalten. Abends schlafe ich auf der Couch ein, tagsüber fülle ich die Stille mit fröhlichen Postings auf Facebook und Instagram.

Es ist so still, still, wenn das Kindlein niemand liken will.

Nägel lackieren und 90s Hip Hop hilft gegen Babykoller

Eine gute Bekannte kommentierte meine gestiegene Social Media Präsenz neulich mit: „Ich dachte echt, die muss wieder arbeiten!“. Hmpf. Ja und nein. Ja, weil ich eh bald wieder arbeiten werde, will und auch muss. Und nein wie gemein, weil es schon schade ist, wenn nicht mal Miniausschnitte meines Alltags geduldet sind, weil alle anderen sie noch scheißlangweiliger finden, als ich selbst. Alle denken, boah, die hat vielleicht Zeit.

Ich denke gar nicht mehr, vegetiere in der Mutation meiner Selbst, als Baby-zugedröhnte Mutti durch meinen Alltag zwischen Einkaufen, Aufräumen und Abwischen. Neulich hab ich mir die Nägel lackiert und war vom Geruch des Nagellacks so was von aufgewühlt, da hab ich glatt noch meine All-Time-HipHop-Favs aufgedreht. So „Fight for your right to party“-mäßig.

Heute war der Große dann das erste Mal in der Vorschule. Und da war sie wieder. Die Einsamkeit der Babymutti. Die Tristesse des Breiimperiums Schmitt. Ich hab ein Video gemacht. Von mir und meinem Babysöhnchen. Wir liegen so da und brummen. Erst ich. Dann macht er es nach. Und noch mal. Und noch mal. Ich hab etwas Lustiges dazu geschrieben. Über 30 Personen haben laut Instagram mein kleines Video angeguckt. Aber nur zwei haben es geliked. Danke. An euch anderen: Bäääh, die nächste Elternzeit ist eure. Ihr werdet feststellen, dass die schönste Zeit des Lebens oft eine ziemlich einsame Nummer ist.

Heike Schmitt (40) lebt mit 3 Jungs (einer ist Ü45) in Hamburg. Wenn sie nicht gerade Wackelzähne abfeiert oder mit ihrem Babysöhnchen vor sich hin brabbelt, arbeitet sie als Kreativdirektorin Text und mag neben ihrer Familie besonders gern freie Zeit ohne Familie.

Kennt Ihr das auch? Was hat Euch an langen Tagen geholfen? Pinnt und teilt den Beitrag gerne, einfach auf „Save“ drücken

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4 Kommentare

  • Reply Sabine 7. Dezember 2017 at 1:25 pm

    Liebe Heike,
    ich feiere deinen Artikel gerade so sehr! Mir geht’s genauso! Hab mit 40 Baby Nr. 2 bekommen und bin froh, dass ich dieses Mal Kontakte aus der ersten Elternzeit habe. Und meine kleine Charlotte macht es mir, im Gegensatz zu ihrem dauernöhligen Bruder echt leichter. Mit ihr geht auch mal ein Ausflug zu Ikea oder ins Einkaufszentrum. Mit dem kleinen Jungen jedes Mal ein Drama!
    Mir hat YouTube echt geholfen, ich hab in der ersten Elternzeit angefangen, Videos zu gucken, und zwar nur Themen, die nix mit Baby zu tun hatten. Also: durchhalten, es geht alles vorbei! In Gedanken bin ich bei dir !

    Liebe Grüße
    Sabine

  • Reply Heike 7. Dezember 2017 at 6:11 pm

    Hey Sabine, danke, mein Mamiego ist heute so richtig fein mit dem Tag. Ich mag es, wenn wir Mamas auch mal kollektiv seufzen, das erleichtert und der nächste Tag hat gleich wieder neuen Schwung. Liebe Grüße aus Sabberland! Heike

  • Reply Lena 5. Januar 2018 at 8:24 am

    Mir gut bekanntes Phänomen. Meine Tipps: 1. Frühzeitig wieder (in geringer Teilzeit) arbeiten – auf einmal ist man wieder die dankbarste, glücklichste und stolzeste Mutter der Welt. 2. Diese ‚allein mit Baby‘ Tage nutzen, um Freunde oder Eltern zu besuchen. Reisen ist mit Baby ja noch easy, im Vergleich zum Kleinkind…

  • Reply Marlies Pilz 30. April 2020 at 7:46 am

    Du sprichst mir aus der Seele. Danke!! Man darf es ja laut nicht sagen, dass es manchmal sooooo langweilig oder besser gesagt eintönig/monoton ist. Täglich grüßt das Murmeltier… ich konnte die ersten 3 Monate nicht weg, Baby L. hasste das MaxiCosi und hatte schwer zu kämpfen mit Kolliken: plötzliche Schreiattacken bis zu einer halben Stunde… na da möchte man gern gerade wo in nem Laden stehen. Und mein Neid war riesig als ne Mama sagte: ja da stell ich den KiWa neben den Tennisplatz und spiele ne Stunde Tennis – sobald bei uns der KiWa Stillstand war nix mehr mit schlafen 😉

    Nach 4 Monate wurde es leichter. Ich versuche etwas Struktur in den Alltag zu bringen. Also täglich eine Aufgabe im Haushalt, abends wenn die Kleine schläft gehe ich gern joggen (sofern Papa früher Heimkommt), koche etwas aufwändiger (ich mag kochen ;)), übe mich im Handlettering und so geh ich viel spazieren mit dem KiWa oder versuche mit anderen Mama’s Kontakt zu halten (auch nicht so einfach, manche lieben wohl die eigene Ruhe).

    Aber öfter sind sie wieder da, die Tage der Monotonie. Hoch lebe sie.

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