Eltern Interviews

„Das Leitbild der deutschen Mutter tut uns nicht gut“: „Single Mom“ Caroline Rosales im Interview

21. August 2018

Caroline Rosales ist Journalistin, Mutter von zwei kleinen Kindern und Ex-Bloggerin. Eine echte Ex ist sie auch- sie hat sich von ihrem Mann getrennt und darüber das bereits vielbeachtete Buch „Single Mom“ geschrieben, so lautet auch die gleichnamige Kolumne in der Berliner Morgenpost. Finanzielle Sorgen, (wieder) Fuss fassen im alten Beruf, aber auch Sex, Dating und beurteilende, herablassende andere Mütter bis zum Finden einer neuen Liebe- das alles wird behandelt und, wie Caros Texte nun mal sind,  gerne zugespitzt und auch mal polarisierend. Ehrlich und zum Nachdenken anregend aber eben auch.

„Single Mom“ wirft Fragen auf

Sie wird in Kommentaren dafür oft angefeindet, nicht zuletzt wirft man Caroline vor, sie sei ja eine privilegierte Alleinerziehende und „wohlhabend“, also eigentlich nicht berechtigt, sich zum Thema zu äußern.

„Single Mom“ ist für mich ein wichtiges Buch, stößt es doch viele Debatten und Fragen an, die man sich durchaus auch als verheiratete Frau mit Teilzeitjob stellen sollte. „Wie würde ich im Falle einer Trennung für mich sorgen?“ „Soll ich meinen Beruf aufgeben und beruflich zurückstecken?“ „Wie gehen wir in der Gesellschaft und ich persönlich mit anderen Lebensentwürfen um?“ „Mögen wir eigentlich (auch sexuell) selbstbestimmte Frauen oder ist uns das eher ungeheuer?“  „Wie stark beeinflusst (unterdrückt) uns das tradierte deutsche Mutterbild?“

Und nicht zuletzt „Ist eigentlich alles noch wie bei „Effi Briest“?

Ich habe mit Caroline über ihr Buch, Kritiker, ihr Leben als Single Mom und gesellschaftliche Normen gesprochen.

Eine „Single Mom“ kriegt Gegenwind

Dein Buch trägt den Untertitel „Was es wirklich heisst alleinerziehend zu sein.“ Da Dein Expartner Unterhalt zahlt und auch Erziehungsaufgaben übernimmt, wird Dir von Kritikern vorgeworfen, Du seist ja gar nicht so richtig alleinerziehend. Ist Deine Geschichte typisch für Alleinerziehende, die oft am Existenzminimum leben? 

Ich bin froh, dass die Frage kommt, weil mich diese Kritik zunehmend belastet. Ich glaube, dass ich wie jede Alleinerziehende am Anfang, als ich zwischen einem Dutzend Kartons in einer neuen, nicht so schönen Wohnung wie vorher stand, große Existenzsorgen hatte. Und die sind bis heute wie für viele andere Alleinerziehende auch berechtigt. Ich habe einen großen Knick in meiner Erwerbsbiografie, war jahrelang zuhause oder habe Teilzeit gearbeitet, was so gut wie keine Rente bringt.

Jetzt arbeite ich wieder Vollzeit bei zwei kleinen Kindern, ich mag meinen Beruf als Redakteurin und Autorin sehr. Trotzdem lässt sich nicht leugnen, dass es wahnsinnig anstrengend ist und die Kinder 90 Prozent der Zeit alleine mit oder ihrer Aupair sind. Eine Aupair ist tatsächlich für mich die kostengünstige Lösung, weil ich auch Spätdienste bis 23 Uhr mache und weil ich nicht im Stadtzentrum lebe, hatte ich tatsächlich ein Zimmer frei. Sicher bin ich nicht arm, aber um das nicht zu sein, leiste ich an die 50 Büro- und Home-Office-Stunden die Woche. Das ist eine persönliche Entscheidung, aber ich glaube, dass sehr viele Alleinerziehende sehr ähnlich entscheiden.

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Wenn Du Dein früheres Ich betrachtest als Ehefrau und Teilzeitmutter- bist Du Dir da selbst fremd? Und wie war der Übergang für Dich, mehr oder weniger alleine für Dich finanziell zu sorgen? War das einfach, sein altes Leben loszulassen?

Es kommt darauf an, wie man Privilegien definiert. Ich hatte vielleicht keine finanziellen Sorgen, aber mir ging es nicht gut damit, meinen Beruf als Journalistin liegen zu lassen und mich nur um die Kinder zu kümmern. Da half es auch nicht zu bloggen oder anderweitig zu schreiben. Ich wollte schon als kleines Mädchen Journalistin werden, ich habe für den Job jahrelang studiert und gekämpft.

Ich vermisste die Redaktion, den Alltag als Redakteurin, die Termine, die Auseinandersetzung mit öffentlichen  aktuellen Themen. Finanziell hatte ich anfangs große Angst, dass es nicht reichen würde für die Kinder und mich — trotz Unterhalt. Ich musste ganz neu lernen, mit meinem Geld zu haushalten.

