Familienalltag mit Humor

Johnnys Flaschenpost: Das Baby tragen – tun das echte Männer?

2. Juli 2015

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Seitdem wir den Urwald gegen ein Leben in der Steppe eingetauscht haben, heißt es in deutschen Städten gerne: Menschenkinder sind Traglinge. Manchem Berliner Vater möchte man trotzdem einen vernünftigen Kinderwagen schenken – oder eine Trageberatung.

Wir leben in aufregenden Zeiten. Als moderner Vater hat man heute Transportmöglichkeiten, von denen unsere Vorväter wahrscheinlich nicht einmal zu träumen gewagt hätten. Vorausgesetzt, sie wären öfter zuhause geblieben, anstatt tagsüber ins Büro oder Bergwerk zu fahren.

Ich rede von Designer-Kinderwagen, Buggys mit umkehrbaren Sitzen, 100m langen Tragetüchern, Wandertragen und ganz besonders Tragerucksäcken.

Das Baby tragen: Die Kraft der Nähe

Letztere sind bei modernen Männern ausgesprochen beliebt und das völlig zurecht, denn: Sie bieten den wärmenden und weichen Komfort von Tragetüchern, vermitteln gleichzeitig aber diese gewisse Sportlichkeit wie sie sonst nur hochwertige Funktionskleidung zu bieten hat. Diese wiederum sorgt für eine leichte Betonung der eigenen Männlichkeit. Der Tragerucksack wird modisches Accessoire, das man genau wie Vollbart und/oder Tätowierung sichtbar und bewusst nach außen tragen kann. Das ist doch super. Ich stelle allerdings fest: Auch Normalo-Väter ohne BC – Bachelor of Cool – erfreuen sich mehr und mehr des Baby-Tragens. Mütterliche Rücken und Beckenböden in Berlin, um Berlin und um Berlin herum jubilieren. Und der Nachwuchs profitiert davon nicht minder.

Ja, ich beglückwünsche jeden einzelnen tragenden Vater, der mir da draußen im Groß- und Kleinstadtdschungel begegnet. Eure Einstellung ist super und sie verdient Nachahmer. Das eigene Kind ganz nah bei sich zu tragen, das ist für wahr etwas ganz besonderes. Es stärkt die Bindung zum eigenen Kind und vor allem stärkt es die Bindung zu sich selbst als Vater. Was gibt es männlicheres, als Vater zu sein? Mal so ganz unter uns. Batman kann mir gar nichts.

Das Duell: Vater vs. Mann

Davon einmal ganz abgesehen. Manchmal wundert es mich, dass nicht viel mehr Väter ihren frischen Nachwuchs bei sich tragen oder anders: nicht bei sich tragen wollen?

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Warum das Kind vor sich her schieben? Einhändig cool am besten? Sei es vielleicht, um die absurd hohen Anschaffungskosten eines namhaften Kinderwagens zu rechtfertigen? Mein erstes Auto, ein schicker Mittelklassewagen, gebraucht, hat übrigens nur unwesentlich mehr gekostet, als ein Marken-Kinderwagen im oberen Drittel der Anschaffungsskala.

Dass ein gebrauchtes Auto finanziell in ähnlichen Sphären schwebt, wie ein Kinderwagen, ist ohnehin für viele Väter in spe nur sehr schwer nachzuvollziehen. Manchmal denke ich: Zurecht! Diese drei bis achträdrigen Ungetüme sind oft weder besonders benutzerfreundlich, noch sonderlich stabil. Und oft braucht man den ersten kaum länger als 12 Monate.

Vielleicht sind es nicht bloß die horrenden Anschaffungskosten. Möglicherweise vermuten manche Männer im Tragen eine Gefährdung ihrer eigenen, über die Jahre hinweg schwer erarbeiteten Männlichkeit. Gerade erst an sie gewöhnt, soll man sie schon wieder abgeben und sich ganz weich geben? Ich wiederhole noch einmal meine Frage vom Anfang: Was gibt es männlicheres, als Vater zu sein?

Eine Trageberatung speziell für Väter

Oder erscheint es manchen Vätern schlichtweg unpraktisch, das Kind zu tragen? Oder zu kompliziert? Als Papa kann man Superheld sein oder einfach ganz normal. Gewisse Dinge sollte man dennoch beachten. Manchmal sehe ich z.B. Väter, deren Einstellung zwar stimmt, die ihren Nachwuchs allerdings derart im Tragetuch tragen, als wär’s ein Sack Pastinakenpüree.

Anhock-Spreizhaltung. Nein, liebe Freunde, das ist keine finnische Skisprung-Variante und auch keine kamasutrische Fehlstellung. Es ist das Ah und Oh! Wäre aber nicht genau das eine ideale Marktlücke: Die Trageberatung für den Vater? Ein Angebot, dass sich in papagerechter Sprache dem Thema Tragen nähert?

„Wenn der Kinnbart den Kopf des Kindes berührt, dann sitzt das Baby in der korrekten Höhe.“ oder „Es ist absolut normal, wenn Du eine Stegverbreiterung brauchst. Das ist jedem von uns schon einmal passiert.“

Ja, das hätte Potential. Als Vater vertraut man ohnehin viel zu oft dem Campus-Klassiker:“Sicheres Auftreten, bei totaler Unwissenheit!“ Es ist völlig in Ordnung, uns Väter auch ohne Trageberatung darauf aufmerksam zu machen, falls etwas, sagen wir mal, nicht ganz so optimal sitzt oder läuft. Wir werden es nicht unbedingt immer positiv aufnehmen, dankbar werden wir aber dennoch sein. Ich jedenfalls kann sagen, dass ich für jeden Hinweis dankbar war. Zeigen konnte ich das allerdings auch nicht immer. Männer, vor allem in der Ausprägung Vater sind komplizierter, als gemeinhin angenommen.

Ich bin jedenfalls kein Supervater, aber ob im Rucksack oder auf dem Arm, tragen war und ist immer das gewesen, was sich richtig angefühlt hat. Und das war vor allem anfangs erst mal alles, was ich wissen musste.

WB-Profilbild

Johnny, Museumspädagoge mit Berliner Wurzeln bloggt seit mehr als einem Jahr regelmäßig auf seinem Blog Weddinger Berg. In seinem Papablog offenbart er die satirisch ungeschönte Wahrheit über sich als Vater einer töchterlichen Urgewalt. Manchmal mit einem Augenzwinkern und immer zischend frisch. Aus dem wunderschönen Wedding, Berlin.

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1 Kommentar

  • Reply Hanna 9. Februar 2017 at 10:16 am

    Ach, ich glaube in unserer Generation ist das nicht mehr so eng mit echten Männern und so 😉 Bzw. ein echter Mann muss in meinen Augen auch ein guter, zuverlässiger Vater sein. Alles andere sind für mich „Waschlappen“…

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