Gastbeiträge

Familienalltag: Warum lügt man uns so an?

20. Juni 2017

Der Familienalltag: Bevor wir das erste Kind bekommen und auch bis kurz vor der Geburt stellen wir uns das ja alle rosig vor. Werdende Eltern denken ja oft: „Ach, die übertreiben alle. Bei uns wird das alles super laufen.“ Meine Gastautorin Sandy macht sich heute Gedanken darüber, warum man eigentlich so blauäugig ist, wann der „Realitäts-Urknall“ passiert und warum der Alltag dann doch sehr schön ist. Viel Spaß!

Ich hatte ja keine Ahnung….

Ich erinnere mich noch gut an einen Samstagnachmittag in meinem vorherigen Leben, an dem mein Freund und ich am „Geburtsvorbereitungscrashkurs für Paare“ teilnahmen. Ich saß mit neun Schwangeren samt Männern auf blauen Gymnastikmatten, trank Rooibostee und ließ mir von meinem Freund die Schultern massieren. Wie glückselige Kühe auf einer saftigen Weide, völlig zufrieden mit uns und der Welt, schauten wir dümmlich in die Runde (ich spreche von real existierender „Schwangerschaftsdemenz“). Dann wurden Fragebögen ausgeteilt, die Lebensbereiche wie „Partnerschaft, Freundschaften, Beruf, Haushalt und Beziehung zu Eltern“ listeten.

Wir sollten auf einer Skala von eins bis sechs unsere Einschätzung abgeben, wie sehr sich einzelne Bereiche mit Kind verändern würden. Damals – wir hielten zu diesem Zeitpunkt noch Händchen – erwarteten mein Freund und ich zwar in allen Bereichen Veränderungen, jedoch in mehr als der Hälfte nur geringfügige. Für unsere Partnerschaft wurde immerhin mit „ein bisschen“ Veränderung gerechnet.

Insgesamt sind wir irgendwie davon ausgegangen, dass es so weitergeht wir früher, nur mit Kind. Jeder hat weiterhin sein Leben, seine Identität, seine Ziele und Wünsche. Ah ja.

 

Die Geburt ist der Urknall für Eltern

In der Retrospektive waren wir unfassbar ignorant und naiv. Was wussten wir schon vom Eltern- Dasein? Statt verklärende Fragebögen, hätte uns die kursleitende Hebamme knallharte Fakten liefern sollen: „Ihr Dummerchen, Euch erwarten nicht nur „sehr starke“ Veränderungen, die Geburt gleicht vielmehr einem Urknall, der einen kompletten Neuanfang aller Lebensbereiche in Raum und Zeit verursacht!“ Krawumm! Die Urknalltheorie. Auch befreundete Mütter hatten mir im Vorfeld vom neuen Universum mit Kind berichtet, jedoch konnte ich mir bei bestem Willen einfach nicht vorstellen, inwiefern ein Kind der größte Umbruch überhaupt sein sollte.

Ich hätte mir nie träumen lassen, dass das Baby im ersten Jahr tatsächlich anstelle meines Partners rücken könnte, indem es so viel Nähe verlangte, dass ich mich selber manchmal aufzulösen schien. Warum hatte mir niemand vom Ausmaß an gesellschaftlichen Einschränkungen erzählt? Ich hätte doch im pränatalen Stadium keine Mottoparty, Konzerteinladung oder Kurzreise ausgeschlagen! Indessen hatte ich allen Müttern, die mir prophezeit hatten, dass mein Freund und ich in den ersten Monaten in getrennten Betten schlafen würden, einen Vogel gezeigt. Mittlerweile verwundert es mich nicht mal mehr, wenn mir eine Freundin erzählt, sie schlafe bereits seit dem fünften Babymonat in der Küche – und das vor Erschöpfung noch vor der Tagesschau!