Das neue Leben: „Ich kann gut schlafen“

Bist Du stolz darauf, es geschafft zu haben? Bist Du glücklich in Deinem Leben?

Ich habe eher ein melancholisches grüblerisches Naturell, deshalb bin ich leider nie ausgelassen glücklich. Aber ich bin sehr zufrieden über die neue Stabilität in meinem Leben. Meine Kinder sind gesund, mein Beruf füllt mich aus und auch wenn ich jeden Tag viel renne zwischen Kita, Schule und Büro, schlafe ich gut und gemütlich ein.

Dein Buch ist durchaus kämpferisch, lese ich darin doch den Appell an uns Mütter, den Beruf nicht aufzugeben. Machen alle teilzeitarbeitenden Mütter etwas falsch und ist Vollzeit arbeiten die Lösung?

Teilzeit ist auch okay, ich habe es die ersten zwei Jahre als Alleinerziehende gemacht. Meine Tochter war auch damals erst zwei Jahre, mein Sohn vier. Mittlerweile arbeite ich wieder Vollzeit und leiste mir wie gesagt eine Aupair. Dann haben wir die Wochenenden sehr intensiv zusammen, ich bringe sie morgens und versuche um sechs Uhr da zu sein, damit wir zusammen essen, vom Tag erzählen können und ich vorlesen kann. Wenn ich Spätdienste habe, gehen wir manchmal etwas später los, dann geht meine Tochter manchmal erst um halb 11 Uhr in den Kindergarten.

Copyright: Matthias Bothor

„Moderne Paare trennen sich besser“

Du schreibst in einem Kapitel sehr offen über die Scheidung Deiner Eltern. Da habe ich mich als Scheidungskind sehr wiedergefunden und ähnliche Erfahrungen gemacht. Bei einer Scheidung à la 1990er wurde Kindern ja wenig bis gar kein Handwerkszeug zur seelischen Verarbeitung angeboten. Trennen sich moderne Paare heute besser? Und wie war es für Dich, die Vergangenheit quasi nochmal mit dem eigenen Leben durchzumachen?

Ich glaube schon, dass sich moderne Paare besser trennen, obwohl viele Therapeuten und Familienrichter auch beklagen, dass die Sorgerechtsstreitigkeiten immer erbitterter und schlimmer werden. Aber ich glaube aus meiner Erfahrung heraus, selbst Scheidungskind zu sein, habe ich viele Fehler vermieden.

Zum Beispiel rede ich nie schlecht über den Papa meiner Kinder oder wenn sie sagen, Papa hat dies oder das gemacht, dann bleibe ich auf seiner Seite und sage, dass Papa wohl seinen Grund dafür hatte. Auch akzeptiere ich seine Regeln, wenn sie jedes zweite Wochenende bei ihm sind. Meine Kinder haben nichts davon, unsere Meinungsverschiedenheiten über Erziehung ausbaden zu müssen.

Effi Briest lässt grüßen

In einem Interview habe ich gelesen, dass Du das Gefühl hattest, dass „man sich in Deinem Kiez einfach nicht vom Mann trennt“ . Auch schreibst Du von unschönen „Verhör-Situationen“ mit anderen Müttern. Das fand ich erstaunlich, denn wir sind doch gerade in Berlin so schrecklich tolerant. Ist unsere Gesellschaft  noch immer die aus „Effi Briest“, also 19. Jahrhundert?

Ja, tatsächlich hat sogar Ute Frevert vom Max-Planck-Institut einmal in der New York Times gesagt, dass das deutsche Mutterbild sich in 100 Jahren nicht verändert habe. Ich finde, sie hat recht. Das Leitbild der deutschen Mutter fürsorglich, freundlich und aufopfernd zu sein, ist immer noch sehr präsent. Und das tut uns allen nicht gut. Ich bin dafür, dass jede Mutter ihren Lebensentwurf lebt und sich keine Gedanken macht wie das bei den anderen Eltern ankommen könnte.

Liebe Caro, danke für Dein Buch und die Denkanstösse! Am 13. September liest Caro aus ihrem Buch „Single Mom“ um 20 Uhr in der Buchbox Berlin. 

Frau Mutter folgen

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1 Kommentar

  • Reply Tine 21. August 2018 at 5:24 pm

    Hut ab vor allen Alleinerziehende, sei es Mütter oder Väter. Ich kenne einige in meinem näheren Umkreis, die Alleinerziehend sind.Und was es heißt sich im „neuem Alltag“ zurecht zu finden. Leider wird dies bei Einigen auch auf des Kindeswohl ausgetragen und das tut immer weh, mit anzusehen.Super, das Caro, dass alles gemanagt bekommt, ich ziehe meinen Hut vor ihr. Weiterhin viel Erfolg im Beruf und mit den kleinen Mäusen.

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