Gastbeiträge

Frau Sandra erklärt die Liebe: Sex im Mittel-Alter

3. Dezember 2015

Heute schreibt Kolumnistin Sandra mal wieder darüber, wie das ist „wenn Mama und Papa sich ganz doll lieb haben und erschwerend hinzukommt, dass man an Jahren etwas gereift ist. Helfen auch im Bett anti-aging Produkte oder mus man da einfach akzeptieren, das nun kein Hochleistungssport mehr angesagt ist? Wenn ich das lese, bin ich ja sooo froh, dass ich erst 29 bin. Ähmm, ja. Hüstel, hüstel…Viel Spaß beim Sandras Text, lustig und etwqs deftig wie immer!

Anti-Aging per Postbote

Ich habe nie über mein Alter nachgedacht, bis ich kürzlich mit der harten Realität konfrontiert wurde. Ein Schreiben von dm mit lauter lustigen Anti-Age-Produkten. Hochentwickelte Hydrokomplexsubstanzen in wichtigen Ampüllchen, Anti-Cellulite-Öle und straffende Anti-Falten-Gesichtscremes. Ich bin auf hundertachtzig! Wer hat hier Cellulite? Wer hat hier Falten? Und vor allem: Wer muss hier anti-agen??? Als ich schon Stift und Blatt zur Hand nehmen will, um den Geschäftsführer des dm genau das in einem empörten Brief zu fragen, da entdecke ich sie. Jetzt gibt es kein Entrinnen mehr.

Auf der vorletzten Seite des Prospekts erspähe ich sie: meine biologische Tagescreme Passionsfrucht! Und da steht es fliederfarben auf cremefarbenen Untergrund: „Für die reife Haut“.

Wie zum Teufel hat sich dieses Alte-Oma-Produkt in mein Badezimmer geschlichen? Wahrscheinlich ist der Kauf dieses vermaledeiten Produkts der Grund, dass ich diesen erniedrigenden Prospekt überhaupt in der Hand halte. Die Creme wandert umgehend in den Müll, aber es hilft nichts, ich muss der kalten Wahrheit ins Gesicht schauen und das tue ich auch sofort:nackt, vor meinem Ganzkörperspiegel.

Also, woran merke ich, dass ich reifer bin? Reif klingt schrecklich, als wäre ich ein schrumpeliger Apfel. Ich korrigiere: …nicht mehr die Jüngste bin? Okay, die Haut an den Knien sieht schon ein bisschen ausgeleiert aus. Die Brüste hängen nach zwei gestillten Kindern zwei Etagen tiefer, der Uterus wahrscheinlich auch, den kann ich aber Gott sei dank im Spiegel nicht sehen.

Ich ertappe mich beim Griff an meine Schläfen, um die Haut aus dem Gesicht zu ziehen, und klopfe von unten gegen das erschreckend schlabberige Kinn (sah ich eigentlich schon immer aus wie der eine Alte aus der Muppetshow?).

Die Beweislage ist verheerend. Ich entsorge die ketzerische Werbung sofort im Altpapier ganz unten. Frei nach dem Motto „was ich nicht sehe, ist auch nicht da“ fühle ich mich nach der Entsorgung gleich besser! Doch das Gedankenkarussell ist angeworfen.

Sex im Mittel-Alter: Bitte kein Hochleistungssport

Ehrlich gesagt: Auch sexuell merke ich, dass ich keine 20 mehr bin.Verrenkungen und Stellungswechsel wollen gut geplant sein und sollten in gut temperierter Umgebung stattfinden, um Rückenschmerzen, Zerrungen und Verkühlungen jeglicher Art vorzubeugen.

Ein positiver Aspekt meines Alters: Die Orgasmen sind intensiver. Hab ich mal in irgendeiner schlauen Frauenzeitschrift gelesen und es ist auch so. Mit 20 müht man sich noch ab, um einen Höhepunkt vergleichbar mit einem Hügel der Holsteinischen Schweiz zu erklimmen, während ich heutzutage mit ein bisschen Engagement meines Mannes das Gipfelkreuz des Mount Everest erreiche und da auch geschlagene 1,5 Minuten verweile. …Wenn es denn zu Sex kommt.

Denn damit wäre ich beim negativen Aspekt meines Alters: Der erste Ansatz von Wechseljahren kündigt sich an. Nicht nur, dass Chips- und Schoki-Abende vorm Fernseher dank verlangsamten Stoffwechsel mit exorbitanter Gewichtszunahme gesühnt werden und ich alles, was ich nach 21 Uhr esse in der Nacht wieder ausschwitze – und wir reden hier nicht von ein paar Schweißperlchen auf der Oberlippe, sondern von Tsunamiwellen, die mein gesamtes Bett durchnässen und zu mehrfachem Wechsel des Nachtgewands führen.

Nein, auch meine Libido ist stark zyklusabhängig und geht in der zweiten Monatshälfte gegen Null. Um den Eisprung war ich auch früher schon extrem willig, was aus arterhaltungstechnischen Gründen auch Sinn macht. Aber nach selbigem ist jetzt bei mir der Ofen für zwei Wochen aus. Das heißt, ich muss möglichst viel Sex in der ersten Monatshälfte unterbringen, damit es sich im Durchschnitt wieder ausgleicht. Aber was ist, wenn der Zyklus endgültig wegfällt? Ich frage mich, welche der Zyklenhälften sich libidomäßig durchsetzen wird? Ich bete inständig, dass es die aktive, erste Hälfte bleibt, denn ansonsten werde ich wohl die beste Kundin des neu entwickelten Viagra-Produkts für Frauen.

Vielleicht habe ich ja auch das zweifelhafte Glück und mein Mann gehört zu den statistischen 15% der Männer über 40 mit erektionaler Dysfunktion. Dann können wir vielleicht bei der Apotheke unseres Vertrauens den Pärchensonderpreis für Viagra aushandeln.

Oder wir gehen ganz oft Essen, denn Essen ist ja bekanntlich der Sex des Alters. Na, denn Prost Mahlzeit!

Sandra S Kolumne Foto

Sandra S., 40, lebt mit Mann und Töchtern in Kiel. Sie dreht “ehe-technisch” bereits die zweite Runde, wirkt oft bei Poetryslams mit und schreibt außerdem Kurzgeschichten. Wenn sie nicht gerade textet, das Meer oder ihre Familie genießt, singt sie mit Leidenschaft und Inbrunst. Bei Frau Mutter ist sie die Expertin für die körperliche Liebe oder was das ist, “wenn Mama und Papa sich ganz doll lieb haben.”

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