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Die Realität im Familienalltag: So ist es und so ist es gut

Und um auf die Frage zurückzukommen „ob ich eigentlich noch zur Verwirklichung meiner Jugendträume, Ideale und Ziele neben den Verpflichtungen als Mutter komme“: Nein, ich verwirkliche derzeit meine Träume, Ideale und Ziele als Mutter. Meine Jugendträume dagegen sind auf Eis gelegt, bis die Kinder älter sind. Vielleicht bleiben sie aber auch einfach Jugendträume und ich habe ganz neue Träume, wenn die Kinder aus dem Haus sind? Wer weiß. Und wie gehe ich mit meiner Identitätskrise „Wer bin ich heute“ um?

Nun, ich kann mich guten Gewissens als abgebrühte, berufstätige Mutter eines zweijährigen Sohnes, Durchzechte- Nächte- Expertin, Hipp-Starköchin und BVG- mit- Kind – Test- Dummie empfehlen. Ich habe meinen Horizont mit einer diffizilen Namenwahl, Muttermilchgefrierbeuteln sowie spezielle Eltern-Apps erweitert. Ich bin Fachfrau für Birkenstockmodelle, Koryphäe im Katalogshoppen und Spezialistin, was die Gemeinsamkeit von modernen Milchpumpen und Vibratoren angeht.

Machen Sie den Eltern- Eignungstest!

Jetzt sind mein Freund und ich diejenigen, die von noch kinderlosen Freunden gebeten werden, vom Familienalltag zu erzählen und Ratschläge zu geben. Ich verweise dann gerne auf einen Eignungstest aus dem Internet, mit dem man herausfindet, ob man bereit für Kinder ist. Er lautet ungefähr so: „Verkaufe Deinen BMW und kaufe stattdessen einen Opel Meriva. Platziere ein Schokoladeneis im Handschuhfach. Lass es dort! Nimm ein Zwei-Euro Stück und stecke es in den neuen Blue-Ray DVD Spieler. Beschmiere das Sofa mit Nutella. Leihe Dir zwei Ziegen, nimm sie zum nächsten Einkauf mit und behalte sie die ganze Zeit im Auge. Stelle deinen Wecker von 19 bis 7 Uhr im Zwei-Stunden- Rhythmus. Wiederhole das Ganze Nacht für Nacht, mindestens ein Jahr lang. Bleib tapfer!“

Unsere Noch- Kinderlosen- Freunde halten diesen Test für fiktiv und überzogen. Nun, ich lasse sie in dem Glauben, halte es mit der Maxime „letztlich müssen sie Ihre Erfahrungen selber machen“ und dem persönlichen Leitspruch meines Freundes: „So ein Kind ist das Anstrengendste und gleichzeitig Wunderschönste, was ich je erlebt habe“. Krawumm!

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5 Kommentare

  • Reply Vali 20. Juni 2017 at 8:56 am

    sososo wahr! 😀 hehe… acherje! genau so ging es mir auch, und geht mir immer noch…

    • Reply Frau Mutter 21. Juni 2017 at 9:25 am

      ja, so geht’s uns allen, liebe Vali! lg nina

  • Reply Sven 21. Juni 2017 at 8:05 am

    Eure (noch) kinderlosen Freunde werden sich gerne an diesen Text erinnern und ihn lachend ihrem Partner vorlesen, wenn sie selbst einmal Kinder haben. Auch wenn sie es jetzt nicht verstehen 😉

  • Reply Anni Maçion 22. Juni 2017 at 10:27 pm

    Ich versteh was du schreibst und lese den bitteren Humor… muss aber sagen: ich hab meine Träume nicht aufgegeben und finde es auch nicht richtig das zu tun. Man sollte ehrlich sein, auch zum Kind und da gehörte für mich dazu, einen Kompromiss zu finden und mein Kind zu integrieren und für meine Träume zu begeistern. Sie ist jetzt 5 und seit sie drei ist, konzentriere ich mich auch wieder auf mein Leben und meine Ziele. Ich hoffe ihr auch.

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