Eltern Interviews

Gesetzliche Erbfolge und Testament schreiben: Das müssen Eltern wissen

12. Dezember 2018

Was ist die gesetzliche Erbfolge und wie geht das Testament schreiben? Kann man das alleine oder sollte man immer zur Ordnung einen Notar zu Rate ziehen? Ganz ehrlich: wir haben uns lange um dieses Thema gedrückt. Nun sind unsere Kinder schon zwölf und sieben Jahre alt und ich habe letzte Woche einfach mal einen Termin beim Notar gemacht. Das Thema schien mir zu kompliziert, als dass ich mich mit meinem Mann zu Hause alleine bei einer Tasse Tee hinsetzen würde, um „Unser letzter Wille“ aufzuschreiben.

Testament und Co. sind erst einmal eine verwirrende Thematik

Bei der Gelegenheit haben wir als Erblasser gleich noch Patientenverfügungen und Vorsorgevollmachten aufgesetzt. Ich spreche heute mit meiner Bloggerkollegin und Fachanwältin Nina Straßner über dieses Thema, das wir alle am liebsten wegschieben würden. Was bedeutet gesetzliche Erbfolge (für den Ehegatten), wann greift sie, wer erbt wie viel, was bedeutet „das gesetzliche Erbrecht der Ehepartner“? Nina erklärt sehr verständlich, was Ihr als Eltern zum Thema gesetzliche Erbfolge und Testament schreiben unternehmen müsst, damit alles in trockenen Tüchern ist.

Tod und Testament schreiben: kommt auf jeden einmal zu!

Warum sind viele so schlampig, wenn es ums Thema „letzter Wille“ geht?

Bei ganz vielen Themen sind wir doch alle „Prokrastinierer“. Wir schieben sie so lange vor uns her, bis so viel Druck entsteht, dass wir’s endlich anpacken müssen. Steuererklärungen, Fotoalben für die Kinder basteln, Dachboden entrümpeln, Onkel Hubert anrufen…und der Tod hat uns da leider als ureigene menschliche Herausforderung am Wickel: Man weiß zwar, dass er kommt, aber nicht wann und man muss fest dran glauben, dass man noch ganz viel Zeit hat, sonst wird man ja plemplem. Naja, dann macht man halt lieber erstmal die Steuer oder quatscht mal mit Hubert.

Was beinhaltet die gesetzliche Erbfolge?

Warum ist es aber so wichtig ein Testament zu haben?

Spätestens wenn man Kinder hat, also ab dem Zeitpunkt an dem man nicht mehr ganz so unbeschwert aus Flugzeugen springt und sich sogar freiwillig diese unattraktiven Fahrradhelme aufsetzt, ändert sich die Wahrnehmung. Wir haben plötzlich selbstproduzierte Erben und die sind minderjährig, also gar nicht oder nur beschränkt geschäftsfähig. Übrigens schon ab dem Zeitpunkt, wenn die Eizelle sich in der Gebärmutter einnistet, sind unsere Kinder voll erbberechtigt.

Das deutsche Recht hat eine feste Erbfolge, nimmt uns also schon eine Menge ab, indem es ein Grundmuster festlegt. Wenn uns das nicht gefällt, müssen ein Testament machen, um dieses Grundmuster zu individualisieren, es also in unserem Sinne abzuändern. Beispielsweise erben bei unverheirateten Paaren die Kinder alles und der überlebende Elternteil nix. Das findet die eine Familie genau richtig, die andere eher ungut. Letztere müssen also ran!

Bei gemeinsamen Kindern stellt sich ja auch die Frage: Was passiert, wenn beide Elternteile gleichzeitig umkämen? Was ist beim Thema Vormundschaft im Speziellen zu beachten?

Man muss für diese Fragen Testamente grob in zwei Gruppen einteilen. Einerseits Testamente, die unser vererbliches Vermögen, Gegenstände, Rechte und Pflichten betreffen. Andererseits die Testamente, die eine Vormundschaft unserer minderjährigen Kinder regeln. Minderjährige dürfen ihr Erbe, bevor sie volljährig sind, nicht alleine verwalten.

Wenn beide Eltern umkommen, setzt das Familiengericht einen Vormund ein, wenn die Eltern niemanden explizit dazu bestimmt haben. Das ist nicht automatisch derjenige, den wir uns selbst zu Lebzeiten dafür ausgesucht hätten (also Verwandten oder Paten), deswegen müssen wir das extra aufschreiben. Es gibt hier auch kein gesetzliches „Grundmuster“ wie beim Erbrecht, also kein „immer der Taufpate“ oder „immer die Tante“, deswegen sollte man diesbezüglich jemanden testamentarisch bestimmen, den man selbst für fähig hält und dem man vertraut.

