Familienalltag mit Humor

Hilfe, mein Sohn macht Tanztheater!

27. Juli 2016

Bisher war ich ja sehr stolz, dass mein Sohn mit großer Begeisterung die Tanztheater-AG seiner Schule besucht. Warum sollen immer nur Mädchen tanzen? Das Gelernte aus unserer Familiendisco und stundenlanges YouTube-Anschauen von Michael-Jackson-Videos inklusive üben des „Moonwalk“ kann ja durchaus auch mal vor Publikum gezeigt werden. Dachte ich. Bis zur letzten Woche, als alle Eltern der Tanz-AG zur Jahres-Abschieds-Vorstellung „Traumtänzer und Traumexperimente“ geladen wurden. Theater und auch Tanztheater soll ja bekanntlich auch den sozio-kulturellen Austausch anregen und so kam es dann auch.

Es kam ganz dicke für uns Eltern. Anfangs war noch alles ganz harmlos. Die ersten bis dritten Klassen führten ein putziges Stück mit einem lila Zwerg auf, alles ganz l’art pour l’art und weit entfernt von theatralischem Rebellentum. Bei jeglichen Aufführungen meiner Kinder geht es mir ja ehrlicherweise so, dass ich eigentlich immer nur auf den Auftritt meiner Kinder warte. „Was, Du kommst erst nach der Pause im vierten Akt für fünf Minuten dran und spielst einen Baum?“ Sorry, andere Kinder, aber so ist das leider.

Natürlich gibt es aber immer wieder auch wunderbare Theater-Momente zu beobachten, wenn einige Kinder sich so richtig gut auf der Bühne fühlen und man sich schon vorstellen kann, dass Leonie aus der 5b oder Tom aus der 3c irgendwann mal im „Tatort“ 2030 mitspielen werden.

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Die Vorstellung plätscherte dahin, bis die vierten bis sechsten Klassen plötzlich alle schwarz gekleidet (bis auf die roten Schuhe im Bild oben) auf der Bühne erschienen. Vorher wurden wir von Sebastians Tanzlehrerin instruiert: „Sie werden vielleicht überrascht sein, aber lachen sie nicht über die Träume der Kinder.“ Und dann kam es:
< h2>Ich träume von einem Pferd namens Amadeus und einer schwarzen Stretch-Limo

Die Träume der Kinder wurden vorgetragen. Zunächst Erwartbares. „Ich will eine berühmte Springreiterin werden.“ Ich wünsche mir ein Pferd namens Sabrina-Amadeus.“ „Ich will ein großes Haus und eine schwarze Limo!“ (oder meinst sie damit das süße Gesöff aus Amerika?) Alles ganz niedlich und verständlich, will ich ja auch. Minus Pferd. Doch dann wurde es ungemütlicher.

„Die Reichen sollen sich nicht besser als die Armen fühlen.“
„Ich träume davon, dass keiner mehr Fleisch ist und alle auf der Welt Vegetarier sind.“
„Die Vegetarier sollen uns endlich in Ruhe lassen.“

What? Da sage noch einer, die Jugend von heute wäre politisch desinteressiert. Es wurde immer spannender, denn die Kinder trugen das mit echter Überzeugung vor und wir Eltern bekamen ein Bild davon, was sie so umtreibt. Obwohl ich politisch nicht allem folgen konnte, fand ich das große Klasse. Bert Brecht wäre auch zufrieden gewesen Dem Wunsch nach Nicht-Einmischung des Publikums konnte meine fünfjährige Tochter leider nicht entsprechen. „Iiii, ich will aber Fleisch essen“, rief sie aus der zweiten Reihe. Wahrscheinlich macht sie im nächsten Jahr auch mit beim Tanztheater, als Eisbein verkleidet.

„Ich träume davon, meinen Opa kennenzulernen.“
„Ich träume davon, dass mein Papa mehr Zeit für mich hat.“

Schluck. Im Saal wurde es immer stiller und viele Eltern fragten sich: „Oh Gott, was sagt mein Kind jetzt über mich auf der Bühne?“ Eine bedrückende Stimmung machte sich breit im gut gefüllten Saal. Mhhh, kann der lila Zwerg wieder auf die Bühne kommen? So ging es noch ein bisschen weiter, bis….

Mein Sohn vorm Mikro stand.

„Ich träume davon, dass meine Mutter nicht immer heimlich Süßigkeiten klaut.“

Großes Gelächter, Szenenapplaus und ein hörbares Aufatmen ging durch den Saal. „Noch mal davongekommen“, dachten sich jetzt 80 Prozent der Eltern im Zuschauerraum. Pfff, wer macht denn so was?

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Tanztheater mit comic relief

Ich stand zu dem Zeitpunkt neben der Bühne und mir fiel fast die Kamera aus der Hand- vor Lachen. Vor mir stand die Tanzlehrerin. „Ist das nicht toll?“, fragte sie mich mit Blick auf meinen Sohn.

„Angenehm, ich bin übrigens die besagte Mutter, die Süßigkeiten klaut“, stellte ich mich vor.
„Ach Sieeeee sind das? Als Sebastian das in der Probe vorgetragen hat, lag ich eine halbe Stunde vor Lachen auf dem Boden.“

Abends beim Abendessen schaute mich mein Sohn von der Seite an. „Mama, habe ich Deine Gefühle verletzt, als ich gesagt habe, dass Du immer meine Süßigkeiten klaust?“

„Im Gegenteil“, sagte ich mit voller Überzeugung. Ich erklärte ihm, wie dramaturgisch wichtig sein Auftritt war. Die Stimmung wurde immer düsterer, beklemmter und er mit dem gekonnten Witz über seine Mutter (ist natürlich nur ein Witz, ist klaaar) hat alle wieder aufgeheitert.

„Das war ein klassischer comic relief wie bei Shakespeare!“
„Häää?“
„Egal, Schatz, ich bin stolz auf Dich.“

Das war an dem Abend alles, was er hören wollte. Und das war ich auch.

All’s well that ends well!

Frau Mutter folgen

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6 Kommentare

  • Reply Nicole 27. Juli 2016 at 10:15 am

    Du hast einfach schon immer gewusst, dass Suessigkeiten „klauen“ (ich nenne das uebrigens ausleihen) einfach allen im Leben hilft….;-)

  • Reply Frau Mutter 27. Juli 2016 at 8:48 pm

    genau so ist das, Nicole!!! LG nina

  • Reply Miriam 28. Juli 2016 at 10:21 am

    Ich esse die Suessigkeiten nur zum Wohle der Kinder! 🙂

    Kenne es sehr genau, wenn man nur auf den Auftritt der eigenen Kinder waren. Beim Osterspiel war mein Sohn als erstes dabei, was dann folgte, kam dem Leiden Christi sehr nahe…

  • Reply Anja W. 28. Juli 2016 at 11:52 am

    Einfach herrlich!

    Nächste Woche ist bei uns Einschulung für die Große, in 2 Jahren folgt der Kleine. Ich bin jetzt schon gespannt, mit was uns die Kinder begeistern werden 🙂

  • Reply Christine 28. Juli 2016 at 9:07 pm

    Ich denk mir auch nichts dabei, Bach dem Auftritt meiner Kinder zu gegen. Bei uns an der Schule gibt es für die 5. und 6. Klassen eine Chor Pflicht. Du kannst dir sicher denken, dass ich froh bin, wenn mein Sohn an der Reihe war. Und Süßigkeiten borgen ist gut gegen Zähne . Liebe Grüße und danke für den tollen Artikel

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