Familienalltag mit Humor

Von Oma lernen! Female Empowerment in den alten und neuen 20er Jahren

7. Januar 2020

Die 20er Jahre haben begonnen! Werden sie golden sein? Vor allem für uns Frauen? Als wir vor ein paar Tagen die neue Dekade begrüßt haben, musste ich an meine Oma denken. Geboren 1904. Kind im Ersten Weltkrieg, junge Frau in den 20ern und Mutter im Zweiten Weltkrieg, Trümmerfrau und Witwe danach. Und ja, auch ihr persönliches Wirtschaftswunder gehörte zu ihrem Leben. Was würde sie heute zu mir als Frau und Mutter sagen? Zu den Frauen heute?Unserem ewigen Hadern zwischen Female Empowerment und Wäscheberg?

Meine Großmutter starb, als ich 17 war. Ich konnte sie also nicht mehr fragen, wie es als Frau ist, erwachsen zu werden, geschweige denn Mutter, Ehefrau und tja, wie das mit dem Älterwerden so klappt. Also in der Lebensrealität anzukommen.

Zwei Weltkriege erleben, einen Teenager und ein Kleinkind im Krieg aufziehen, Flucht, Armut, Hunger- wie man das überhaupt unbeschadet überstehen kann, weiß ich nicht. Meine Oma war eine große Realistin mit Humor für eine ganze Stadt. Vielleicht war das auch ihre Überlebensstrategie. Wenn sie lachte, tat sie das aus vollem Herzen, mit ihrem ganzen Körper. Ja, sie weinte beim Lachen, sie hielt ihr Gegenüber fest und klatschte ihm oder ihr auf die Oberschenkel.

Die neue Frau der 20er Jahre: damals und heute

„Omi Tutti“ (ihr Name war Gertrud) wurde als dritte von fünf Töchtern in einem Dorf in der Eifel geboren. Die Enge des Dorfes verließ sie, um ihre goldenen 20er in Koblenz zu suchen. Sie lebte in einem katholischen Heim für unverheiratete Frauen, begann eine Büro-Ausbildung, die Röcke wurden kürzer und sie schnitt sich die Haare zum „Bubikopf“. Vorsichtshalber behielt sie aber den abgeschnittenen Dutt, den sie sich bei Besuchen im Eifeler Elternhaus zur Sicherheit an den Kopf steckte.

Sie hatte Freundinnen, ging aus und verreiste an die belgische Nordseeküste. Eine bescheidene, wenn auch beachtliche weibliche Freiheit der 1920er Jahre. Schließlich traf sie meinen Großvater und mit dem female empowerment war es spätestens 1933 Schluß, da kam meine Tante auf die Welt und das nationalsozialistische Frauenbild wollte von den „neuen Frauen“ der Weimarer Republik nichts mehr wissen.

Die jungen Frauen der 20er wurden Mütter der 1940er- und Großmütter der 80er Jahre

Allein als junge Frau in eine Stadt zu gehen, sich ein Leben aufzubauen. „Modern“ zu sein- um dann die gerade begonnene Freiheit der Frau an die Nazis zu verlieren und zwar für immer. Ob meine Oma damit gehadert oder sich je darüber Gedanken hat? Nein, dafür war keine Zeit. Das Überleben musste gesichert werden. Geistesgegenwärtig musste man sein, schlau und pragmatisch. Beherzt, Ängste und Qualen irgendwie wegdrücken.

Nachdem mein Opa kurz nach dem Krieg starb, heiratete Oma erneut. Es war in der Familie allgemein bekannt, dass dies nicht aus Liebe geschah. Der Mann war Bauunternehmer und nützlich, den großen Lebenstraum meiner Oma zu erfüllen, den sie nie aufgab: Ein eigenes Haus zu besitzen. Wirtschaftswunder!
Als romantisch veranlagter Teenager habe ich sie oft gefragt, warum sie einen Mann ohne Liebe heiraten konnte.

„Eine Frau ohne Mann ist nichts wert.“

Diesen pragmatischen Wirtschaftswunder-Traum wurde alles untergeordnet. Geld für die Ausbildung der Töchter ausgeben? „Du heiratest“ ja eh“.
Und meine eigene Mutter heiratete ja eh… Schon unglaublich, wie dieses Frauenbild auch mich als Kind und Heranwachsende beeinflusst haben muss.

Omi, aber wir müssen doch female empowered sein!

Ich frage mich oft, was sie zu meinem Leben sagen würde. „Ich bin ja in der Teilzeit-Falle, kaufe mir aber bald einen Mixer für grüne Smoothies, weil das gut ist für happy aging. Und die Frau auf Instagram gründet jetzt ein Unternehmen, hat drei Kinder und Kleidergröße 34.“

„Greif Dir mal an den Kopf“, würde Oma sagen und herzlich lachen über #youcanhaveitall. Sie war eigentlich überhaupt nicht zu beeindrucken, meine Oma. Weder von Äußerlichkeiten noch von Menschen. Jede Art von Zurschaustellung nahm sie mit einem Spruch auseinander. Und die Sprüche waren immer messerscharf.

Sie war durch ihr Leben auf gewisse Art illusionslos geworden- auf eine trotzdem lebensfrohe-rheinische Art. Und: sie bezog die Widrigkeiten des Lebens nicht auf sich selbst.

Ich glaube, wenn ich Ihr heute Instagram zeigte, sie würde ich schlapp lachen. Und sich keinen Deut schlechter fühlen.

Selbstwert, der nicht auf Äußerlichkeiten fusst

Aber warum klappt das denn nicht mit dem female empowered sein? Warum bin ich in der Teilzeitfalle und zu blöd, mein Geld zu investieren? Warum um Gottes Willen altere ich? Zuckerfrei geht doch auch so leicht und #blessed bei allen anderen auf Instagram?

Was ich bei vielen Frauen meiner Generation bemerke, ist, dass wir alles immer auf uns beziehen. Wir sind am Ende die Blöden und haben die falschen Entscheidungen getroffen. Wir schaffen es nicht, Karriere zu machen und eine Familie zu gründen, überhaupt- warum GRÜNDEN wir nicht? Wir sporteln, detoxen und self-caren nicht genug und essen heimlich Industriezucker.

Wir geben uns selbst die Schuld, wenn wir die Gleichberechtigung noch nicht geschafft haben. Und zwar in der instagramable Version.

„Ich bin ich und wo ich bin, ist oben.“ Das war Omis Lieblingsspruch. Dazu trank sie einen Schluck „Klosterfrau Melissengeist“ und ass noch eine Weinbrandbohne dazu.

Das wird übrigens mein Motto für die nächsten goldenen 20er Jahre. Am Ende dieser Dekade werde ich hoffentlich eine lebensfrohe und lebenskluge Dame mittleren Alters sein, mit allzeit genug Weinbrandbohnen im Haus.

Was sind Eure Wünsche für die neuen 20er Jahre?

Frau Mutter folgen

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1 Kommentar

  • Reply Andrea 7. Januar 2020 at 6:06 pm

    Eine toughe Grossmutter sein..
    .nach dann 40 Arbeitsjahren in Rente gehen…auf das Perfektsein pfeifen…hoffentlich noch lange gesund sein…

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