Vormundschaft für Kinder regeln

Derjenige kümmert sich nach unserem Tode in der Regel nicht nur um die Vermögenssorge der Kinder, sondern auch um alle anderen Angelegenheiten, die vor unserem Tode von unserem Sorgerecht umfasst waren. Also medizinische Eingriffe, Schulangelegenheiten, Verträge genehmigen zum Beispiel.

Wenn nur ein Elternteil verstirbt wird nur dann ein Vormund eingesetzt, wenn es keinen zweiten Elternteil mit Sorgerecht gibt. Für so manch’ alleinerziehende Mutter oder Vater ist das Thema also superbrisant, wenn sie das alleinige Sorgerecht haben oder wenn sie möglichst verhindern möchten, dass der andere nach dem eigenen Tod die Kinder bekommt. Die Fragen werden mir in der Elternkanzlei häufig gestellt. Hier würde ich also auf jeden Fall dazu raten, etwas aufzusetzen.

Gesetzliche Erbfolge und das „Berliner Testament“

Welche Arten des „letzten Willens „gib es?

Da gibt es so viele Möglichkeiten, das sprengt hier den Rahmen. Nur beispielhaft nehme ich mal das „Berliner Testament“ als Ehegattentestament heraus. Ein verheirateter Mann in Zugewinngemeinschaft, dem gesetzlichen Normalfall, würde ohne ein Testament 50% seines Vermögens an die überlebende Ehefrau und 50% an das Kind (oder die Kinder zu gleichen Teilen) vererben.

Mit dem „Berliner Testament“ legen die Eheleute fest, dass der jeweils länger lebende Partner 100% des Erbes bekommen soll. Wenn derjenige Partner dann auch noch stirbt, bekommen die Kinder das, was derjenige noch übrig gelassen hat. Das ist für viele ein gutes Gefühl, für andere ist das gruselig. Den sogenannten „Pflichtteil“ kann man aber übrigens nie ausschließen. Den können die Kinder auch beim Berliner Testament beanspruchen, wenn sie wollen, müssen sie aber nicht.

Der Pflichtteil umfasst aber nur die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, in meinem Beispiel also 25% statt 50% des Erbes bei einem gemeinsamen Kind. Welche Regelungen und Modifizierungen man da wählt und welche Folgen die Entscheidungen haben, ist für Laien nicht gut einschätzbar, deswegen sollte man dringend notarielle Unterstützung suchen. Familienmodelle sind einfach zu bunt und verschieden. Was für den einen gut ist, ist für den anderen eine mittelschwere Katastrophe.

Bartolomiej Pietrzyk/www.studio-vzwoelf.de/ shutterstock.com

Streitfall Erbfolge

Wie vermeidet man nach dem eigenen Tod Streit unter den Angehörigen?

Den kann man nie sicher vermeiden, aber zumindest eindämmen. Man stelle sich nur mal die Situation vor, in der nur die eine Tochter 10 Jahre die Eltern gepflegt hat, ihren Beruf vernachlässigt und viel Zeit und oft auch Geld dafür aufgewandt hat. Im Erbfall bekommen ohne Testament alle Geschwister gleich viel, das führt in der Praxis superoft zu Streit und dem Gefühl der Ungerechtigkeit.

Oder „wer bekommt das wertvolle Bild“? Wenn da nichts explizit geregelt ist und mehrere Kinder das Bild haben wollen, müsste es letztlich versilbert werden, wenn die sich nicht einigen können. Man kann also den Kindern explizit einzelne Gegenstände vermachen. Wenn beide Eltern sterben, möchten vielleicht mehrere Personen sich als Vormund für die Kinder anbieten?

Wer soll es denn nun sein? Hier hilft es enorm wenn es einen „letzten Willen“ der Eltern gibt.
Als Anwältin stehe ich Verträgen jeglicher Art ja generell sehr positiv gegenüber, zumindest dann wenn sie die Lage nicht unnötig verkomplizieren.

Die häufige Wahrnehmung, Juristen würden einfache Sachverhalte unnötig verkomplizieren stimmt oft nicht, denn die haben einfach die Konfliktpunkte und Schwachstellen im Blick und es gibt einfach sehr selten eine kurze Antwort auf komplexe Fragen.

