Gastbeiträge

Öffentliche Verkehrsmittel mit Kinderwagen: Man lernt nie aus!

13. Januar 2017

Als mein Sohn ein Baby war, lebten wir in Stockholm und Mütter mit Kinderwagen werden dort in den öffentlichen Verkehrsmitteln kostenlos befördert, an jeder Haltestelle gibt es Aufzüge und alle helfen Dir. Soweit das nordische Paradies. Meine Gastautorin Sandy hat eine BVG-Fahrt anders erlebt. Für die „Öffis“ gerade in Berlin braucht man starke Nerven- und Deo. Viel Spaß bei ihrem Erfahrungsbericht.

Kinderwagen-Jungfernfahrt mit den „Öffis“

Kürzlich hatte ich einen Termin beim Arzt meines Vertrauens am anderen Ende der Stadt. Um acht Uhr morgens, vier Stunden vor dem eigentlichen Termin, verließ ich samt Kind meinen häuslichen Kokon. Ich nahm Kinderwagen inklusive Regenschutz, die gepackte Wickeltasche sowie meinen ganzen Mut zusammen, um erstmals mit Kind die „Öffentlichen“ zu nutzen.

Logistisch gesehen wohnen wir eigentlich nicht schlecht, jedoch wird der U-Bahnhof in unmittelbarer Umgebung seit einer Ewigkeit saniert. So machte ich mich auf den Weg zur 2,5 Kilometer entfernten U-Bahnstation. Zu Fuß, denn die Busse in den Randbezirken sind bei Pollenflug ebenso unzuverlässig wie bei Glatteis. Willkommen in der Großstadt.

Verlasse nie das Haus ohne Kleingeld oder fahre schwarz

Auf dem Bahngleis fiel mir auf, dass ich vor lauter Aufregung, etwas vergessen zu können, tatsächlich etwas vergessen hatte: nämlich am EC Automaten Bargeld zu holen. Nun habe ich mit Eintritt in den Elternclub auch meinen einstigen Schwarzfahrer Schneid abgelegt. Ich machte also kehrt, um 15 Minuten später festzustellen, dass im Fahrkartenautomat auch ein zehn Euro Schein nicht zwangsläufig zum Erfolg führt. Das hinterhältige Ding spuckte ihn immer wieder aus. Öffentliche Verkehrsmittel-mit-Kind-Lektion Nummer eins: Verlasse nie das Haus ohne Kleingeld!

Bahnhof Berlin Wannsee

Stress pur in der Bahn mit Kind

Als die U-Bahn in den Bahnhof einfuhr, ging der Stress erst richtig los. Mir war keine Zeit geblieben, nach den Sonderwaggons für Fahrräder, Rollstühle und Kinderwägen Ausschau zu halten. In der morgendlichen Rush-Hour konnte ich den Bahnsteig beim besten Willen nicht überblicken, sodass ich mich mit der Masse in den nächstbesten Waggon quetschte. Kaum waren die Türen geschlossen begann mein Sohn kämpferisch seinen Teil zum ohnehin schon ohrenbetäubenden Geräuschpegel beizutragen. Mir rann der Schweiß.

„Frauen und Kinder zuerst“ gilt nur auf Schiffen, nicht aber in der S-Bahn

Als wir nach 20 Minuten umsteigen wollten, war der Fahrstuhl von Bahnsteigs A nach B außer Betrieb. Wie will die Menschheit den Mars besiedeln, wenn sie es nicht mal schafft, funktionstüchtige Fahrstühle zu bauen? Nach einem Bandscheibenvorfall im vergangenen Jahr konnte ich die Treppe mit Kinderwagen unmöglich ohne fremde Hilfe bewältigen. Dann erbarmten sich zwei Teenager und schleppten den Kinderwagen die 58 Stufen hoch. Öffentliche Verkehrsmittel-mit-Kind -Lektion Nummer zwei: „Frauen und Kinder zuerst!“ gilt vielleicht auf sinkenden Kreuzfahrtdampfern, nicht jedoch in der Großstadt.

Rolltreppen – Der natürliche Feind des Kinderwagens

Lange Wege, unübersichtliche Beschilderung, Bahnhöfe sind eine zeitraubende Vollkatastrophe. So stand ich kurz darauf schon vor dem nächsten Problem, meiner Blase. Ich musste so nötig pinkeln, dass ich das Verbotsschild von Kinderwägen auf Rolltreppen ignorierte. Die darauffolgende Minute brach ich mir beinahe die große Fußzehe, dem Kinderwagen die Vorderachse und meinem Kind die Stupsnase. Öffentliche Verkehrsmittel-mit-Kind -Lektion Nummer drei: Der natürliche Feind des Kinderwagens ist die heimtückische Rolltreppe!

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Mutter mit Kind braucht Barrierefreiheit!

Danach durchquerte ich im Eiltempo das gesamte Untergeschoß, da die einzigen Toiletten genau am entgegengesetzten Ende lagen. Ich war noch nie so glücklich eine Klofrau zu sehen, wie in diesem Moment. Erleichtert ließ ich mir die Behindertentoilette aufsperren, kurz darauf noch die Tür zum Wickelraum, dann belohnte ich die gute Seele großzügig mit zwei Euro Trinkgeld (Erinnere „Lektion Nummer eins: Kleingeld“).

Öffentliche Verkehrsmittel erfordern starke Nerven und Deodorant

Mir blieben noch 70 Minuten bis zum Arzttermin, genug Zeit für eine kleine Verschnaufpause. Beim Coffeeshop am Eingang zur U2 bestellte einen Chai Latte mit Sojamilch zur Stressbewältigung und einen New- York- Strawberry- Swirl- Cheesecake gleich dazu. Letztlich kam ich dann aber doch eine viertel Stunde zu spät zum Arzt. Ich hatte unterwegs bei Rossmann Halt machen müssen, denn Öffentliche Verkehrsmittel-mit-Kind-Lektion Nummer vier lautet: Verlasse nie das Haus ohne Deo!

Text: Sandy Bossier-Steuerwald

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2 Kommentare

  • Reply ella 16. Januar 2017 at 11:09 am

    Ich finde es schade, dass es offensichtlich Orte gibt, an denen Kinderwagen und Öffi so schwer zu vereinbaren sind. Ich habe in der Schweiz gelebt, wo Kinderwagen und Öffi nie ein Problem waren. Nicht alle Verkehrsmittel waren barrierefrei, aber wenn es mal Stufen ins Tram gab, waren entweder Freiwillige zur Stelle oder nach kurzem Fragen immer bereit zu helfen.
    Das Rolltreppen fahren wurde mir von einem netten Mitarbeiter der SBB gezeigt und war dann nie ein Problem!
    Auch in Stuttgart wo ich jetzt lebe ist es an den meisten Stellen gar kein Problem mit den Öffentlichen unterwegs zu sein. Ja es kommt vor, dass nicht alles barrierefrei ist, wenn man aber nett nachfragt, wird einem immer geholfen.

    Alles in allem sitze ich lieber in einer S-Bahn mit meiner Kleinen, als im Auto wo sie im Zweifel im Stau miese Laune bekommt und ich die nächsten 15 Minuten vollgebrüllt werde ohne wirklich etwas tun zu können!

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