Muss man immer zum Notar oder kann man das Testament tatsächlich selbst aufsetzen. Wenn ja, was ist zu beachten?

Die Vormundschaft kann man prima ohne Notar regeln. Hauptsache das Testament ist handschriftlich verfasst, enthält Datum und Unterschrift. Unverheiratete Eltern müssen jeder ein eigenes machen, verheiratete Menschen dürfen das gemeinsam machen. Es zählt immer das „jüngste“ Testament bzw. die jüngste Änderung einzelner Inhalte. Testamente die eine gesetzliche Erbfolge verändern sind da schon diffiziler.

Eine Grundregel lautet: Was zu Lebzeiten nur notariell geregelt werden darf, Immobilienverfügungen zu Beispiel, müssen auch im Testament notariell beurkundet werden. Ich selbst würde eine Erbfolgeänderung nicht ohne notarielle Beratung anfassen.

Burdun Iliya/NO/shutterstock.com

Wenn man schon mal dabei ist: Warum sind Patientenverfügungen sinnvoll?

Auch hier wurde ich komplexe Verfügungen von einem Profi begleiten lassen, weil es noch ergänzende und zum Teil vielleicht umfassendere Möglichkeiten gibt. Zum Beispiel sollte man in diesem Zusammenhang vielleicht gleich die Möglichkeit einer „Generalvollmacht“ in Betracht ziehen. Damit kann man den Anderen zu diesen Entscheidungen bevollmächtigen, also der Frage ob und wann Maschinen abgestellt werden sollen, ob und wann Blut transferiert werden soll und all das.

Zudem regelt sie, wer Briefe des Patienten öffnen darf oder Kontenzugriff bekommt, wenn man selbst im Koma liegt. Eine Mutter dürfte mit einer Generalvollmacht also zum Beispiel den gemeinsamen (teuren) Mietvertrag kündigen, wenn der Vater lange im Koma liegt. Hier sind generelle Ratschläge nicht zielführend, das bedeutet aber nicht, dass man sich individuellen Rat nicht unbedingt holen sollte.

Ein schlimmes Thema, ich weiß. Aber wie bei allen schwierigen Themen gilt: Sie werden jedenfalls NICHT leichter, wenn man sie ignoriert.

Über Nina Straßner:

Nina Straßner bloggt, twittert, instagramed und facebooked als „Die Juramama“ im Internet und berät Eltern bundesweit über ihre Elternkanzlei, weil sie festgestellt hat, dass manchmal selbst der Ausflug in ein Büro junge Eltern vor unlösbare Logistikaufgaben stellen kann.

Ihr erfolgreiches Buch „Keine Kinder sind auch keine Lösung“ greift die aktuellen rechtlichen und gesellschaftspolitischen Fallstricke für Eltern auf und in ihrer Kolumne in der Brigitte MOM schreibt sie sich den elterlichen Jurakummer von der Seele.

Wer Nina live erleben möchte, kann ab Januar 2019 einen ihrer Wochenend-Crashkurse in Hamburg, Stuttgart, München, Köln oder Berlin buchen, in denen sie einmal den rechtlichen Rundumschlag hinlegt und keine Schwangeren- und Elternfrage offen lässt. Auch die mit den Testamenten nicht.

Liebe Nina, danke für Deine wertvollen Tipps. Jetzt sollte jeder wissen, was zu tun ist!

 

 

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2 Kommentare

  • Reply Lisa 29. März 2019 at 8:25 am

    Hallo liebe Frau Mutter,
    ich verfolge deinen Blog schon länger und brauche jetzt deinen Rat.
    Meine vier Kinder sind mittlerweile fast alle erwachsen. Nur der jüngste steht noch kurz vor seinem Abi. Weil ich mich auch mit der Patientenverfügung und dem Testament auseinandersetze, habe ich ein paar Fragen an dich. Ich habe gelesen, dass ich auch verschenken statt vererben kann. Ist das richtig? Und wenn ich das täte – könnte ich unser „Vermögen“ dann auch vor meinem Ex-Mann schützen Ich weiß nicht, ob die Summe eine Rolle spielt Jedenfalls benötige ich deine Hilfe!!! Kann ich mit dem Verschenken etwas machen?
    Herzliche Grüße von Lisa

  • Reply rolf 22. Dezember 2020 at 8:57 pm

    Danke für den informativen Beitrag, über die Testament Beglaubigung. Ich werde bald anfangen mein Testament zu verfassen und würde gerne wissen, worauf ich achten sollte. Ich werde jedenfalls, frühzeitig die Vormundschaft erteilen.

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